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Ausgabe:

1957 Nr. 3

Spalte:

209-211

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Schäfer, Walter

Titel/Untertitel:

Carl Friedrich August Weibezahn, der Osnabrücker Erweckungsprediger 1957

Rezensent:

Schuster, Hermann

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209 Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 3 210

zichts und der unbiegsamen Logik des Verstands" (S. 48 3). Ein
Zeitgenosse (Concalves) gibt über ihn das Urteil ab: „Er war
liebenswürdig mit allen, aber mit niemandem familiär" (S. 486),
und Loyola sagt von sidi selbst: „Wer meine Liebe an dem mißt,
was ich davon äußere, der würde sich sehr täuschen" (S. 483).
Eine Ausnahme bilden die Briefe an Teresa Rejadella, wie man
m. E. überhaupt im 4. Kapitel (Der unerbittliche Tröster) am
ehesten einen Einblick in die Theologie Loyolas und in seine
eigenartige Seelenführung bekommt. Hier finden sich wesentliche
Hinweise für die Seelsorge an Frauen. Die Welt ist zwar 400 Jahre
älter geworden, die Probleme sind aber — mutatis mutandis —
stets die gleichen geblieben. Hier nun begegnen wir in Ignatius
einem Meister.

Es sei nicht vergessen darauf hinzuweisen, daß dem sorgfältigen
Leser eine Fülle an Material zur Zeit- und Kulturgeschichte
des 16. Jahrhunderts an die Hand gegeben wird. Diesen
Rahmen muß man mitbetrachten, will man die Persönlichkeit
eines Mannes wie Ignatius von Loyola richtig sehen und beurteilen
. Doch wird dem evangelischen Leser der Zugang zum Verständnis
so mancher Eigentümlichkeiten verwehrt bleiben (vgl.
die „Erklärung der geistlichen Gütergemeinschaft mit der Gesellschaft
Jesu für den Grafen von Melito und seine Gemahlin ,
S. 180). Es ist schön, daß R. (selbst Jesuit) gewisse menschlich
allzumenschlichen Züge seines heiligen Inigo „nicht ohne Schmunzeln
" (S. 211) sieht und sie nicht unterdrückt.

In einem besonderen und sehr ausführlichen Anmerkungsteil
(S. 563—621) wird der Fundort der Briefe in den Ausgaben und
die sehr reichlich herangezogene Sekundärliteratur mitgeteilt. Hier
wäre es praktisch gewesen, bei den jeweiligen Titeln auch die Seitenzahlen
zu notieren, auf welchen diese Kapitel im Text behandelt werden
. Ein Index und Gelehrtenverzeichnis (S. 622—648)
erleichtern den Zugang zu diesem umfangreichen und von Namen
wimmelnden Buche sehr. (Hinweis: im Gelehrtenverzeichnis muß es
bei Rahner, H., S. 607* heißen) Sechzehn Abbildungen bzw. Faksimiles
der Originalbriefe unterstreichen die prächtige Ausstattung dieses
auch in seinem Äußeren (keine Druckfehler/) so schönen Buches.

Diese Briefausgabe wird der interessierte Laie mit ebensolchem
Gewinn lesen wie der Gelehrte vom Fach, der durch die
Anmerkungen Material in die Hand bekommt, das er beim Lesen
gar nicht ausschöpfen kann; er muß es sich wirklich erst erarbeiten
. Eine Vielzahl von Themen lädt zum Studium des in
den 75 Bänden der Monumenta gesammelten Materials (nicht
etwa nur zur Geschichte der Gesellschaft Jesu) ein, worauf R.
ausdrücklich hinweist (S. 43. 485. 505. 563 u. ö.). Die Übertragung
der Briefe selbst ist glatt und elegant, verwendet aber
das moderne Hochdeutsch so, daß man den gehobenen Stil damaliger
Briefform mitschwingen hört. Nicht nur der Fleiß hat
hier die Feder geführt; auch eine tiefe Verehrung und Liebe zum
heiligen Ignatius hat sich diese Form gegeben.

Halle/Saale E- °- Reichert

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Schäfer. Walter, Lic.Dr.: Carl Friedrich August Weibezahn, der

Osnabrücker Erweckungsprediger. Osnabrück: Gesellschaft für Nic-
dersächs. Kirchengeschichte 1955. 48 S. 8° = Beiheft zum Jahrbuch
der Gesellsdiaft für Niedersächs. Kirchengeschichte.

Als vorehelich geborenes Kind hat Carl Friedrich August
Weibezahn am 6. August 1804 in Springe (Hannover) seinen Lebensweg
begonnen. Die vielen Todesfälle nächster Angehöriger,
die seinen Jugendweg begleiteten, enthüllen auf erschütternde
Weise, daß seine Kindheits- und Wachstumsjahre in einem Schatten
gelegen haben, der nicht ohne tiefgreifende Folgen für seine
innere Entwicklung sein konnte. Im Herbst 1822 beginnt er in
Göttingen das Studium der Theologie und Philologie. Er dehnt
seine Interessen weit aus, auf die griechischen Klassiker und auf
die semitischen Sprachen. Sein inneres Leben wird erweckt durch
Tholuck („Die wahre Weihe des Zweiflers"), durch Matthias
Claudius und vor allem durch Vertiefung in die Schriften Luthers:
„Mein Glaube ist mir nicht ein totes Fürw&hrhalten gewisser
Dogmen, sondern ein inneres Licht und Leben, eine selige Gemeinschaft
, worin wir durch Christum mit Gott reden, seiner
Gnade und Wahrheit teilhaftig."

