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Ausgabe:

1956 Nr. 3

Spalte:

169-170

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Augustinus, Aurelius

Titel/Untertitel:

Der freie Wille 1956

Rezensent:

Schneemelcher, Wilhelm

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169

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 3

170

rückziehen, um ein Wissen zu erheben, das jeder Mensch in sich trägt,
aber verborgen und unentwickelt; kurz, es heißt Kenntnis nehmen von
dem intelligiblen Licht, das unser ganzes Erkenntnisleben erleuchtet
(S. 290). Das ist natürlich richtig hinsichtlich des neuplatonischen Stufenwegs
zu Gott, der sich oft bei Augustin findet. Doch trage ich Bedenken
, dem Kirchenvater die Lehre zuzuschreiben, daß sich aus der
Selbsterkenntnis des Menschen die Gotteserkenntnis herausentwickeln
lasse. Dann kommt man zu dem fatalen Satz, daß das Denken des Menschen
über sich selbst ein Denken über Gott sei und ist damit bei Ludwig
Feuerbach angelangt. Woher stammt denn die bei der Selbstbesinnung
zutage kommende Gotteserkenntnis? Augustin lehnt doch die auf Präexistenz
der Seele beruhende platonische Anamnesis ab. Und das in der
Seele vorhandene Wahrheitslicht ist kein Zustand dieser Seele, sondern
ein Akt der Einstrahlung durch Gott. Gott kann nur dort erkannt werden
, wo er sich zuvor zu erkennen gibt. Der Mensch kann nur auf
Grund der Offenbarung Gottes den Weg der Selbsterkenntnis einschlagen
, um zu Gott zu gelangen. Die ganze Frage muß zudem im Rahmen
der Sünden- und Gnadenlehre Augustins gesehen werden.

Probleme dieser Sünden- und Gnadenlehre kommen zur
Sprache in den Aufsätzen von E. Braem: Christus als Muster
und Gnadenquelle unserer Prädestination (S. 137-145, niederländisch
) und I. Dietz: Ist die Hl. Jungfrau nach Augustinus
..Immaculata ab initio"? (S. 146-195). Besonders auf Grund von
De nat. et grat. 36, 42—44 bejaht Dietz, der deutlich mit der Erhebung
der Maria zur corredemptrix sympathisiert, die von ihm
gestellte Frage.

Linter den Oberbegriff „Augustin und seine Zeit" könnte
man die Beiträge von Rudolph Arbesmann: The Idea of
Rome in the Sermons of St. Augustine (S. 89-108, behandelt den
Nachhall der Plünderung Roms in Augustins Predigten) und
von E. Hendrikx: Astrologie, Wahrsagerei und Parapsycho-
logie bei Augustin (S. 109-136, niederländisch) zusammenfassen.

Hendrikx gibt eine Übersicht über die Rolle der Astrologie in der
Antike, untersucht dann die Beschäftigung Augustins mit ihr, die Quellen
seiner astrologischen Kenntnisse und den Standpunkt, von dem aus
er seinen Kampf gegen diese Pseudowissensdiaft führt. Die in C. Acad. 1,
6, 7—9, 24 berichteten Leistungen des von H. als Astrologen erwiesenen
Albicerius erklärt er m. E. zutreffend als Telepathie und Psychoskopic.

In die Scholastik des 14. Jahrhunderts führt die Abhandlung
von D. Trapp: Hiltalinger's Augustinian Quotations (S. 196
bis 23 3). Trapp zeigt, daß in der Theologie des 14. Jahrhunderts
ein Erwachen des historischen Sinnes zu beobachten ist, das sich
in dem Bemühen um ein System exakter Zitation und in häufigerem
Rückgang auf die Vätertexte selbst kundgibt.

Eine methodisch behutsame Untersuchung von J. M i z z i
zu dem von Augustin benutzten altlateinischen Bibeltext: The
Latin Text of Matt. V—VII in St. Augustine's De Sermone Domini
in Monte (S. 234-278) vervollständigt den Band, dem noch
eine 26 Seiten umfassende Augustinbibliographie (zusammengestellt
von T. van Bavel und F. van der Zande) beigegeben ist.

Die Festschrift ist eine würdige Gabe zum Jubiläum des
großen Kirchenlehrers.

Naumburg/Saale Rudolf Lorenz

Augustinus, Aurelius: Der freie Wille. 2. Aufl. Paderborn: Schö-
ningh 1954. XVI, 253 S. 8° = Aurelius Augustinus' Werke in deutscher
Sprache. L Abt.: Die frühen Werke des heiligen Augustinus.
Übertr. von C. J. Perl. DM 9.60; Lw. 11.50.

W. von Loewenich hat vor einigen Jahren in dieser Zeitschrift
eine Reihe von Übersetzungen der Werke Augustins besprochen
, darunter auch die Übertragung der Schrift De 1 i b e r o
arbitrio durch C. J. Perl (ThLZ 75, 1950, 87 ff.). Jetzt
liegt dieser Band in einer „2. Auflage" vor, d. h. allem Anschein
nach in einem unveränderten photomechanischen Neudruck. Es
ist also nicht viel über das hinaus, was von Loewenich seinerzeit
zu diesem Buch gesagt hat, zu bemerken. Innerhalb des Gesamtplanes
dieser deutschen Ausgabe nimmt die Schrift eine wichtige
Stelle ein, und der Kommentar von Perl unterstreicht diese Bedeutung
. Dieser Kommentar ist auch deshalb wichtig, weil er die
Aktualität der Gedanken Augustins besonders heraushebt. Meist
ist er ein Nachzeichnen der Ausführungen des Kirchenvaters, aber
an vielen Stellen wird ein kleiner Exkurs zu wichtigen Problemen
gegeben (etwa S. 187—8, 206—8, 209—211), wobei allerdings Perl
manchmal etwas stark systematisiert und modernisiert. Daß gerade
bei dieser Schrift der Blick auch auf die Reformationszeit

fällt (S. 23 8!), ist verständlich. Perl vermeidet dabei alle überflüssige
Polemik. S. 223 ff. — von Loewenich seinerzeit beanstandet
— ist unverändert, was mit dem Verfahren der Neuauflage
zusammenhängen wird.

