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Ausgabe:

1956 Nr. 3

Spalte:

167-169

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Augustiniana 1956

Rezensent:

Lorenz, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 3

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densten Aspekten möglichst genau zu fassen. Kerngedanke ist
für ihn, wenn er von den „nichtmagistratischen, aber zugleich
rein römischen Ursprüngen der Alleinherrschaft der römischen
Kaiser" spricht, obgleich er die magistratischen Grundlagen
durchaus nicht niedrig einschätzt. Natürlich ist in diesem systematischen
Teil auch eine eingehende Schilderung der Sozialpolitik
des Augustus und der verschiedensten gesellschaftlichen und kulturellen
Phänomene seiner Zeit gegeben, die unter dem Gedanken
der Wechselwirkung betrachtet werden.

Das Gebiet der Religion wird nur ziemlich kurz behandelt:
vor allem geht es dem Verf. naturgemäß um die religiös-ideologische
Fundierung des Prinzipats, die er Octavian teilweise in
enger Verbindung mit der Restauration der alten römischen Religion
vollziehen sieht, teilweise aber auch mit Recht in der Anknüpfung
an orientalische Gottheiten. In einigen Kapiteln wie
„Princeps —Divi filius" oder „Der römische Friede", die natürlich
genügend Grundlagen dafür boten, wird auf das Theologisch-
Religiöse kaum eingegangen. Immerhin findet es in den Ausdeutungen
der Literatur der Zeit öfter Beachtung (551 ff.); im
Zusammenhang mit der Aeneis oder der 4. Ekloge oder der Gedichte
Horaz' tauchen die offiziellen Götter und Kulte auf, wie
hier aber auch das individuelle Element der Religion Beachtung
findet. Auf religiöse Äußerungen und auf die Religionspolitik
der voroctavianischen Zeit wird nicht eingegangen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß das vorliegende
Buch einen wesentlichen und anregenden Beitrag zur Prinzipats-
forschung darstellt und von seinem Standpunkt aus auch zu beachtlichen
Ergebnissen gelangt. Wie schon betont, ist aber die
Übersetzung oft nicht angemessen, Modernisierungen sind nicht
selten, Druckfehler und sachliche Irrtümer, auf die schon M. Geizer
in seiner soeben erschienenen Rezension (Gnomon 1955 H. 7)
hinwies, häufig zu finden (nur einige Beispiele: S. 3 5, A. 82:
Autoreferat; S. 50: prinzipes; S. 95: zugängig; S. 309: dementia:
Barmherzigkeit).

Oreifswald Hans-Joachim Diesner

Augustiniana. Sexto decimo exacto saeculo a die natali S. Au-
relii Augustini 354—1954. Louvain: Inst. hist. Augustinianum [1954].
327 S. gr. 8°. bfr. 125.—.

Der zu besprechende Band ist ein Sonderdruck aus Jahrgang
1954 S. 221—542 der Zeitschrift Augustiniana, Driemaandelijks
tijdschrift voor de Studie van Sint Augustinus en de Augustijnen-
orde, herausgegeben vom Augustinischen historischen Institut
der Augustiner in Heverlee-Löwen.

Zwei Aufsätze sind Problemen der Bekehrung bzw. des Bekehrungsberichts
Augustins gewidmet. Pierre Cour cell e, Litiges
sur la lecture des „Libri Platonicorum" par S. Augustin (S. 9—23)
beschäftigt sich in Auseinandersetzung mit W. Theilers (Gnomon
1953, S. 113—122) gehaltvoller Rezension seiner Recherches sur
les Confessions de S. Augustin zunächst mit der bekannten Thei-
lerschen These, daß unter den libri Platonicorum, die Augustin
gelesen hat, Schriften des Porphyrius und nicht Plotins zu verstehen
seien.

Courcelle erkennt durchaus den bedeutenden Einfluß des Porphyrius
auf Augustin an. So weist er darauf hin, daß Conf. VII 19,2 5, wo
Augustin bekennt, er habe bei der ersten Lektüre der libri Platonicorum
, ohne es zu wissen, die Häresie Photins v. Sirmium geteilt, indem
er Christus als hervorragenden Weisen und nicht als seinen Gott ansah,
eine Einwirkung von Porphyrs Philosophie der Orakel vorliege-(S. 12).
Doch schließt die Benutzung von Porphyrius nicht die Lektüre Plotins
durch Augustinus aus (S. 11 f.). Theiler hatte zudem versucht, die von
Courcelle hergestellte Beziehung zwischen dem Neuplatonismus des Ambrosius
und Augustin dadurch zu erschüttern, daß er auf die Möglichkeit
aufmerksam machte, daß die neuplatonischen Sätze bei Ambrosius
aus griechischen Vätern übernommen sein könnten. Ambrosius hätte
diese Sätze gar nicht als neuplatonisch erkannt und wäre vielleicht erst
durch Augustins Frühdialoge auf Plotin aufmerksam geworden (Gnomon
1953 S. 116 u. 118). Diese Hypothese, welche zwischen Plotin
und Ambrosius Zwischenglieder einschiebt, findet Courcelle angesichts
der wörtlichen Berührungen zwischen dem Mailänder Bischof und Plotin
unnötig. Er hält gegen Theiler entschieden aufrecht, daß es in Mailand
zu Augustins Zeit einen vom Neuplatonismus durchtränkten christlichen
Kreis gab: Simplicianus, Theodoras. Ambrosius, und dieser Einfluß
mußte auf Augustin einwirken (S. 14 f.). — Im 2. Teil seines Aufsatzes
wendet sich Courcelle gegen die Behauptung Boyers (Christianisme et

