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Ausgabe:

1957 Nr. 3

Spalte:

183-184

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Leeuw, Gerardus van der

Titel/Untertitel:

Phänomenologie der Religion 1957

Rezensent:

Mensching, Gustav

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Theologische Literaturzeitung 1957 Nr. 3

184

Auch die Beschreibung der Form des Papyruskodex
soll ausschließlich in kurzer Zusammenfassung der Angaben
Martins geschehen19:

P66 besteht, soweit wie er jetzt vorliegt, aus 5 Lagen
mit unregelmäßiger Blattzahl (die erste, dritte und vierte
haben 5, die zweite 4 und die fünfte 8 Doppelblätter). Die
letzte Seite der zweiten Lage trägt die Zahl 34, die erste der
dritten Lage die Zahl 39. Es fehlt also hier ein Doppelblatt (mit
Joh. 6, 11—35), d.h. eigentlich bestand P°6 bis Kap. 14,26 aus
sechs Lagen, von denen die fehlende nur 1 Doppelblatt aufwies
(wie P'5 überhaupt nur Lagen mit einem Doppelblatt besaß).
Die Blattzahl der Lagen in ihrer ursprünglichen Reihenfolge ist
also: 5,4, (1), 5, 5, 8. Um den Text des Johannesevangeliums
vollständig darzubieten, wären etwa noch 10 Doppelblätter nötig
(d. h. 2 Lagen von je 5 Doppelblättern?), so daß die Handschrift
ursprünglich ca. 146 Seiten umfaßt hätte. Die Seitenzählung von
P"6 beginnt mit Seite 1 des Textes, voran ging ein unbeschriebenes
Blatt, das noch erhalten ist — gegenwärtig zwar lose durch
den Bruch der Faltstelle, aber ursprünglich organischer Bestandteil
der ersten Lage —, d. h. der Papyrus hat nicht mehr als das
Johannesevangelium enthalten, oder zumindest mit ihm begonnen
— eine sehr wichtige Folgerung, welche die Hoffnung auf
Fortsetzungen wie bei den Chester-Beatty-Papyri zerstört. Die
Blätter, aus welchen die Lagen sich zusammensetzen, sind oft noch
als Ganzes erhalten (so z. B. bei der zweiten und dritten bzw.
eigentlich vierten Lage sämtliche Blätter). Ursprünglich waren die
Lagen wohl direkt zusammengeheftet, später hat man den Blattbruch
durch einen schmalen der Länge nach gefalteten Pergamentstreifen
(15 mm breit) verstärkt, welcher vor der Neuheftung
in den gefalteten Bund eingelegt wurde (vgl. dazu Martin
S. 11 ff., wo diese für das antike Buch wichtigen Dinge ausführlich
erörtert werden, sowie S. 10 f. und S. 33 — dieser Komplex
6oll hier nicht ausführlich besprochen werden). Nicht nur die

1B) da nur ihm das Original zugänglich war; allerdings muß in der
Blattzählung der Lagen 3—5 (bzw. 4—6) irgendwo ein Fehler stecken.
Nach der Lücke haben wir die Seitenzählung 39—108, d.h. 35 Blatt,
die Lagenberechnung Martins ergibt jedoch 36 Blatt.

Pergamentstreifen sind z. T. erhalten, sondern manchmal sogar
Reste der Fäden, mit denen die Lagen zusammengeheftet waren.
Das alles ist exzeptionell, P"6 bietet uns mit seinen 108—4
(d. i. S. 35-38 mit Joh. 6, 11—35) = 104 Seiten ca. zwei Drittel
eines nahezu unversehrten Papyrusbuches. Selten sind die Ränder
beschädigt, ganz selten ist ein Buchstabe ausgefallen. Selbst
die erste, am meisten beanspruchte Seite ist fast vollständig intakt
(in Zeile 1 fehlen drei, in Zeile 2 und 3 je vier Buchstaben,
in den drei Schlußzeilcn fehlen 3, 4, 5 Buchstaben, noch drei
andere Zeilen dieser Seite haben je 1 bzw. 2 Buchstaben verloren
). Der Papyrus muß unter besonders günstigen Umständen
überliefert worden sein, daß von den Seiten nach 108 nur noch
kleine Fragmente überliefert sind, überrascht angesichts des
eigentlich einmaligen Erhaltungszustandes der bisher veröffentlichten
zwei Drittel der Handschrift. p88 hat eine beinahe quadratische
Form (Seitengröße 16, 2 X 14, 2 cm), anscheinend ist
eine solche Form bei den Christen des zweiten Jahrhunderts beliebt
gewesen, denn für P" hat Roberts ein Format von ursprünglich
21 X 20 cm errechnet. „II semble que Ton ait affec-
tionne dans les cercles chretiens primitifs les formats reduits,
probablement pour des raisons de commodite", sagt Martin
(S. 10). Die Seiten haben einen freien Innenrand von 1, 2 cm,
einen Außenrand von 2, 5 cm. Die Größe des oberen und unteren
Randes wechseln je nach der Höhe des Schriftspiegels, der
sich inzwischen 10 und 13, 5 cm bewegt. Dementsprechend
chwankt die Zahl der Zeilen zwischen 25 und 15.

