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Ausgabe:

1957 Nr. 4

Spalte:

282-284

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Die Neuzeit und die neueste Zeit 1957

Rezensent:

Moeller, Bernd

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 4

282

hitzige Debatten heraufbeschwören und eine Flut neuerer Literatur
zu diesem nun wieder sehr umstrittenen Thema auslösen
sollten. Aber gerade darin zeigt sich der Meister, daß hier bereits
Antwort auf die Fragen gegeben wurde, welche damals (1925)
noch gar nicht so aktuell waren, wie sie es inzwischen geworden
sind. Heute sind sie unüberhörbar; man hat keine Mühe gescheut
, Luther als den „Fürstenknecht" ins grelle Licht der Polemik
zu stellen und dieser Tendenz eine möglichst breite Öffentlichkeitswirkung
zu verschaffen.

Man wird sagen können, daß A. auf seinen wenigen Seiten
den gordischen Knoten durchhauen hat. Dem Leser, der auf die
Quellen zu hören bereit ist, tut sich hier ein Weg auf, Luthers
Haltung im Bauernkrieg zu verstehen. Das ist besonders wichtig;
denn der Reformator des Jahres 1525 gibt uns wirklich schwere
Rätsel auf, und der Zugang zum Verständnis der Gesamtsituation
ist noch durch die Fülle der polemischen Literatur erschwert.

Sehr viel eher verständlich würde Luthers Haltung jedoch,
wenn man den Bauernkrieg nicht als ein Phänomen allein des Jahres
1525 betrachtete. A. behandelt in seiner Darstellung ausschließlich
Luthers Haltung. Daraus entsteht leicht der Eindruck,
als handele es sich hier allein um Ereignisse, die zeitlich durch
das Jahr 1525 begrenzt wären und nur für Deutschland ihre Bedeutung
gehabt hätten. Die isolierte Betrachtung eines so verzweigten
geschichtlichen Vorganges wie des Bauernkrieges aber
birgt die Gefahr in sich, daß die Historie mindestens verkürzt
wiedergegeben wird. Eine Bemerkung in dieser Richtung hätte
Luthers Haltung im Bauernkrieg besser würdigen gelehrt.

A. wirft in seinem Büchlein die Fragen auf, die vom Jahre
1525 bis zum heutigen Tage immer wieder gestellt worden sind:
Hat Luther den tragischen Ausgang des Bauernkrieges mitbestimmt
? „War Luther mit der Begrenztheit seines geschichtlichen
Blickes, in der Enge seiner sozialethischen Grundgedanken der
zukunftsschweren Stunde am Ende nicht gewachsen?" usw., und
antwortet: nur ein gründliches Quellenstudium kann für diese
Fragen eine Klärung bringen. Aber auch die sorgfältigste, historisch
wie methodisch richtige Untersuchung kann nicht bis in d .n
Kern der Dinge eindringen, denn „niemand wird den Reformator
im Bauernkrieg verstehen und bejahen, dem seine Deutung des
Evangeliums innerlich fremd geblieben ist". Das sind die beiden
Markierungen, innerhalb derer A. die schnell aufeinander folgenden
Ereignisse des Jahres 1525 beleuchtet. Die immer wieder gestellten
Fragen tauchen auch bei A. auf: warum hat Luther zum
Bauernkrieg überhaupt das Wort ergriffen? A. antwortet: eben
nicht deswegen, weil er am Ausbruch der Revolution mitschuldig
geworden wäre und ihn das böse Gewissen getrieben hätte.
Luthers „Ermahnung zum Frieden . . ." hatte einen sehr konkreten
Anlaß: er war in einer der Flugschriften als Autorität zitiert
worden und konnte jetzt nicht mehr schweigen. Keineswegs waren
es politische Absichten, wenn Luther sich an Fürsten und
Bauern wandte. Er hätte, wie er selbst sagt, „die Bauern gern gestillet
und fromme Obrigkeit unterrichtet". Das sah Luther als
seine Aufgabe an, das und nichts anderes — um der Reinheit des
Evangeliums willen. Die Verquickung des Wortes Gottes mit
einer sozialen Freiheitsbewegung hatte in Luthers Denken und
in seinen Predigten keinen Raum. Die einzelnen Etappen des
Bauernaufstandes und Luthers Haltung darin werden nun bei A.
jeweils nach diesem Grundschema untersucht und bewiesen.

Natürlich stellt der hier gebotene Abriß nur einen kurzen
Ausschnitt dar; er sollte nur als Beispiel des A.schen methodischen
Vorgehens und seines Anliegens vorgeführt werden. Sorgfältig
von A. ausgesuchte Worte Luthers aus seinen Schriften, Predigten
und Briefen (leider sind knapp 40 Belegstellen nicht nach der
Weimarer Ausgabe zitiert worden!) erschließen das Verständnis
für den Reformator in diesem krisenreichen Jahr.