neoplatonisme dans la formation de S. Augustin, 2e edition, Rome 1953,
S. 67), daß Augustin den Glauben Monicas wiedergefunden hätte, ehe
er Plotin las. Nach Prüfung der einschlägigen Texte in den Confessiones
kommt C. zu dem Ergebnis: Weder die Unterwerfung unter die Kirche
noch der Glaube an das Inkarnationsdogma kann von Augustin vor der
Lektüre „Plotins" behauptet werden. Wenn die Predigten des Ambrosius
den Augustin einem platonisierenden Christentum näher brachten,
so sagt C. sehr vorsichtig, so haben sie doch bei weitem nicht seine
Annahme des (Neu-) Piatonismus oder des christlichen Glaubens bewirkt.
Erst nach einer rein neuplatonischen Periode, welche durch die Lektüre
der libri Platonicorum hervorgerufen wurde und die Augustin sogar
vom Christentum hätte abbringen können, und nach dem Scheitern seiner
Versuche, die cvcoaig zu erreichen, erfolgt unter dem Einfluß des
Simplicianus die Wendung zu einem neuplatonisierenden Christentum,
das auetoritas und ratio versöhnt.

Der Aufsatz von A. S i z o o „Augustins Bekehrungsbericht
als narratio" (S. 24—41, niederländisch) sucht den seit Boissier
und Harnack immer wieder erörterten Unterschied zwischen dem
in den Confessiones geschilderten Augustinus von Mailand und
dem Philosophen von Cassiciacum dadurch zu verringern, daß er
die literarische Form des berühmten Berichts Conf. VIII 6, 1 3 ff.
untersucht.

Er findet hier die Stilform der von Personen handelnden narratio
wieder, die delectationis causa erfolgt. In dieser müssen nach Cicero
De inv. I, 27 neben der lebhaften Schilderung der Begebenheiten die
Äußerungen der Handelnden und ihre Gemütsbewegungen hervortreten.
Unerwartete Schicksalswendungen sollen die Teilnahme wecken, und der
Ausgang der Ereignisse muß glücklich sein. Sizoo zeigt in eingehender
Analyse, daß alle diese Stilelemente in dem Bericht der Confessiones
vorhanden sind und kommt zu dem Ergebnis: Die Confessiones geben
das geistige Ringen des Bekehrungsvorgangs im Wesen richtig wieder.
Es ist aber nüchterner gewesen und muß von dem Übermaß der Dramatik
befreit werden, das die Rhetorik darüber gebreitet hat. Streift
man dem Augustin der Gartenszene und dem von Cassiciacum die literarische
Hülle ab, so kommt derselbe Mensch zutage. — Übrigens tritt
Sizoo S. 37 A. 18 gegen Courcelle (l'Enfant et les sorts bibliques, Vi-
giliae christianae 1953, S. 194 ff.) für wörtliche Auffassung der tollelege
Stelle ein.

Einen Beitrag zur Geschichte der Augustinerregel bietet
M. Verheijen: La Regula Puellarum et la Regula Sancti
Augustini (S. 42—52).

Man unterscheidet bekanntlich drei Augustinerregeln:

a) Die regula prima für Frauen, die den 2. Teil von Augustins
ep. 211 bildet. (RF nach Verheijen, RE nach Hümpfner, Die Mönchsregel
des hl. Augustinus, Augustinus magister, Paris 1954 S. 241 ff. Es
wäre zu wünschen, daß man sich auf einheitliche Abkürzungen einigte!)

b) Die regula secunda für Männer (von Mandonnet Disciplina mo-
nasterii DM genannt, Verheijen gebraucht die Abkürzung OM Ordo
monastcrii. In Augustinus magister S. 255 ff. sucht er Alypius als Verfasser
dieser Regel zu erweisen).

c) Die regula tertia für Männer, die in den ältesten Manuskripten
immer zusammen mit der regula secunda auftritt (RM nach Verheijen,
RA nach Hümpfner).

Mit Regula Puellarum bezeichnet Verheijen einen Text des Codex
Escurialensis a I 13 (geschrieben 812), der ein Fragment aus Aug. ep. 211
zusammen mit einer Kombination von OM in weiblicher Fassung (OMF)
mit RF bietet. Der vorliegende Aufsatz ist dem Nachweis gewidmet,
daß RP (Regula Puellarum) spanischen Ursprungs ist, also nicht auf
Augustin zurückgehen kann. Die ursprüngliche Mönchsregel Augustins
ist für Männer gesdirieben (RM), die Regula Puellarum ist eine Überarbeitung
der Kombination von OM und RM für Frauenklöster, die
spätestens gegen das Ende des 6. Jahrhunderts in Spanien entstand. Die
Verbindung von Aug. ep. 211 mit RF ist sekundär, eine neue Ausgabe
dieses Briefes müßte nach Paragraph 4 enden. Doch bestreitet Verheijen
Hümpfners These, daß Fructuosus von Braga der Autor von Aug. ep. 211
und ihrer Verbindung mit RF sei.

Th. Huijbers: Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis
im Geiste nach St. Augustinus' De Trinitate (S. 53—88, niederländisch
) und G. Verbeke: Connaissance de soi et connais-
sance de Dieu chez saint Augustin (S. 279—299) behandeln ein
ähnliches Thema mit ähnlichem Ergebnis.

Ich beschränke mich auf den sprachlich leichter zugänglichen Aufsatz
von Verbeke. Er untersucht den zu Gott gesprochenen Satz Augustins
Noverim me, noverim te (Sol. 2, 1, 1) und findet darin unter Heranziehung
von Texten vor allem aus den Confessiones die Meinung
ausgesprochen, daß die Selbsterkenntnis die Vorbedingung der Gotteserkenntnis
sei. „Gott suchen heißt nicht aus sich selbst heraustreten,
um etwas in der Außenwelt zu finden, es heißt sich in sich selbst zu-