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Ausgabe:

1956 Nr. 3

Spalte:

165-167

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Maškin, Nikolaj A.

Titel/Untertitel:

Zwischen Republik und Kaiserreich 1956

Rezensent:

Diesner, Hans-Joachim

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 3

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schäftigte unablässig die Gemüter, und die Frage nach dem Antichrist
(schon bei Wiclif der Papst als Antichrist) war beinah so
wichtig wie die Frage nach dem Christus. (Man sehe im Sachregister
die Stellen für das Stichwort „Antichristus" und im Bibelstellenverzeichnis
die Verwertung der Offenbarung.) Die Gedanken
kreisten um die Frage: Hölle, Fegefeuer, Himmel, und für
die Erwählten war bedeutsam die Überlegung, ob man nicht unterscheiden
müsse zwischen dem Paradies, in das die Seelen der Erwählten
nach dem Tode aufsteigen, und der größeren Seligkeit,
die sie erst nach der Auferstehung und der Wiedervereinigung
mit dem Leibe im ewigen Gottesreich genießen sollen. Alles das
aber setzt voraus, daß der Mensch sich sein Schicksal im Gericht
durch frommes Tun selbst erwirbt. Deshalb ist auch das
NT sogar für einen so kritischen Geist wie Marsilius von Padua
durchaus ein G e s e t z.

Aus alledem ergibt sich erst das volle Verständnis für die
Begnadung des Reformators, der das Evangelium in der Bibel entdeckte
, und für die ungeheure Aufgabe, diese Bibelbetrachtung
konsequent durchzuführen. Dem Verfasser aber möchte ich bezeugen
, trotz mancher Bedenken und Wünsche, daß ich aus seinem
großen Werk dankbar Vieles gelernt habe.

Hannover-Kleefeld Hermann Schuster

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KlUCHE

Maschkin, N. A.: Zwischen Republik und Kaiserreich. Ursprung
und sozialer Charakter des Augusteischen Prinzipats. Übersetzt a. d.
Russ. von M.Brandt. Leipzig: Koehler & Amelang 1954. 628 S. 8.
Hlw. DM 20.—.

Das umfangreiche Werk des sowjetischen Historikers befaßt
sich mit einem besonders in den letzten Jahren von der Forschung
stark beachteten Gebiet, dem es in gründlicher Auseinandersetzung
mit der Vielfalt der zur Verfügung stehenden
Quellen und Literatur neue Züge abzugewinnen sucht. Die bisher
auf diesem Sektor geleistete Arbeit bedeutet für M. — was
nur in der Konsequenz seiner Einstellung liegt — im wesentlichen
nur Vorarbeit, wenn er auch die durch philologische Akribie ausgezeichneten
und in der Erarbeitung vieler Details vorbildlichen
Leistungen der vorangehenden Historiker und Altertumswissenschaftler
im einzelnen anerkennt.

Eine Unterteilung des Buches ermöglicht es, einmal historisch
vorzugehen (Einleitung: Die Entstehung des Caesarismus;
1. Teil: Die Genesis des Prinzipats), zum anderen aber systematisch
(2. Teil: Der Prinzipat des Augustus), eine Methode, die
etwa schon bei Gardthausen (Augustus und seine Zeit, 2 Bde.
Leipzig 1891) vorgezeichnet ist und mit deren Hilfe M. wohl am
besten auf sein Hauptanliegen, den sozialökonomischen Charakter
des Prinzipats, zuzukommen glaubt. Die Voraussetzung für
den Prinzipat sieht er m. E. im wesentlichen richtig in der sozialen
Geschichte des 2. und 1. vorchristlichen Jhdts., so daß er
diese Erscheinungen im einleitenden Kapitel zu klären sucht. Aus
der Eigenart der römischen Parteien (Optimaten, Populären) und
Abhängigkeitsverhältnisse (Klientel, Patronat) heraus zeigt er
die Wirkungsmöglichkeiten von Männern wie Caesar, Pompejus,
Crassus, den Begründern des „ersten Triumvirats" — als Gegenpole
etwa auch die eines Clodius, Milo und Pseudo-Marius —,
die die schon vorhandene Korruption und Prinzipienlosigkeit
besonders in den obersten Schichten auf die Spitze trieben — denen
aber gerade so die Erringung einer Herrschaft gelang, die
Caesar schließlich durch seine politisch-militärischen Leistungen
im Gallischen und im Bürgerkrieg allein an sich zu reißen vermochte
. Daß M. diese „Leistungen" als nicht besonders groß ansieht
(bes. 74 ff.), hängt damit zusammen, daß er im Gegensatz
oder vermeintlichen Gegensatz zur bisher überwiegend historisch
-juristischen und politischen Fundierung des Caesarismus
dessen soziale Bedingtheit hervorhebt. Indem M. den Caesarismus
mit dem Bonapartismus (und sogar mit dem Faschismus)
konfrontiert, zeigt er, daß auch ersterer „im Ergebnis einer Usurpation
entsteht". Charakteristisch ist für ihn „die Machtergreifung
auf formal-legalem Wege, in Wirklichkeit aber gegen den
Willen des Volkes" (80). Für die soziale Politik Caesars ist daher
— wie dann für Octavian - die Armee als Rückhalt besonders
wichtig, daneben stützt er sich auf bestimmte Gruppen der
„Sklavenhalter", während er im übrigen auch zwischen verschiedenen
sozialen Gruppen laviert, allerdings immer so, daß das
Sklavenhaltersystem gefördert wurde (81). Seine Stellung als
Führer der Populären ist nur für den Anfang von einiger Bedeutung
.

