Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1957

Spalte:

201-202

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Merzbacher, Friedrich

Titel/Untertitel:

Johann von Allendorf 1957

Rezensent:

Simon, M.

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

201

202

Warum eigentlich werden nicht in Anmerkungen die Quellen
angegeben? Wohl, weil der Verlag beim Publikum eine gewisse
Scheu vor Büchern mit gelehrtem Apparat voraussetzt. Aber
sollten es wirklich so wenige sein, die gern einmal in den Bücherschrank
greifen, um Gelesenes mit dem antiken Original zu vergleichen
, während doch Tausende die weite Reise in den Süden
nicht scheuen, um einmal steinerne Zeugen der Antike zu sehen?

Erfreulich ist zweifellos, daß G. nicht der Versuchung erliegt
, die sensationslüsterne Darstellung des angeblichen Capito-
linus1 mit ihrem einseitigen Interesse für gesellschaftlichen Klatsdi
noch zu übertrumpfen. Im Gegenteil, er sucht z. B. bei der Charakterisierung
der Gemahlin des Kaisers, Annia Faustina, über
die ps.-Capitolinus mit Behagen alle schlüpfrigen Gerüchte kolportiert
, soweit wie möglich den antiken Stadt- und Hofklatsch
auszuscheiden. Hier mag man sich freilich darüber streiten, ob
wirklich Kinderreichtum ein Beweis für eheliche Treue ist. Dafür
bemüht sich G., von der Fachliteratur wohlberaten, aus Inschriftenfunden
, Münzen, den Bildnissen der Marcus-Säule und
vielen anderen Nebenquellen die großen politischen Zusammenhänge
, den Verlauf der Feldzüge und überhaupt alles das wiederzugewinnen
, was uns die literarischen Quellen verschweigen.

Interessieren wird den Leser dieser Zeitschrift besonders das
Kapitel „Christianus sum", S. 226—243. Anschaulich und im
ganzen richtig wird hier das geistige Klima des 2. Jhdt.s beschrieben
, das einerseits das starke Anwachsen des jungen Christentums
, anderseits die Christenverfolgung begünstigte. Der Verf.
bittet gewissermaßen um nachsichtiges Verständnis dafür, daß
Marc Aurel letztere nicht verhinderte. Das Kapitel erzählt viele
Einzelheiten über Apologeten und Märtyrer und erhebt sich am
Schluß zu einer Cinemascope-Szene, in der brave Christen von
ehrfurchtsvoll zögernden, aber leider aufgehetzten und hungrigen
Löwen aufgefressen werden.

Wissenschaftliche Dichtung und poetische Wissenschaft haben
nie ganz befriedigt, und doch braucht die Wissenschaft den
Journalisten und Dichter, um sich Gehör zu verschaffen. Hier hat
G. zweifellos einen guten und nützlichen Beitrag geliefert. Ein
Wunsch des Rezensenten: Etwas klarerer Stil, d.h. entweder
journalistisch, also lebendiges Referat von Forschungsergebnissen
mit Angabe der Quellen, oder dichterisch, dann charakteristische
Episoden schildernd, ohne durch Materialfülle den Leser zu verwirren
.

Berlin Jürgen Mau

*) Liegt neuerdings wieder vor in der Bibl. Teubn.: Scriptores
Historiae Augustae, ed. Hohl.

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Merzbacher, Friedrich: Johann von Allendorf. Stiftspropst von
St. Burkard und Bischöflicher Kanzler (1400-1496). Ein Lebensbild
aus dem spätmittelalterlichen Würzburg. Würzburg: Schöningh in
Komm. 1955. VII, 135 S., 8 Abb. aufTaf. gr. 8° = Quellen u. Forschungen
zur Geschichte des Bistums u. Hochstifts Würzburg, hrsg. v.
Th. Kramer, Bd. XL DM 6.-.

In der so erfreulich wachsenden Schriftenreihe zur Geschichte
des Bistums Würzburg legt ein junger Forscher, dem wir schon
eine Reihe wertvoller Arbeiten, vor allem aus dem Gebiet der
Rechtsgeschichte, verdanken, seine philosophische Doktorarbeit
vor. Es ist das feinfühlig aus den Mosaiksteinen, die sorgsam
aus den Urkunden der verschiedensten Art gesammelt wurden,
zusammengesetzte Lebensbild eines spätmittelalteTlichen Theologen
und Juristen. Nach Klärung seiner Abstammungsverhältnisse
kann über die ersten 40 Lebensjahre des Würzburger
Benediktinermönches nichts gesagt werden. Er tritt eigentlich erst
ins Licht der Geschichte, als er dann das juristische Studium in
Erfurt begann und in Padua beschloß. Zum Abt seines Klosters
St. Burkard gewählt, wandelte er dieses 1464 in ein säkulares
Ritterstift um — eine Tat, die weitere Auseinandersetzungen
heraufbeschwor. 1442 wurde er Domherr, 1475 auch Pfarrer (in
Abwesenheit) von Heilbronn und 1475 Archidiakon für Münner-
stadt. Seine Hauptarbeit war aber schon seit 1470 das Kanzleramt

in Würzburg unter dem bedeutsamen Reformbischof Rudolf von
Scherenberg. Das ansprechende Lebensbild, bei dem man nie den
Eindruck hat, daß mehr gesagt wird, als was die Quellen ergeben,
und das sich doch rundet, wird ergänzt durch eine Reihe von
Quellenstücken — Allendorfs 3 Testamenten und den Statuten
seines Ritterstifts. Eine Zeittafel und ein Verzeichnis der reichen
Besitztümer Allendorfs, die auch auf einer Karte zusammengestellt
sind, beschließen mit guten Abbildungen aus seinem Lebensraum
die schöne Arbeit.