Mit diesen Notizen (vgl. dazu Fortsetzung VI der neutesta-
mentlichen Handschriftenliste in ZNW 1957) sei dieser erste Bericht
über PM abgeschlossen. Mit Rücksicht auf die Kürze der
zur Verfügung stehenden Zeit (angesichts der Wichtigkeit der
Handschrift schien eine rasche Information der Fachgenossen notwendig
), war für jetzt mehr zu sagen nicht möglich. Die Resultate
weiterer Untersuchungen und die sich aus ihnen ergebenden Vervollständigungen
bzw. Berichtigungen der vorstehenden Darlegungen
müssen abgewartet werden. Insbesondere dürfte die in
Aussicht stehende Publikation des Restes von P8" durch V. Martin
Anlaß zu einer neuen zusammenfassenden Betrachtung des
Papyrus 66 geben.

BELIGI PN SWISSEN SCHAFT

L e e u w, G. van der, Prof. Dr. theol.: Phänomenologie der Religion.
2., durdiges. u. erweit. Aufl. Tübingen: Mohr 1956. XII, 808 S. 8° =
Neue Theol. Grundrisse, hrsg. v. R. Bultmann. DM 35.— ; Lw. 39.—.

Die erste Auflage dieses fundamentalen Werkes erschien 193 3
und bedeutete damals gegenüber der 1925 vom gleichen Verfasser
veröffentlichten „Einführung in die Phänomenologie der
Religion" von geringem Umfang einen bedeutenden Fortschritt.
Man darf ohne Übertreibung sagen, daß dieses Werk für die relativ
junge Wissenschaft der vergleichenden Religionsforschung
von epochemachender Bedeutung wurde; denn hier wurde erstmalig
in systematischer Weise der gesamte Umfang des weit verzweigten
Phänomenkomplexes der Religion quer durch die Welt
der Religionen hindurch im Sinne einer damit begründeten „Religionswissenschaft
des Verstehens" dargelegt. Es wurde mit
diesem hervorragenden Werke von schier unerschöpflicher Inhaltsfülle
unwiderlegbar dargetan, daß die Phänomenologie der Religion
keine Kompilation von Forschungsergebnissen der philologischen
Einzeldisziplinen darstellt, sondern ein eigenes Sachgebiet
als Forschungsobjekt zum Gegenstand hat, nämlich die
Beziehungen der Phänomene religiösen Lebens zueinander, ihre
verwandten und divergenten Strukturen.

Die Bedeutung, die das Buch damals hatte, besitzt es noch
heute, da es nach des Verfassers allzu frühem Tode im Jahre 1950
in 2. Auflage erscheint. Der Verfasser hatte für die französische
Ausgabe bereits eine Erweiterung und Bearbeitung des Werkes
vorgenommen, die der 2. deutschen Auflage zu Grunde liegt,
ergänzt durch Angaben der neuesten Literatur. Gegenüber der
ersten Auflage sind zwei neue Kapitel hinzugekommen „Das
innere Leben" (S. 599—602) und „Die christlichen Konfessionen"

(S. 744-749). Der Umfang des Werkes hat sich um 139 Seiten
vergrößert. Die Kapiteleinteilung ist unverändert geblieben.

Bonn O. Mensch in«;

Widengren, Geo: Stand und Aufgaben der iranischen Religionsgeschichte
. Leiden: Brill 195 5. 158 S. gr. 8° = S.-A. aus Numen.
International Review for the History of Religions. Vol. 1 and II.
hfl. 10.-.

Dank H. S. Nybergs Tätigkeit ist Schweden zu einem Mittelpunkt
der iranischen religionsgeschichtlichen Forschung geworden.
Einer von Nybergs Schülern kann nun in einem ausgedehnten
Überblick zeigen, wo — häufig dank schwedischer Mithilfe — dieses
Fachgebiet steht, und es sind immer wieder Namen schwedischer
Forscher, die in seiner Übersicht (die bis zum Eindringen
des Islams im 7. Jhdt. n. Chr. führt) angeführt werden müssen.
Doch berichtet W. nicht nur über den Stand der Forschung, sondern
nimmt jeweils zu den einzelnen Positionen Stellung, häufig
anhand früherer eigener Untersuchungen, die er gelegentlich erläutert
oder auch modifiziert.

Auf diese Weise ist die vorliegende Abhandlung ein aufschlußreiches
und handliches Nachschlagewerk geworden, das auch
alle Forscher auf Nachbargebieten dankbar benützen werden, die
sich mit einschlägigen Fragen zu beschäftigen haben. W. geht seine
Aufgabe in zwiefacher Weise an: er behandelt in einem ersten
Abschnitte in systematischer Abfolge die einzelnen Elemente der
iranischen religiösen Systeme: die Amesa Spentas (in denen er
eine Sublimierung funktioneller Götter sieht), den Seelenbegriff,
eschatologische und Erlöser-Vorstellungen, Mythen, den Kultus
mit Opfer, Beichtformen und Buße, kultische Bünde, den Priesterstand
und die sakrale Stellung des Königtums, die Überlieferung
des Avesta und die religiöse Terminologie. Der weite religionsgeschichtliche
Blick des Verf.s erlaubt ihm die Heranziehung iranischer
Religionsformcn bis zum Mithras-Kult und zum Manichä-