Die Übersetzung, die nicht sklavisch, wohl aber wort- und
sinngetreu sein will, scheint mir gelungen. Sie hält sich an den
Text von Migne (Bd. 32) und den Frobendruck von 1556. Eine
einwandfreie moderne Ausgabe steht leider noch nicht zur Verfügung
, wird aber für das CSEL vorbereitet. Im Literaturverzeichnis
werden nur die (älteren) Werke genannt, die im Kommentar
benutzt sind. Im ganzen ein erfreulicher Beitrag innerhalb der
Augustinusliteratur und auch innerhalb der verschiedenen deutschen
Übersetzungen der Werke des großen Afrikaners.

Bonn _ W. Schneemelcher

C e c c h e 11 i, C: II nome e la „setta" dei Cristiani.
Rivista di Archeologia Cristiana XXXI, 19 55 S. 55—73.

Davies, J. G: An Addition to the Reconstituted Creed of Jerusalem.
Vigiliae Christianae IX, 1955 -S. 218—221.

Ferrua, A.: Una nuova iscrizione montanista.

Rivista di Archeologia Cristiana XXXI, 1955 S. 97—100.

Halkin, Francois: Un menologe de Patmos (MS. 254) et ses legendes
inedites.

Analecta Bollandiana LXXII, Bruxelles 1954 S. 15—34.

— Line legende byzantine de la dormition: L'epitome du recit de Jean
de Thessalonique. Melanges Martin Jugie.

Revue des Etudes Byzantines XI, Paris 1953 S. 156—164.

— Le pape S. Gregoire le Grand dans l'hagiographie byzantine.
Orientalia Christiana Periodica XXI, Rom 1955 S. 109—114.

— Saint Leonide et ses sept compagnes martyrs ä Corinthe. KmxrjQlg
&*aiQEiag Dvliavxiv<äv 2novyü>v

Athen 1953 S. 217—223.
H e i j k e, J.: God in het diepst van de gedachte. De imago-Dei-leer
van Sint Augustinus.

Bijdragen. Tijdsdirift voor Philosophie en Theologie 16, 1955 S 357
bis 377.

Herve de 1'I n c a r n a t i o n: La gräce dans l'oeuvre de S.Leon le
Grand.

Recherches de Theologie ancienne et medievale 22,1955 S. 17—55.
Irmscher, Johannes: Izdanie v GDR literaturnych istocnikov po
drevnej istorii (= Ausgabe literarischer Quellen zur alten Geschichte
m der DDR).

Akademija nauk SSSR. Vestnik drevnej istorii 3, 1955 S. 215—216.
J o u r j o n, M.: Minuties augustiniennes.

Vigiliae Christianae IX, 19 55 S. 249—253.
Kuijper, D.: Tres observationes in Tertulliani ad Uxorem Libros.

Vigiliae Christianae IX, 195 5 S. 247—248.

KIRCHEN GESCHICHTE: MITTELALTER

Quint, Josef: Meister Eckharts Buch der göttlichen Tröstung und von
dem edlen Menschen (Liber „Benedictus") unter Benutzung bisher unbekannter
Handschriften neu hrsg. Berlin: de Gruyter 1952. XX,
143 S. 8° = Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen. Begr. v.
H. Lietzmann, hrsg. v. K.Aland 55. DM 9.80.

— Textbuch zur Mystik des deutschen Mittelalters. Meister Eckhart,
Johannes Tauler, Heinrich Seuse. Halle/S.: Niemeyer 1952. XVI, 147 S.
8°. DM6.80; geb. DM 8.-.

Denifle, Heinrich Seuse, O. P.: Die deutschen Mystiker des H.Jahrhunderts
. Beitrag zur Deutung ihrer Lehre. Aus dem literarischen
Nachlaß hrsg. v. P. Otwin Spiess O. P. Freiburg/Schweiz: Paulusverlag
1951. XXXII, 245 S., lTitelbl. gr. 8° = Studia Friburgensia.
N.F. H.4. sfr. 13.-.

Steinbüchel, Theodor: Mensch und Gott in Frömmigkeit und
Ethos der deutschen Mystik. Siebzehn Vorlesungen aus dem Nachlaß
hrsg. v. Anton Steinbüchel. Düsseldorf : Patmos-Verlag [1952]. 255 S.
8°. Lw. DM 13.80.

Das „Buch der göttlichen Tröstung" ist seit langem ein
Grundpfeiler der Eckart-Interpretation. Mit Sicherheit echt, nach
Anlaß und Zeit einigermaßen bestimmbar, ebenso charakteristisch
für seine Frömmigkeit wie dank seines seelsorgerlichen Zweckes
verständlich, bietet es einen besonders zuverlässigen Zugang zu
Eckharts Gedankenwelt. Dazu hat nicht wenig beigetragen, daß
es seit 1910 in einer vielbenutzten kritischen Einzelausgabe von
Phil. Strauch (Kl. Texte Nr. 55) vorlag (mit einigen Zusätzen