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Ausgabe:

1957 Nr. 4

Spalte:

291-292

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Mercenier, Feuillen

Titel/Untertitel:

La prière des églises de rite byzantin 1957

Rezensent:

Onasch, Konrad

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 4

292

LITVRGIEWISSEN SCHAFT

M e r c e n i e r, R. P. E. et P a r i s, M. le Chanoine Francois: La Priere
*-<C des Eglises de Rite Byzantin. I.: L'Office divin, la liturgie, les sa-
crements. Preface de E. Tisserant. 2e ed. XL, 470 S. IL: Fetes.
1.: Grandes Fätes Fixes. 2e ed. par E. Mercenier et G. B a i n -
bridge. 442 S. 2.: L'Acathiste, La Quinzaine de Päques, l'Ascen-
sion et la Pentecöte. 502 S. Chevetogne: Monastere de Chevetogne
o. J. 8° = Collection Irenikon. ä Bd. bfr. 180.—.

Das vorliegende dreibändige Werk, dem noch II, 3: Le Ri-
tuel folgen soll, stellt eine eindrucksvolle wissenschaftliche Leistung
dar. Es enthält, wie die Titel besagen, fast ausnahmslos
den gesamten Hymnen-, Gebets- und Lektionsschatz der byzan-
tinisch-slavischen Orthodoxie. Dem deutschen Leser ist ein ähnliches
Unternehmen in den Bänden des gelehrten russisch-orthodoxen
Propstes A. Maltzew bekannt. Dieser hat das Material
nach den Typen der orthodoxen Kultbücher, also genuin orthodox
-liturgisch geordnet. In der Ausgabe der Benediktiner von
Chevetogne ging man systematisch vor. So erscheinen z. B. im
L Bande neben der Liturgie auch die Sakramente, die original in
das Euchologion gehören, vgl.: I. G o a r, Euchologium, Paris 1647,
S. 350 ff. In den beiden Teilbänden von Band II befinden sich
im 1. die Feste des Menaions, im 2. die des Fasten- und Blumen-
triodions (Pentekostarion). Die termini technici in den Indices
6ind griechisch und russisch gegeben. Der Text ist drucktechnisch
souverän gemeistert und damit dem Benutzer bequem zugänglich
gemacht. Über die Titelangaben hinaus enthalten die Bände eine
Reihe von speziellen Riten, für deren Aufnahme die Benutzer
dankbar 6ein werden. So im Band I die interessanten Tvmxä
(S. 189—198). Bei ihnen handelt es sich um eine Art Meßliturgie
-Ersatz. Sie dürfen aber nicht mit der Präsanktifikanten-
messe verwechselt werden. Es befinden sich hier S. 307—396 die
Ordinationen von Lektor und Sänger bis zu denen der Hierarchen
. Band II, 1 enthält die vollständigen Liturgien der großen
unbeweglichen Feste mit Anmerkungen zu den Abweichungen im
slavischen Ritus. S. 13—74 erhalten wir einen gründlichen Einblick
in die Festzyklen der orthodoxen Kirchen und in ihr Proprium
Sanctorum. Nicht ganz klar ist die im übrigen sehr
schwierige Unterscheidung zwischen dem 'OxTwrjxog als Kultbuch
und dem 'Oxrco^oe-Zyklus S. 13—15. Das Parallellaufen
mit dem unbeweglichen Festzyklus und der Ablauf der Matthäus-
und Lukassonntage hätten hier dargestellt werden sollen, dann
wäre der ganze Komplex Oktoechos klarer geworden. Dieser
Zyklus endet nicht am Freitag vor dem Lazarussamstag (Samstag
vor Palmsonntag), wie S. 14 steht, sondern mit dem letzten
Lukassonntag, der wegen 6einer Lektion Luk. 19, 1—io auch
Zachäussonntag heißt. Auf diesen folgt dann der erste der vier
Vorfastensonntage, der Sonntag des Pharisäers und Zöllners.
Der Oktocchos-Zyklus ist also das variable Zwischenstück innerhalb
des beweglichen Zyklus zwischen Pentekoste und der Vor-
quadragesima, also zwischen Pentekostarion und Fastentriodion.
vgl. neben Alexios von Maltzew : Fasten- und Blumentrio-
dion, Berlin 1898 das immer noch beste heortologische Handbuch
von Nicolaus N i 11 e s: Kalendarium Manuale utriusque Eccle-
siae Orientalis et Occidentalis T. II. Oeniponte, 1897, die Übersichten
S. XVII—XXI. Die Hinweise auf den slavischen Ritus sind
auch hier laufend beigegeben. Von den Indices, die das Werk
erst gebrauchsfähig machen, ist bereits gesprochen worden. Andere
Übersichten, wie etwa die Kathismata des Psalters (I, 207—
209) vertiefen die Einsichten in die orthodoxe Liturgie.

