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Ausgabe:

1957 Nr. 3

Spalte:

207-209

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Ignacio de Loyola, Briefwechsel mit Frauen 1957

Rezensent:

Reichert, Ernst Otto

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 3

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a Lascos (Opera ed. A. Kuyper, Bd. II, 1—283) und für die späte Emder
Kirchenordnung von 1594 ebenso bezeichnend ist und auf systematische
Einsichten in das Wesen des Kirchenrechts hinweist. Dabei ist die Beziehung
beider Londoner Ordnungen unter sich kompliziert, zumal wir
wenigstens die Ordnung des einfachen Sonntagsgottesdienstes noch einmal
in einer Darstellung a Lascos besitzen, die seinem Bekenntnis für
den englischen König angehängt ist. (Opera Bd. II, Seite 334—332.)
Die Einleitung Dankbaars behandelt eine Reihe dieser Probleme, die
allerdings zu weiteren Untersuchungen genug Anlaß bieten. Dankbaar
wiederholt die gängige Meinung (Seite 4), der Drucker sei Gillis v. d.
Erven. Das Pseudonym Collinus Volckwinners weist aber auf seinen
Mitarbeiter Nikolaus (= Volckwinners) v. d. Berghe (= Collinus), vgl.
die Notiz in meiner Arbeit zu Godfrid van Wingens Bibelübersetzung
in Nederl. Arch. v. Kerkgeschiedenis Deel 31, 1939, S. 107. Als Druckort
möchte ich, dem Hinweis, daß es „buyten London" gedruckt sei,
folgend, weiterhin Emden in Anspruch nehmen; denn es ist kaum als
möglich zu denken, das Werk sei während der Irrfahrten des Winters
1 553/54 irgendwo in den Ostseestädten oder Hamburg gedruckt. Es
muß offen bleiben, ob der Druck in London begonnen ist, wie dies für
den Druck der Forma ac ratio a Lascos feststeht, für deren Druckgeschichte
unbedingt die Angaben Braubachs in einem Brief an Westphal
bei Sillem, Briefsammlung ... Westphal, Seite 195 f. heranzuziehen sind.

Es ist hocherfreulich, daß nun der Text einer Ordnung greifbar
ist, die auch nach Deutschland hineingewirkt hat. Die Pfalz
und der Niederrhein dürften unmittelbar durch sie gelernt haben,
besonders, was die Gottesdienstordnungen angeht. Die formulierten
Gebete und die Fragenkorpora der verschiedenen Handlungen
, dazu die Angaben über den Inhalt der Einleitungen zu
ihnen, laden ein, die Arbeiten an der Geschichte und der vergleichenden
Bestandsaufnahme erneut aufzunehmen, sobald einmal
Material aus deutschen reformierten Gebieten in größerem
Umfang durch die weitergehende Arbeit am „Sehling" verfügbar
ist. Denn auch diese Ausgabe zeigt erneut, daß die aus anderen
Gründen seinerzeit begrüßte Veröffentlichung des „Kirchenbuches
" von Wolf-Albertz für die Forschungsarbeit doch verloren
ist. Erst die im Zusammenhang dargebotenen Ordnungen können
gerade durch ihre bei Wolf-Albertz nicht gebrachten Einzelheiten,
besonders auch die „Rubriken", in den Geist und theologischen
Gehalt der kirchenrechtlichen Neubildungen des europäischen,
und darunter auch des deutschen reformierten Westens genügend
einführen. Die an der Liturgik und am Ordnungsrecht der Kirchen
überhaupt in Gang gekommene Arbeit sollte sich die Mühe, die
Dankbaar mit der Veröffentlichung hatte, zunutze machen. —
Darf ich noch eine kleine Bemerkung anfügen? Die Zeiten, in
denen einst Fr. Nippold mit Anteilnahme und Sachkenntnis bei
uns in Deutschland Erzeugnisse niederländischen Theologenfleißes
zu vermitteln pflegte, sind, scheints, noch nicht wieder angebrochen
. Auch diese Veröffentlichung scheint mir trotz mancher Veröffentlichung
aus dem Nachbarland in letzter Zeit (Berkhof, Ber-
kouwer, Koopmans, v. d. Pol) die stärkere Wiederaufnahme der
Tradition nahezulegen. Sie kann deutscher theologischer Arbeit
nur zugute kommen.

