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Ausgabe:

1957 Nr. 4

Spalte:

275-277

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Hausherr, Irénée

Titel/Untertitel:

Direction spirituelle en Orient autrefois 1957

Rezensent:

Völker, Walther

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 4

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Er denkt von der „Wirklichkeit der Existenz" aus. „Mit diesem
Innewerden meiner selbst als Existenz ist nun aber — ebenso unausweichlich
wie die Unmöglichkeit einer begrifflichen Fassung — ein Bezug
auf Transzendenz verbunden. Gerade in ihrer Selbstverwirklichung erfährt
sich nämlich Existenz paradoxerweise zugleich als bestimmt, geschaffen
, erwählt, sich geschenkt. . . Diesem Geschöpfsein entspricht jetzt
aber auf der andern Seite nicht einfach ein Nichts, sondern im nicht-
objektivierbaren Innewerden ihrer selbst hat es die Existenz mit einem
Schöpfer zu tun, der für sie Person ist, wie sie sich selber als Person
erfährt" (S. 86).

Das ist nicht gleichzusetzen mit „dem religiösen Erkennen
der Ritschl-Hermannschen-Troeltschschen Glaubenslehre".
„Der Unterschied besteht darin, daß Theologie der Existenz von den
für jene Theologen typischen Versuchen einer psychologischen Erfassung
des Glaubens und eines wissenschaftlichen Ausweises seiner Gehalte
absieht und statt dessen, wie die heutige radikale Offenbarungstheologie
, vom unbegründbaren Wagnis des Glaubens aus denkt — aber
nun nicht einfach in mythologischen Behauptungen sich ergehend, sondern
in ständiger kritischer Erhellung jeder ihrer Vergegenständlichungen
" (S. 86).

In dem Fortschreiten dieser Erhellung der Existenz — die
mir allerdings in einer gewissen Fraglichkeit sich zu vollziehen
scheint — wird das Bewußtsein der Schuld festgestellt: „Dem
seine Schuld auf sich nehmenden Menschen erwächst ein Erlöser"
(S. 89).

„Existenz, als zugleich von Anfang an schuldig und versöhnt, ist in der
Tat nicht eine schöpfungsmäßige Vorfindlichkeit, sondern erfährt sich
immer als eine je besondere Schöpfung der Gnade ... im Unterschied
von Barths Theologie gründet für Theologie der Existenz das alles
nicht in einem objektiven Heilsgeschehen, sondern im möglichen Selbstverständnis
der Existenz. Dem mythologischen Heilsgeschichtsdogma
kommt nur die Bedeutung zu, Ausdruck des Selbstverständnisses von
Existenz zu sein" (S. 89).

Mir scheint, daß man hier fragen muß, ob „Existenz" so einfach
ungeschichtlich oder unabhängig von aller Geschichte gegeben
ist — oder ob nicht Buri hier eine Existenz erhellt, die aus
der Geschichte christlicher Wirklichkeit das ist, was sie ist, d. h.
die jene Offenbarung in Jesus voraussetzt, die diese Geschichte
bedingt und trägt.

Leipzig__ Emil Fuchs

Cullmann, O.: Immortalite de l'äme ou Resurrection des morts?
Le temoignage du Nouveau Testament. Neuchätel u. Paris: Dela-
chaux & Niestie [1956]. 85 S. kl. 8° = Collection l'Actualite pro-
testante. sfr. 3.—.

D a h 1, N. A.: The People of God.

The Ecumenical Review IX, 1957 S. 154—161.

Delling, Gerhard: Das Logion Mark. X 11 [und seine Abwandlungen
] im Neuen Testament.
Novum Testamentum I, 1956 S. 263—274.

— Das Verständnis des Wunders im Neuen Testament.
Zeitschrift für systematische Theologie 24, 1955 S. 265—280.

Dietzel, Armin: Beten im Geist. Eine religionsgeschichtliche Parallele
aus den Hodajot zum paulinischen Beten im Geist.
Theologische Zeitschrift 13, 1957 S. 12—32.

D u p o n t, Jacques: Pierre et Paul dans les Actes.
Revue Biblique 64, 1957 S. 35—47.

Elliott-Binns, L. E.: James 1.18: Creation or Redemption?
New Testament Studies 3, 1957 S. 148—161.

Friedrich, Gerhard: Beobachtungen zur messianischen Hohepriestererwartung
in den Synoptikern.

Zeitschrift für Theologie und Kirche 53, 1956 S. 265-311.

— Zur Arbeit am Neuen Testament.

Monatschrift für Pastoraltheologie 46, 1957 S. 39—48. 114—121.
Hebert, Gabriel: The Church which is His Body.
The Ecumenical Review IX, 1957 S. 114—121.

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

.Hausherr, Irenee, Prof. S. J.: Direction spirituelle en Orient autre-
fois. Rom: Pont. Institutum Orientalium Studiorum 1955. 322 S.
gr. 8° = Orientalia Christiana Analecta 144. L. it. 3.000.—; $ 5.—.

Wenn ein so bedeutender Kenner der östlichen Mystik, wie
es Irenee Hausherr S. J. ist, ein neues Werk veröffentlicht, so
wird jeder Sachkenner mit erhöhtem Interesse sich sogleich der
Lektüre zuwenden. In seinen letzten Publikationen (Penthos. La

doctrine de la componction dans l'Orient chretien, 1944; Phil-
autie. De la tendresse pour soi ä la charite, 1952) hat sich der gelehrte
Autor ganz den Fragen des inneren Lebens zugewandt, in
vorliegender Schrift zieht er diese Linie weiter aus und studiert
die „Direction spirituelle en Orient autrefois".