In seinen Anmerkungen nimmt A. auch auf die polemische
Literatur Bezug, soweit das im Jahre 1925 und auf diesen wenigen
Seiten möglich war. Es ist offenbar nicht sein Anliegen, sich mit
der Fülle der vorhandenen Auffassungen auseinanderzusetzen.
Für A. ist das Entscheidende gesagt, sobald Luthers grundsätzliche
Haltung unverfälscht und unverkürzt dargelegt wurde. Das ist
ohne Zweifel auch unsere Meinung. Aber es sind seit dem Erscheinen
dieses Bändchens und der vorliegenden unveränderten

Neuauflage nahezu 30 Jahre ins Land gegangen. Die letztvergangene
Zeit hat eine große Reihe von Veröffentlichungen zu
diesem Thema zutage gefördert. Es 6ei gern zugegeben, daß
es sich hierbei oft um populäre, nichtwissenschaftliche Darstellungen
handelt. Aber die Auseinandersetzung mindestens mit
Friedrich Engels wäre schon lohnend gewesen, wäre doch mit ihm
auch zugleich die Mehrzahl seiner Epigonen zur Genüge charakterisiert
gewesen. (Smirin z. B. bildet eine Ausnahme, wenn seine
Ergebnisse auch nicht viel anders lauten; er stützt sich bei seinen
Untersuchungen nicht auf Engels, sondern verarbeitet die Quellen
auf eine selbständige Weise.) Es wären auch nicht nur die Neuerscheinungen
des marxistischen Lagers von Wichtigkeit, auch in
der anderen Hälfte Deutschlands wie im Ausland sind in letzter
Zeit zu diesem Fragenkreis manche beachtenswerten Arbeiten
beigesteuert worden. Ist also in dem A.schen Bändchen das Problem
vom Grundsätzlichen her geklärt, so vermißt man doch als
Leser unserer Tage die praktische Handreichung, wie diesem oder
jenem Argument zu begegnen wäre.

Halle/Saale E. O. Reichert

R ei n e r t h. Karl: Die Reformation der siebenbürgisdi-sächsisdien
Kirche. Gütersloh: Bertelsmann 19 56. 56 S. gr. 8° = Schriften des
Vereins für Reformationsgeschichte Nr. 173, Jahrg. 61, H. 2. DM 4.80.

Der durch frühere Honterus-Forschungen bekannte Verf.
gibt einen bei aller Knappheit inhaltsreichen Abriß der Reformationsgeschichte
Siebenbürgens, die durch ihre schärfere Beleuchtung
der reformatorischen Anfänge zu neuen Ergebnissen führt.
So zeigt die methodisch beachtliche Auswertung der Predigten des
Johannes Zekel aus Hermannstadt von 1502 in der Überspitzung
des Marienkultes und der gesteigerten Hochschätzung des geistlichen
Amtes die Voraussetzungen auf, die die reformatorische
Bewegung als Gegensatz zu dieser Übersteigerung emporkommen
ließen. Mancher äußere Anlaß, so der Heiratsprozeß des Hermannstädter
Ratsherren Johannes Hecht, hat die Bewegung weiter getragen
. Nicht weniger aufschlußreich für das Anliegen der Reformatoren
ist eine weitere Predigtsammlung eines Weißkircher
Franziskaners aus den Jahren 1536/37. Auch hier wird aus den
Argumenten des GegenlageTS auf Stärke und Richtung der Bewegung
geschlossen. Ein zweiter Hauptteil der Schrift ist der Frage
nach der reformationsgeschichtlichen Stellung von Johannes Hon-
ter in Kronstadt gewidmet. Der Verfasser glaubt nachweisen zu
können, daß noch 1543 Honter keine Absicht erkennen läßt, sich
Luther zu nähern. Schließlich sei es aber das Schriftprinzip gewesen
, das den Humanisten erasmischer Prägung der Wittenberger
Lehre zugeführt habe. Das sei durch den dortigen Aufenthalt
Valentin Wagners begünstigt worden, der seinerseits auf die Abfassung
des siebenbürgischen Reformationsbüchleins stark eingewirkt
habe. Der dritte Abschnitt schildert Ausbreitung und Befestigung
der Reformation in Siebenbürgen. — Die Quellennähe
des Verfassers ist überall spürbar. Gerade deswegen möchte man
wünschen, eine moderne, ausführliche Darstellung der siebenbürgischen
Reformationsgeschichte aus der Feder des Verf.s zu
erhalten. Es ist tragisch, daß der frühe Tod von Erich Roth seine
umfangreichen Arbeiten zur siebenbürgischen Reformationsgeschichte
nicht mehr hat vollenden lassen. Roths abweichende Beurteilung
in der reformationsgeschichtlichen Einordnung von
Honter wird erst erkennbar sein, wenn — wie es zu hoffen ist —
seine nachgelassenen Studien gedruckt vorliegen werden. Nicht
zuletzt gehört die siebenbürgische Reformationsgeschichte — was
Reinerth in dem Rahmen seiner Schrift berücksichtigt hat — untrennbar
zu der politischen Entwicklung des Landes. Hier eröffnet
sich noch ein weites und dankbares Arbeitsfeld, wenngleich die
Quellenlage recht schwierig geworden ist.

Bad Godesberg Walther Hubatsch

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Bihlmeyer-Tüchle: Kirchengcschichte. III, 1 u. 2: Die Neuzeit
und die neueste Zeit. 11. u. 12. Aufl. Paderborn: Schöningh
1955/56. XV, 584 S. gr. 8°. Je DM 12.—.

Mit diesem dritten Band ist die Neubearbeitung des Bihl-
meyerschen Lehrbuchs durch Hermann Tüchle abgeschlossen. Die-