Nürnberg M. Simon

Lais, Hermann, Prof. Dr.: Die Gnadenlehre des hl. Thomas in der

Summa Contra Gentiles und der Kommentar des Franziskus Sylvestris
von Ferrara. München: Zink 1951. XVI, 244 S. gr. 8° = Münchener
Theologische Studien, hrsg. v. F. X. Seppelt, J. Pascher, K. Mörsdorf
. II. Syst. Abt., 3. Bd. DM 18.-.

L. faßt die Aufgabe einer Darstellung der Gnadenlehre des
Thomas in der S. c. g. unter mehrfachen Gesichtspunkten an.

Einer davon ist die Bestimmung der Stelle innerhalb Thomas
' theologisch-philosophischer Entwicklung, an der die S. c. g.
steht, einer Entwicklung von der neuplatonisch-augustinischen
Denk- und Arbeitsweise zum reinen Aristotelismus, der vom
Sentenzenkommentar über De ver. zur S. c. g. und zur S. theol.
verläuft.

Sodann richtet der Professor für Apologetik L. sein Augenmerk
besonders auf den apologetischen Charakter der S. c. g. und
auf die Frage, wieweit ihre Gnadenlehre in Aufbau, Umfang und
Methode vom apologetischen Zweck geprägt sei und ihm genüge
. Die Fragen, ob die jeweilige Beweisführung des Thomas
stringent sei oder ob es sich um Angemessenheitsargumente
handle, ob er mit reinen Vernunftgründen, also als Philosoph,
oder auf der Basis offenbarter Wahrheiten, also als Theologe,
arbeite und welchem geistigen Bereich die Argumente jeweils
entnommen sind, dem metaphysischen, naturphilosophischen,
psychologischen oder juristischen: alle diese Fragen richtet L.
ständig an des Thomas Darlegungen.

In diesem Rahmen wird auch Anlage und Darstellungsweise
der ganzen S. c. g. entwickelt und der Ort, an welchem die Gnadenlehre
aus deren Zusammenhang abzweigt, systematisch genau
ermittelt. Bei der Behandlung der Hinordnung und Hinbewegung
der Geschöpfe zu Gott als ihrem letzten Ziel tritt die Gnade
dort ein, wo als letztes Ziel des Menschen die Schau der ersten
Wahrheit in ihrer Wesenheit, also etwas, was seine natürlichen
Fähigkeiten übersteigt, definiert wird; es ist in Buch 3 bei Kap.
147 mit Rückbezug auf Kap. 51 und 52. Die Gnadenlehre erscheint
also als Supplement der Ethik.

Da erst im 4. Buch der S. c. g. die „absolut uneinsichtigen
übernatürlichen Mysterien der Trinität und Inkarnation usw."
abgehandelt werden, während Buch 1—3 eine rein philosophische
Praeambula fidei bilden, ist schon durch diese Stelle, an der die
Gnadenlehre erscheint, die Absicht, die Thomas hier mit ihrer
JJarstellung verfolgt, deutlich. Er hat die tatsächliche Bestimmung
des Menschen für ein übernatürliches Ziel hier mit rein spekulativen
Mitteln darzulegen und damit den Ansatzpunkt für die
Gnadenlehre im System so weit wie nur möglich hinauszuschieben
vermocht. Auch die Lehre selbst kann er nun unter nur gelegentlichem
Rückgriff auf Aussagen der Schrift, die die Tatsächlichkeit
der Gnade beweisen, mit logischen Mitteln in durchsichtiger
Klarheit entwickeln. Der apologetische Wert und die Erreichung
des apologetischen Zwecks der Darstellung liegt somit auf der
Hand. Da er jedoch nur unter materialmäßiger Beschränkung gegenüber
den Darstellungen der Gnadenlehre in den anderen Werken
des Thomas erreicht werden kann, bleibt die Frage, ob Thomas
in dieser Darstellung „dem ganzen Reichtum der göttlichen
Gnade gerecht werden konnte".

Endlich bezieht L. in die Darstellung eine kritische Auseinandersetzung
mit der katholischen Interpretation der thomi-
stischen Gnadenlehre und ihrer Sonderprobleme von Cajetan
an bis zur neuesten, seit 25 Jahren besonders lebhaften Diskussion
ein. Dafür gibt die Frage nach dem Eindringen skotistischer
Interpretamente bzw. die Färbung der Thomasinterpretation im
Interesse der Bekämpfung des Duns den Hauptleitfaden ab. Wie