Erlangen Jan Weerda

Ignatius von Loyola: Briefwechsel mit Frauen. Hrsg.: Hugo
Rahner S. J. Freiburg: Herder 1956. XXIII, 647 S., 16Taf. gr. 8°.
Lw. DM 33.-.

Hugo Rahner, der sich durch die Herausgabe des geistlichen
Briefwechsels Loyolas bereits große Verdienste erworben hat
(vgl. O. Karrer - H. Rahner, Ignatius von Loyola. Geistliche
Briefe. Einsiedeln-Köln 1942; s1956), legt jetzt im 400jährigen
Todesjahre des Jesuitengenerals eine Sammlung von Briefen des
Ignatius von Loyola an Frauen und deren Antwortschreiben vor.
Bereits im Jahre 1951 erschienen vom gleichen Verf. in der Zeitschrift
„Geist und Leben" (24 [1951] S. 176-196. 257-274) -
m. W. zum ersten Male in deutscher Sprache — ausgewählte
Briefe aus der Korrespondenz des heiligen Ignatius mit Frauen.
Die vorliegende Ausgabe nun bemüht sich um die Vollständigkeit
des in den Monumenta Historica Societatis Iesu wiedergegebenen
Briefwechsels mit Frauen. Selbstverständlich stellen die
hier abgedruckten 139 Briefe (89 an Frauen, 50 von Frauen) nicht
die gesamte Korrespondenz Loyolas mit Frauen dar. Die Zufälle,
denen Archivalien im Verlaufe von 400 Jahren im allgemeinen
unterworfen sind, haben auch vor dem heiligen Ignatius nicht
halt gemacht. Im ganzen sind in den Monumenta 6813 Briefe
von und an Ignatius von Loyola erhalten, andere sind nur in

Regestform überliefert, eine größere Zahl aber muß endgültig
als verloren angesehen werden.

Unsere Briefe stammen aus den Jahren 1524—1556, also aus
fast dem gesamten Zeitraum der öffentlichen und historisch faßbaren
Wirksamkeit des Ignatius von Loyola.

Vorangestellt ist eine allgemein orientierende Einleitung (S. 1—31).
Die einzelnen Kapitel erhielten eine Einführung in die politische oder
persönliche Situation der jeweils unter einer Gruppe zusammengefaßten
Adressaten; jedem einzelnen Brief weist nun R. außerdem seinen geschichtlichen
Ort zu. Zugegeben, diese vorangestellten Bemerkungen
R.s sind nötige historische Einleitungen, nötig zum Verständnis der
Briefsituation. R. nimmt den Leser sozusagen an der Hand und führt
ihn genau an den Ort, der eben dem Verf. wichtig erscheint. Das mag
im allgemeinen sehr nützlich sein und für den kritischen Leser keine
Einengung bedeuten; es kann aber durchaus auch zu einer Begrenzung
werden I Die Überschriften zu den sechs verschiedenen Gruppen der
Frauen-Korrespondenz sind so gewählt, daß sie hinlänglich über den
Inhalt der Kapitel das aussagen, was im Rahmen einer kurzen Rezension
zu sagen möglich ist. Eine detaillierte Darstellung des Inhalts muß ich
mir versagen:

1. Himmlischer Hof dienst, Briefwechsel mit fürstlichen Frauen (S. 33
—126); 2. Der heilige Kavalier. Briefwechsel mit adeligen Frauen (S.
127—194); 3. Der Bettler fürs Gottesreich. Briefwechsel mit Wohltäterinnen
(S. 195—286); 4. Der unerbittliche Tröster. Briefwechsel mit
geistlichen Töchtern (S. 287—436); 5. Vater in Christus. Briefwechsel
mit Müttern der Mitbrüder (S. 437—479) und 6. Freundschaft in Gott.
Briefwechsel mit befreundeten Frauen (S. 481—559).

