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Ausgabe:

1956 Nr. 3

Spalte:

178-179

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Die Kunst der Kirche 1956

Rezensent:

Thulin, Oskar

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 3

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geschritten. Mit der 37. Lieferung begann der IV. Band. Dem
HL Band wurde zuletzt, wie angekündigt, noch ein Stichwortverzeichnis
in französischer, englischer und italienischer Sprache
beigegeben. Es ist ein immer neuer Genuß, aus diesem Lexikon
zu lernen, und schon ein flüchtiges Blättern hat den Reiz von
Entdeckungsreisen, die auch dem Kenner immer wieder Uber-
raschungen bringen werden. So bietet beispielsweise der Ar'lk^'
..Darius" ein interessantes, früher Chr. Schwarz, jetzt Friedrich
Sustris zugeschriebenes Gemälde, das 193 8 „wiedergefunden
wurde. Andererseits begegnen auch Schätze, die im Original für
immer verloren sind, wie der Augsburger Rathaussaal im großen,
lesenswerten Artikel über die „Deckenmalerei" von T i n t e 1-
not. Die reichhaltigen, bei größeren Aufsätzen oft systematisch
geordneten Literaturangaben sind besonders zu rühmen.

Überhaupt strebt das Lexikon, wie schon die letzte Anzeige
bemerkte, immer mehr in die Breite. Die Begrenzung auf die
„deutsche" Kunst wird immer weniger streng eingehalten. Die
Artikel bringen, wo es geboten erscheint, nicht nur die antike
und außerdeutsche Vorgeschichte, sondern auch Ausblicke auf
Parallelen und Fortentwicklungen außerhalb des deutschen Bereichs
. Man fragt sich, ob beispielsweise ein eigener Artikel über
den antiken Gewand-Clavus (Renate J a q u e s) erforderlich war;
er lebt im Mittelalter ja nur in der Dalmatik fort, die ohnedies
schon mit einem eigenen Artikel (von Frz. D a m b e c k) berücksichtigt
ist. M. E. sollte man sich zum mindesten in den Illustrationen
nach Möglichkeit auf deutsche Stücke konzentrieren, statt
— wie etwa für die Daguerreotypie oder das Diadem — gerade
ausländische Beispiele abzubilden. — Andererseits weitet sich die
Darstellung vielfach stark ins Allgemein-Kulturhistorische aus.
Die „Dekretalen" sind, soweit ich sehe, ohne jede besondere
kunstgeschichtliche Bedeutung und erhalten doch ein eigenes Stichwort
(bearbeitet von W. H o 11 z m a n n). Der Artikel „Dom und
Münster" (Wolfg. Stammler) bringt lediglich eine — an sich
natürlich nützliche — historisch-philologische Worterklärung.

Im Folgenden seien nur die kirchengeschichtlich und theologisch
besonders wichtigen Begriffe genannt. Die Grenzen sind
dabei selbstverständlich fließend.

Das gilt von vornherein von der großen Zahl architekturgeschichtlicher
Stidiworte, die den Kirchenbau in allererster Linie oder doch mit
betreffen (Chörlein, Chorturm, Chorumgang, Decke, Diakonikon, Dia-
mantierung, Dienst, Doppelkapelle und -kirche, Dorfkirche, Dormi-
torium), aber auch für so wertvolle Artikel wie „Denkmal" (H. K e 1-

1 e r) oder „Diptychon" (W. F. V o 1 b a c h und K.-A. W i r t h).

Unter den ikonographischen Typen haben zahllose natürliche und
mythologische Gegenstände (darunter z. B. Circe und Diana) im Mittelalter
auch eine allegorische oder typologische Verwendungsmöglichkeit
. Hierzu ist der Artikel über die „Concordantia caritatis" mit
ihrem Verzeichnis der 1 56 typologisdien Gruppen (Alfr. A. S c h m i d)
und das „Defensorium" inviolatae uirginitatis beatae Mariae (Friedr.

2 o e p f 1) besonders zu vergleichen. Entsprechendes gilt, wie Lisel.
Strauch ohne einseitige Übertreibung zeigt, auch von „dekorativen
Elementen wie dem „Delphin" und dem „Drachen". Die „Dämonen -
Darstellungen an Kirchen usw. besitzen vielfach einen symbolischen
und apotropäischen Sinn (H. Weigert).