Der nichtkatholische Benutzer wird beachten müssen, daß das Werk
in erster Linie für die Praxis der Linierten des byzantinisch- slavischen
Ritus gedacht ist. Von der Notwendigkeit eines solchen Handbuches
spricht Cardinal Tisserant in der Preface des I. Bandes mit temperamentvollen
Worten. Der unierte Charakter des Unternehmens macht
sich natürlich bemerkbar. Den Texten sind die Editiones Romanae zugrundegelegt
, mit Ausnahme des Typikons (I, S. XXXIV ff.). Für den
Gebrauch unierter Priester ist auch die „Classification des Fätes"
Bd. II, 1, S. 69—74 gedacht, die es in der orthodoxen Kirche nicht gibt.
Es heißt dort deshalb, „que la variete existant dans le rite byzantin
quant ä la construction des divers offices rend impossible une Classification
rigide des fetes liturgiques". Der unierte Grundzug der Ausgabe
kommt auch an der bekannten Epiklesen-Stelle in der Chrysosto-

mus- und Basilius-Liturgie (I, S. 253, S. 274) zum Ausdruck, wo nach
dem Großdruck der Einsetzungsworte und dem Normaldruck des Offer-
toriums Anamnese und Epiklese in Petit-Druck erscheinen. Gewiß, auch
die orthodoxe Kirche konzentriert heute das „konsekratorische Moment
" nicht mehr so ausschließlich auf die Epiklese, wie etwa noch im
17. Jhdt. in Rußland. Aber das völlige Verschwinden derselben im
Petitdruck nivelliert doch die selbst im Verbände der mit Rom unierten
Kirche selbstverständliche Besonderheit der byzantinisch-slavischen Orthodoxie
zu stark. Auch andere liturgische Bezeichnungen halte ich für
zu blaß. So werden die Ektenien (vgl. die richtige Beschreibung I, S. 13,
Anm.) der Gläubigenliturgie I, S. 242 nur mit „Prieres pour ceux, qui
prennent part ä la Liturgie" bezeichnet. Streiten kann man auch über
die Anordnung der Abschnitte in der Meßliturgie, da man offensichtlich
die strenge Rubrikenordnung nicht übernommen hat. Warum z. B.
die variablen Troarien I, S. 235 besonders hervorheben, wenn man
sonst den Wechselstücken keine besondere Aufmerksamkeit schenkte?
Man vermißt gerade in der Meßliturgie die griechischen und slavischen
Bezeichnungen für die wichtigsten Rubriken. Vielleicht könnte man auf
den Abdruck der Lektionen in den Anhängen verzichten. Sie ergeben
textkritisch sowieso eine Reihe von Problemen. Dafür würde es begrüßt
werden, wenn man in die liturgischen Kontexte an den wichtigsten
Stellen, etwa der Präfation, oder in den dogmatisch betonten Festhymnen
den griechischen Paralleltext brächte. Ich betone das deshalb, weil
in der Introduktion des I. Bandes z. B. die griechisch-slavische Nomenklatur
für den Kirchenbau, die Gewänder, Altar und Prothesis u. a.
sehr genau angegeben sind. Diese Bezeichnungen sind im griechischen
Kultus weit variabler als im römisch-katholisdien. Kein Geringerer als
Delehaye hat über die Bedeutungsschwankungen griechischer Liturgiebezeichnungen
Klage geführt. So wird z. B. das Bd. I, S. XXIII genannte
aQzoqpoQiov oft mit der xtßcozös gleichgestellt, vgl. Fr. Heiler:
Urkirche und Ostkirche, München 1937, S. 290. Aber bereits Herrn.