Trotz „der kargen Form und der kühlen Steifheit" (S. 7)
dieser Dokumente will R. mehr als nur eine Ausgabe der Briefe
des Ignatius von Loyola, und sie sind auch mehr: Wir haben dank
der tiefdringenden Exkurse des Verf.s eine Art Biographie in
den Händen. Wenn R. in seinen gründlichen Ausführungen auch
die komplizierteren Zusammenhänge aufklärt, so setzt er auf der
anderen Seite doch die Kenntnis der allgemeinen Vita voraus,
und es wäre gut, eine der großen Biographien mit heranzuziehen.
Die zuweilen etwas schwere Kost der Briefliteratur versteht R.
dadurch leichter zu machen, daß er mit seinen eigenen Worten
jeweils die Brücken schlägt, die zum Verständnis der historischen
Zusammenhänge nötig sind. Allerdings läßt sich bei dieser Methode
ein kleiner Schönheitsfehler nicht ganz vermeiden: Dinge,
die wir dann in den Briefen selbst genau erfahren, werden bereits
in den vorangestellten Einleitungen gesagt. Der Leser wird
so um die eigentliche „Pointe" gebracht.

Ein kleiner Kunstgriff, mit dem R. die Lektüre des Buches
zu einem Genuß zu machen versucht, ist, daß er von der in solchen
Fällen sonst üblichen chronologischen Anordnung des Materials
abgeht und die Briefe unter bestimmten inhaltlichen Gesichtspunkten
darbietet. Der Gefahr des Nivellierens ist der Verf.
dabei nicht ganz entgangen. Eine chronologische Anordnung des
Stoffes hätte m. E. das bewegte Auf und Ab im Leben des Ignatius
von Loyola sehr viel deutlicher werden lassen, als es bei
einer systematischen Darstellung möglich ist. Überschneidungen
sind bei dieser Methode unvermeidlich. So wird z. B. die Geschichte
des Scholastikers Tarquinio kurz hintereinander gleich
zweimal (S. 105 ff. und S. 114 ff.) mit nahezu den gleichen Wendungen
berichtet.

Die Briefe 6ind fast durchgehend kurze sachliche Dokumente
zur Ordensgeschichte. Trotzdem tritt uns Ignatius hier lebendiger
als in einer streng historischen Darstellung entgegen, wie
er als Freund und Berater sogar höchster Fürstlichkeiten im Interesse
seiner Gesellschaft Einfluß zu nehmen weiß. Reformierend
greift er in die Angelegenheiten fremder Klöster ein und setzt
an besonders verantwortlichen Stellen Jesuiten ein. Viele Aufträge
und Anliegen treten an ihn heran. Gedrängt von allen
Seiten, auch Frauenklöster unter der Regel und dem Gehorsam
der Gesellschaft Jesu zu gründen, widersteht Loyola grundsätzlich
diesen Bitten, zuweilen sogar nicht ohne eine gewisse Härte.
Um so erstaunlicher und für Loyola kennzeichnender, daß keine
Verbitterung gegen die Gesellschaft und seinen Oberen (eine
Ausnahme S. 359 ff.) zurückbleibt. Mit einer „sublimen Naivität
" überwindet er alle Krisen und durch seine „leidenschaftliche
Dankbarkeit" (S. 197) gewinnt er sich viele Gönner.

Das briefliche Gespräch gibt es eigentlich bei Ignatius nicht;
er war ein „Mann der ehernen Schweigsamkeit, des harten Ver-