Da das Hauptverdienst Maschkins in der Beschreibung oder
Aufdeckung der sozialen Faktoren und Erscheinungen auf dem
Wege zum Prinzipat liegt, wobei er im Anschluß an dafür einigermaßen
„aufgeschlossene" Quellen wie Appian oder Cassius Dio
oft zu beachtlichen Ergebnissen gelangt, vermag er auch auf die
„Bürgerkriege nach dem Tod Caesars" entsprechend Licht zu
werfen. Freilich ist hier wie andernorts störend, daß das Werk,
das bereits 1949 in der russisdien Originalausgabe erschien, die
quantitativ wie qualitativ beachtliche Literatur der letzten Jahre
nicht kennt (einiges nach 1949 erschienene ist aber doch eingearbeitet
), auch schwer auffindbare Zeitschriftenaufsätze der vorhergehenden
Zeit nur sehr teilweise berücksichtigt: Für diesen
Abschnitt fehlt besonders die Auseinandersetzung mit Schmitt-
henner (Octavian und das Testament Caesars, München 1952),
während sonst besonders die Arbeiten von Lily Ross Taylor,
Beranger, Wirszubski, aber auch von Alföldi zu berücksichtigen
wären. Es ist trotzdem wertvoll und aufschlußreich, wie etwa das
Verhalten der einzelnen sozialen Gruppen zueinander im Entscheidungsjahr
44 verfolgt wird, da sich hieraus mehr Klarheit
über die wirklich treibenden Kräfte ergibt — die Gefahr historischer
„Kurzschlüsse" läßt sich so allerdings schwer vermeiden,
zumal die erarbeiteten Kategorien in ihrem Bezug nicht elastisch
genug sind, und etwa Elementen des Irrationalen nun jede Wirkungsmöglichkeit
abgesprochen wird (in Polemik gegen Ferrero,
15 3). Es hängt hiermit zusammen, daß M. in der Verwendung
der Terminologie sehr genau sein will; so wirft er etwa Syme
(.dessen Bedeutung mir überhaupt zu gering veranschlagt erscheint
) die Bezeichnung Octavians als revolutionär vor — gewiß
richtig, doch herrscht innerhalb der Fachterminologie eben
leider noch keine Klarheit, und der Kampf gegen die Modernisierung
und für die Aktualisierung der Geschichte wird noch
einige Zeit dauern, wie sich bei M. selbst zeigt: Vielleicht liegt
es allerdings auch am Übersetzer, wenn man an manchen Stellen
die Überzeugung ungerechtfertigter Modernisierung gewinnt.
Außerdem zeigt Octavian, der m. E. häufig falsch, weil zu gelang
eingeschätzt wird, anfangs schon gewisse „revolutionäre"
•^uge, so wenn er gemeinsam mit den anderen Triumvirn Proskriptionen
vornimmt und an die Sklaven appelliert. Die dama-
ljge „Krise der Sklavenwirtschaft" (174 ff.), die M. so wichtig
nimmt, hat ja mindestens ihren wesentlichen Anlaß darin.

Freilich zeigt sich hieran auch, wie schwierig bei der Turbulenz
der Verhältnisse und Ereignisse das Arbeiten für einen
Machthaber damals war: Allen konnte er es nie recht machen —
und so blieb nichts als der Anschluß an oder aber das Lavieren
zwischen verschiedenen Gruppen übrig; also erzwungene Prinzipienlosigkeit
auch für den „Erben" Caesars, falls dieser nicht
zur „Flucht" aus der Politik bereit war. Die Tätigkeit Octavians
zwischen 44 und 31 war jedenfalls nicht einfach und kostete
Nerven und Anspannung aller Kräfte; daß er hierzu auch bereit
war, betonen aber die Quellen trotz partieller Reserviertheit, so
daß man ihnen nicht die zusammenfassende Charakteristik entnehmen
kann, daß Octavian feig und von geringer Energie gewesen
sei (280), was M. ja an anderen Stellen selbst widerlegt
(etwa 265).

In dem mehr systematischen Teil behandelt M. unter den
Quellengrundlagen des augusteischen Prinzipats vor allem auch
das Monumentum Ancyranum (Antiochenum). In vielem kann
man hier zustimmen, auch in der Gesamteinschätzung, so wenn
der offizielle „Republikanismus" betont oder von bewußten
Zweideutigkeiten und unklaren Formulierungen gesprochen wird.
Manche Probleme, so die des 34. Kapitels oder die Fragen der
Kardinaltugenden, des mos maiorum oder des „refus du pou-
voir ' (Beranger; = cunetatio oder recusatio, vgl. Wickert) sind
aber nicht oder doch zu kurz angeschnitten.

M. sucht den Charakter des Prinzipats, oder jedenfalls des
augusteischen Prinzipats, durch Betrachtung unter den verschie-