Am 21. Oktober 1830 wird er in Osnabrück an der St. Marien
Kirche zum dritten Prediger gewählt (mit der Verpflichtung
für die Frühpredigt, Sommer um 6 Uhr und Winter um 7 Uhr).
Die beiden lutherischen Gemeinden der Stadt, St. Katharinen und
St. Marien, umfassen zusammen 7 200 Seelen und werden durch
je drei Prediger an den beiden Kirchen betreut — also eine Ausstattung
, wie sie uns heute unbekannt ist. In der Gemeinde wartet
auf den jungen Prediger die erste große Aufgabe: die Zu-
rüstung der Kinder auf die Konfirmation. Er begreift sie sofort
als eine der entscheidenden Aufgaben seines Lebens, also nicht
nur als die mit der dritten Stelle verbundene Amtspflicht. Von
einem seiner Kollegen wird er für einen Pietisten angesehen. Daraus
ergeben sich unerquickliche Spannungen. Dessen Kanzelvorträge
hallen wider vom Streit gegen den Pietismus. Weibezahn
aber ist trotz seiner Zuneigung zu den Herrnhutern ein guter
lutherischer Christ, aber ein Mann der Erweckung, von dessen
geistvoller Wirksamkeit Anregungen auch ins Land hinausgehen,
wie er auch in freundschaftliche Verbindung tritt mit andern
Trägern der Erweckung, so dem Westfalen Volkening. Mit ihm
verbringt er in Bad Ems eine Kurzeit; denn er ist von Kindheit
an ein kränklicher Mann. Im August 1836 besucht ihn der Bremer
Erweckungsprediger Treviranus. Diesem verdanken wir ein
schönes Zeugnis über den Prediger Weibezahn: „Welch ein seliger
Tag dort meiner wartete, ahnete ich nicht. Ich hörte meinen lieben
Weibezahn predigen. Er steht auf der Kanzel wie ein Bote
Gottes aus der andern Welt, ernst, ergreifend, aber in jedem
Wort die heilige freundliche Liebe, aus dem brennenden Herzen,
dann Jesus lebt und regiert. Fast nie hat mich eine Predigt (über
Phil, l, 9—ii) so uef bewegt; ich mußte zu ihm und konnte ihm
nur mit Tränen um den Hals fallen."

1838 wird die Osnabrückesche Missionsgesellschaft gegründet
. W. wird ihr Sekretär, leitet die Versammlungen und schreibt
die Jahresberichte. Pfingsten 1842 wird er Mitbegründer der
Pfingstkonferenz in Hannover. Eine ehrenvolle Berufung nach
Bannen hat er abgelehnt. Dafür soll er eine Konsistorialratsstelle
im Landeskonsistorium Osnabrück erhalten, gleichzeitig soll er
M treiSewordene zweite Predigerstelle aufrücken, und um die
Neubesetzung der dritten Predigerstelle entbrennt ein heftiger
Wahlkampf. Aus diesem Ärger und dieser Aufregung wird er
durch einen Blutsturz herausgerissen, und in der Nacht zum
j- Juni I844 ruft G0tt seinen überanstrengten Diener heim in
den ewigen Frieden.

Er hat anpackende, aufrüttelnde Predigten gehalten: „Willst
'j" etwa deine Besserung auf das Jenseits verschieben? Schreckt
dich die Drohung des Gerichts, weil sie dich am Fortsündigen hindert
? O, lieber Bruder, wenn das die Ursache deines Fragens war,
dann bist du auf dem allerschlimmsten Wege. Rette, Rette deine
.e! "~ muß ich dir dann zurufen; denn es kommt die Nacht,
wo niemand wirken kann. Heute, heute spricht der Herr, so ihr
■"«ine Stimme hört, so verstocket eure Herzen nicht!" Über sollen
Predigten kommt es natürlich zu einer Scheidung der Gei-
St-Ü C'en durchschnitt der braven Bürger, die in ihrer Ruhe
nicht gestört werden wollen, ist solche Predigt ein Ärgernis.

Mit heißem Herzen hat er sich besonders der Unterweisung
der Konfirmanden hingegeben. Das beweisen u. a. seine erhaltenen
Konfirmationspredigten. Er mahnt die Kinder an die Heiligkeit
des Bekenntnisses, das in dieser Stunde abgelegt wird. Dieses
Bekenntnis „ist heilig an sich, heiliger noch durch die Art,
wie der Herzenskündiger heute es fordert und empfängt; solches
Oelübde, das so wichtig ist und unverbrüchlich, daß es. gehalten
oder gebrochen in der Zeit, über unser Los entscheidet in der
Ewigkeit". So soll die Konfirmation für die Kinder eine Stunde
der Erweckung und Entscheidung werden: „Freuet euch, ihr lieben
Kinder, daß eure Namen im Himmel geschrieben sind, und
traget heilige Sorge, daß sie da nie ausgelöscht werden." Der
spätere Hannoversche Kirchenführer, Abt Uhlhorn, hat 1842 zu
Weibezahns Konfirmanden gehört, und in der Lebensbeschreibung
seines Sohnes wird ausdrücklich hervorgehoben, daß er davon
den größten Gewinn gehabt habe.

Diese der Sache ganz hingegebene Art der Wirksamkeit