Unter den im engeren Sinne „christlichen Themen der Ikonographie
" ist das „Christentum" selbst niemals personifiziert dargestellt
worden. Was dafür gilt, ist, wie H. M. v. E r f f a richtig betont, in
Wirklichkeit enger zu interpretieren (als „Europa", göttliche Weisheit,
Ecclesia und dgl.). Um so ergiebiger wird die Behandlung der biblischen
und kirchlichen Gestalten (Cyrus, Daniel, Debora, Deesis, Dis-
mas und Gestas, Doeg), die sich — wie z. B. E r f f a s Aufsatz über
die „Darbringung im Tempel" oder der „David" von Rob. L. W y s s —
mitunter zu kleinen Monographien auswachsen. Der letztgenannte Artikel
orientiert auch über die mittelalterliche Psalmenliteratur, die frühchristlichen
und byzantinischen Darstellungen und die ganze Entwicklung
des Themas vom Prophetischen und Theologischen zum Historischen
und Psychologischen bis hin zu Rubens und Rembrandt. Die
Ikonographie der „Dornenkrönung Chri" von Elis. v. W i t z 1 e b e n
betont den interessanten Zusammenhang dieses zunächst seltenen
Motivs mit der Reliquienverehrung und sodann der Mystik. Auf die
fesselnde Geschichte der Bilder „Dietrichs v. Bern" (W. Stammler)
sei noch besonders hingewiesen. Dazu kommen dann die Personifikationen
wie Demut, Dialektik, Docilitas und S. Hartlaubs geistesgeschichtliche
interessante Darstellung der „Divination".

Den größten Raum nehmen natürlich die Christus-Artikel ein.
Zunächst wird von Wilh. Neuss eine klare, zugleich sachliche und
reizvolle Übersicht der Gesamtentwicklung geboten, der ein fast
4 Spalten umfassendes Verzeichnis der weiteren „Stichworte zur Ikonographie
Christi" angehängt ist. Die verschiedenen „Chr.-Typen" werden
von Eberh. H e m p e 1 daneben, in z. T. etwas problematischer
Weise, noch eigens behandelt. Die in Deutschland besonders verbreiteten
Darstellungen des „Christkinds" sind vorwiegend in den Nonnenklöstern
zu Hause und führen mit ihren wechselnden Kleidern usw.
fast zu einem geistlichen Puppenspiel. H. W e n t z e 1 bietet für die
älteren Stücke ein Inventarium. Auch als „Attribut" kommt das
Christkind in Betracht. Es folgen der im 17./18. Jhdt. volkstümliche
„Chr. als Apotheker" (Wolfg. J. Müller) und „Chr. als Arzt"
(H. W. v. Erffa; unter den Bibeltexten fehlt hier 2. Mos. 15, 26).
„Chr. im Elend" (G. v. d. Osten) und die Chr.-Johannes-Gruppe
(dazu Chr.-Judas- und Chr.-Thomas-Gruppe) (H. W e n t z e 1) hängen
gleichfalls mit der Mystik zusammen. „Chr. als Kaufmann", der den
Menschen selige Waren verkauft (W. Stammler), dürfte ursprünglich
kaum etwas mit dem Kaufmann von Mt. 13, 45 ff. zu tun haben,
während die exegetische Ableitung von „Chr. in der Kelter" (A. Thomas
) und „Chr. mit der Wurfschaufel" (Wolfg. J. Müller) natürlich
klar ist. Die Darstellung „Chr. im Kerker" (v. Erffa) geht auf
die mittelalterlichen Ausspinnungen der Passionsgeschichte zurück.
Unter dem Stichwort „Chr. als Landmann" sind verschiedene allegorische
Motive zusammengenommen (D. Grossmann u. v.Erf f a).
Der Artikel über „Chr. als König" von H. Feldbusch verwendet
das Prädikat des „kirchlichen" und „christlichen" etwas zu selbstverständlich
im Sinne der katholischen Kirche und bietet Sp. 69 5 eine
mehr als wunderlidie Definition für das Symbol (in der Bedeutung des
Glaubensbekenntnisses). Von demselben Verf. stammen die Ausführungen
über das „Chr.monogramm" und die „Chr.symbolik". Auch
hier finden sidi leider schiefe Formulierungen und regelrechte Fehler,
wie man sie an solcher Stelle ungern sieht. Die Abkürzung ,,1HS —
XPS" ist keine „lateinische", sondern eine griechisch-lateinische Mischform
(Sp. 709). Daß die Arkadensarkophage des Fünfnischentypus im
Mittelfeld „stets" das Labarum hätten (Sp. 711), ist unrichtig. Es ist
ferner eine überholte Verlegenheitsauskunft des neueren Katholizismus,
das Fehlen von Kreuzesdarstellungen in der vorkonstantinischen Zeit
mit der Arkandisziplin zu erklären (Sp. 722). Und wann werden die
veralteten Frühdatierungen der Katakombenmalerei endlich verschwinden
(S. 723; ebenso Sp. 1036 über Daniel)? Der Verf. beruft sich immer
noch einfach auf Marucchi - Segmüllers Handbuch von
19121 Durch ein Mißverständnis Molsdorfs kommt es Sp. 723 zur
unsinnigen Behauptung, der Liber pontificalis sei unter Silvester I.
..geschrieben"I Die „Constitutiones apostolicae" (sie!) werden Sp. 728
frischfröhlich ins 3. Jhdt. gesetzt. Daß die Bestimmungen des Trullanum
von 692 im Abendland nicht anerkannt worden sind, wird Sp. 724
nicht beachtet. Die Ausführungen über das Fischsymbol Sp. 725 können
auch nicht genügen.