Adalb. Daniel: Codex Liturgicus Ecclesiae Orientalis, Leipzig 185 3,
S. 208 hat m. E. zu Recht aufmerksam gemacht, daß das igzorpogiov
die Pyxis für die Krankeneucharistie ist. Diesem dgzotpooiov entspricht
im Russischen die Daronosica, während die Darochranitel'nica der
xißcozö; entspricht. Daronosica — ägzo<p6gwv und Darochranitel'nica —
xißcozos tragen sowieso die russische Sammelbezeichnung koveeg. Die
xißcozos, russisch auch Kivot, besitzt einen eigenen Weiheritus, vgl.
Alexios v. Maltzew: Bitt,- Dank- und Weihegottesdienste, Berlin,
1897, S. 675. In die xißwzos — Darochranitel'nica kommen die vorgeweihten
Gaben (Russisch: Sv. Dary prezde osvjaiScennye) und werden
von hier im Bedarfsfalle in das ägzoqpogtov — Daronosica zum Transport
der Krankeneucharistie getan. Die beigegebenen Bilder, vor allem
der Liturgen, sind nicht ganz befriedigend. Von dem Bildmaterial der
Standardwerke von J. Braun angesehen, haben die nicht unierten Orthodoxen
in „Zakon Bozij", 2. Bd. (Paris, o. J.) ein übersichtliches und
pädagogisch-methodisch geschickt angeordnetes Bildmaterial ausgebreitet
. Der Rezensent wird sich wahrscheinlich mit vielen Lesern in dem
Wunsche einig wissen, dem III. Bande eine Bibliographie beizugeben.
Sie würde das Ganze auf das Vorteilhafteste abrunden I Ohne eine Bibliographie
schwimmt der Leser doch zu sehr in dem Vakuum der Un-
orientiertheit. Sehen wir einmal von den beiden ausgezeichneten Handbüchern
auf katholischer Seite von Hanssens und Raes ab, die sich mit
Liturgie und Ritus beschäftigen, so gibt es gerade für die Feste doch
eine Reihe von Arbeiten, deren Kenntnis die Benutzung dieser Cheve-
togne-Ausgabe wesentlich vertiefen würde. Eisenhofers mehrfach zitiertes
Handbuch ist zweifellos ein respektables Werk. Aber für die Geschichte
der großen Feste der Ostkirche reicht es nicht immer aus.
Ebenso ist Baumstark, dem die Liturgieforschung entscheidende Arbeiten
verdankt, nicht erschöpfend zitiert. Vermissen wird mancher auch ein
Register zum Proprium Sanctorum, das, wie im orthodoxen Mfjvcuov,
in Bd. II, 1, S. 30—68 mit dem Proprium de Tempore erscheint. Der
Wunsch nach einem Register ist um so verständlicher, als dort auch die
speziellen gemeinslavischen Heiligen erscheinen.

Die „Priere des Eglises de Rite Byzantin" der Benediktiner
von Chevetogne wird zweifellos über den Rahmen seiner Zweckbestimmung
für die mit Rom unierten Kirchen hinaus die Aufmerksamkeit
der Liturgieforscher beanspruchen. Wer sich ständig
mit der orthodoxen Liturgie zu beschäftigen hat, wird dieses umfassende
Handbuch gern und mit Gewinn benützen.

Halle/Saale Konrad Onasch

Andersen, Wilhelm: Der Gottesdienst als Botschaft und Bekenntnis
. Gedanken zur Theologie des Gottesdienstes und zugleich ein Hinweis
auf neue liturgiewissenschaftliche Literatur.
Monatschrift für Pastoraltheologie 45, 1956 S. 492—501.

Bauer, lohannes Bapt.: Ad liberandum suseepturus hominem.
Zeitschrift für katholische Theologie 79, 1957 S. 87—88.

Capelle, B.: L'oeuvre liturgique de Mgr Andrieu et la theologie.
Nouvelle Revue Theologique 89, 1957 S. 169—177.