Von einer Begriffsbestimmung des Pere spirituel ausgehend (S. 17
—55) erörtert der Verf. zunächst dessen erforderliche Eigenschaften
(moralische, intellektuelle, hierarchische Stellung, S. 56—123) und Aufgaben
(Gebet, Bereitschaft, einen Teil der Last seiner geistlichen Kinder
zu tragen, seine Liebe für sie, S. 124—151). Ein weiteres Kapitel
behandelt die Notwendigkeit der Seelenöffnung für die, die sich der
Leitung des Vaters anvertrauen (S. 152—177), dem sich ein anderes
über die Pflichten des Schülers anschließt (S. 178—211). Es folgen Ausführungen
über die Art und Weise, wie sich das geistliche Gespräch
vollzog (S. 212—229), und welchen Nutzen die Seelenleitung geschaffen
hat (S. 230—250). Den Abschluß bilden Darlegungen über die geistliche
Betreuung der Nonnen (S.251—291) und der Laien (S.291—311).
Einen knappen Auszug aus diesem reichen Inhalt hat der Verf. gleichzeitig
im Dictionnaire de Spiritualite III, 1955, Sp. 1008—1060 veröffentlicht
. —

Die Aufgabe, die sich der Verf. gestellt hat, formuliert er
mit den Worten: Nous essayons d'exposer l'aspect spirituel, c'est-
ä-dire la doctrine, les principes theologiques et psychologiques
qui ont regi la pratique de la direction diez les Orientaux (S. 9).
Für den sichersten Weg, der zu diesem Ziele führt, hält er es,
wenn man auf die Worte der Väter hört (S. 13), d.h. das Buch
ist eine Sammlung von einschlägigen Zitaten. Berücksichtigt werden
dabei vor allem die Quellenwerke über das ägyptische Mönch-
tum, die Briefe des Nilus, Isidors v. Pelusium und mit besonderer
Vorliebe die des Barsanuphius, daneben Äußerungen Theodors v.
Studium und Symeons des Neuen Theologen. Die Kirchenväter
treten fast ganz in den Hintergrund, was natürlich in der Wahl
des Themas begründet ist. So wirkt das Werk wie ein geistliches
Lesebuch, das für weitere Kreise bestimmt ist. Der Verf. hat sich
in ihm auch keine wissenschaftlichen Ziele gesteckt, denn er sagt
selbst: aux savants cet essai ne s'adresse que comme un stimulant
ä faire mieux (S. 13), und bittet die Leser in rührender Bescheidenheit
: que vous en oublierez Taute-ur (Widmung).

Es wäre daher unrecht, wollte man mit dem Autor über seine
Methode oder über Einzelheiten der Auslegung rechten. Ein Zwiefaches
möchte ich wenigstens kurz andeuten. Die Häufung der
Zitate, von denen manches mehrere Seiten umfaßt, unterbricht
6törend den Gedankengang, oder führt zu fortgesetzten Wiederholungen
bei der Überleitung zu neuen Entlehnungen. Die Diktion
des Buches erhält dadurch etwas ungemein Schleppendes. Da
die umfänglichen Zitate naturgemäß noch manchen anderen Gedanken
aussprechen, so wird die Aufmerksamkeit des Lesers nicht
selten vom eigentlichen Gegenstande abgelenkt, kehrt wieder zu
ihm zurück, nur um sich bald aufs neue anderen Ansichten zuzuwenden
.

Die systematische Anlage des Buches und die Art des Zitierens
verhindern ferner einen Einblick in die historische Entwicklung
der geistlichen Leitung. Der Verf. stellt alles auf eine
Fläche und behandelt es als große Einheit, ohne im einzelnen abzustufen
und historische Abhängigkeiten aufzudecken. Zitate aus
frühester Zeit stehen unbedenklich neben solchen aus der byzantinischen
Epoche, und auch bei ihrer Aneinanderreihung wird
nicht immer die chronologische Reihenfolge innegehalten. Für den
Autor sind sie nur Belege für seine einzelnen Thesen, und es
kommt für ihn alles auf den inneren Gewinn aus dieser geistlichen
Lektüre an.

Wenn so auch manche Frage offen bleibt, man wird sich doch
dem tiefen Ernst und der großen seelsorgerlichen Klugheit, die
aus diesem Buche spricht, nicht entziehen können. Man muß auch
die Belesenheit des gelehrten Verf.s bewundern, der mit besonderer
Vorliebe dem Gedankenstrom gefolgt ist, der von den
ägyptischen Mönchen über Barsanuphius, Dorotheus und Johann
Climacus zu Theodor Studites und Symeon dem Neuen Theologen
geflossen ist. Begrüßen wird man auch die reichen Exzerpte
aus dem Briefwechsel de6 Barsanuphius, der so schwer zugänglich
ist und doch so viele Perlen gelebter Weisheit enthält.

Zu wünschen wäre es freilich gewesen, daß der Verf. größere
Aufmerksamkeit auf eine einheitliche Angabe der Fundorte
verwandt hätte, anstatt bald nach Migne, bald nach neueren