Viele Artikel befassen sich mit Gegenständen der Liturgie und
des kirchlichen Lebens: Choralbuch, Chorpult, Chorschranken (die sich
im 17. Jhdt. bezeichnenderweise in durchsichtige Gitter verwandeln).
Colatorium, Comes, Custodia (die große Stehmonstranz), Dalmatik, Devotionalien
, Devotionsbild (dazu auch Dedikationsbild), Diakon, die
Abkürzung „D.O.M.", Dornenkronreliquiar. Beim „Doppelkreuz"
(H. P a u 1 u s) wird eine Ableitung des zweiten Querbalkens aus der
mißverstandenen Inschrifttafel mit Recht skeptisch beurteilt.

Auf die großen Artikel über die Dominikaner von Alfr. A.
S c h m i d und über den Deutschritterorden von O. Neubecker
mit seinen ungemein reichhaltigen Darlegungen sei noch besonders verwiesen
. Weniger befriedigen die Cluniazenser von Lisa Schüren-
b e r g. Es wird zwar viel historischer Stoff aufgestapelt, aber die
kunstgeschichtlich entscheidenden Züge, der kultische Stil und die
ganze Eigenart der Cl. im Gegensatz zu den Zisterziensern werden nicht
recht deutlich. Von einem „Weltherrschaftsanspruch des Ordens"
(Sp. 819) läßt sich übrigens schlechterdings nicht reden.

Zum Schluß noch ein paar Druckfehler und Versehen: Sp. 517
Z. 9 v. u. ist das zweite „und" zu streichen; Sp. 542 Z. 11 v.u.: „aufgelassene
Gräber" ist ein unschöner Austriacismus; Sp. 624 Z. 16 v.u.
lies „Patientia"; Z. 9 v. u.: „immer m e h r betont" ; Sp. 628 Z. 8 v. o.
lies „Jesus"; Sp. 749 Z. 8/7 v.u.: ygaftua heißt nicht „Satz". Sp. 854:
Man kann wohl sagen, daß Melanchthon die „Apologie", aber nicht
gut, daß er die „Confessio Augustana" „verfaßt" habe. Sp. 1017 sind
die griechischen Akzente verwirrt; Sp. 1019 Z. 11 v. u. lies Heisterbach
"; Sp. 1025 Z. 19 f. sind die Angaben über die Herkunft des Zitats
vom „hl. Athanasius, Abt von (I) Alexandria im Martyrologio
Aegyptio (I)" gänzlich unklar, und der angegebene Fundort stimmt
nicht; Sp. 1085 Z. 1 v. u. lies „Ambrosius" statt „Augustin".
Heidelberg H. v. Campenhausen

Wendland, Winfried: Die Kunst der Kirche. 2. Aufl. Berlin: Luth.
Verlagshaus 1953. 83 S. m. 25 Abb., 144 Taf. 8°. Lw. DM 16.-.

Die 2. Auflage bringt gegenüber der ersten des Jahres 1939
(vergl. ThLZ73, 1948, Sp. 143 ff.) eine Erweiterung der Tafeln
und im Text eine Anzahl von Abbildungen, Grundrisse und Bei-