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Ausgabe:

1956 Nr. 2

Spalte:

125-126

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Seumois, André

Titel/Untertitel:

La papauté et les missions au cours des six premiers siècles 1956

Rezensent:

Holsten, Walter

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125 Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 2 126

schwänglich „von der Größe der prophetischen Sendung" redet,
..welche die Psychologie C. G. Jungs für die heutige Christenheit
besitzt" (171). Dennoch sei vor einer eiligen Identifizierung
Jungs und Z.s gewarnt. Z. sagt verschiedentlich selbst, daß er
nicht Jungs Ideen wiedergebe, sondern anwende (z.B. 101),—
ein schwieriges Unterfangen, das nicht immer die ungeteilte
Zustimmung des Meisters gefunden haben muß. Der grundlegende
Teil gilt vor allem den Fragen der Offenbarung, der Inkarnation
und der Rezeption, der zweite Teil den Liturgien der
morgenländischen und abendländischen katholischen Kirche. Man
muß von einer theologischen Abhandlung in erster Linie begriffliche
Klarheit verlangen. Hier versagt nach unserm Urteil das
Buch vollkommen. Statt beliebiger Beispiele nehmen wir die
Ausführungen auf S. 24. Das Leben Jesu entfalte sich in „archetypischen
Heilstaten"; was unter ihnen zu verstehen sei, wird nirgendwo
klar, weil die erwartete Abgrenzung zur Geschichte nicht
erfolgt. Weiter: es müsse zwischen der psychologischen und der
theologischen Sicht des Lebens Jesu unterschieden werden, genieint
ist aber mit dem Psychologischen das Mythologische.
Weiter: das Leben Jesu würde heute nicht mehr verstanden, gemeint
aber sind die Grundbegriffe der heutigen christlichen Verkündigung
. So geht es weiter — durch alle Kapitel des Buches.
Kein Wunder, daß es nirgendwo zur befreienden Diskussion und
2u Lösungen kommt, weder in der Frage der Offenbarung noch
der des Glaubens und am wenigsten der der Inkarnation. So können
unsere Erwartungen für den liturgischen Teil nicht mehr
groß sein. Das entscheidende Anliegen des Verf. gilt der Rezeption
des „dunklen" Gottes im Kultus. Es wird geradezu von
einem neuen Abschnitt der Heilsgeschichte geredet, der in unsern
'agen begönne. „Das Einmalige und Einzigartige der gegenwärtigen
Situation ist die Tatsache, daß der .dunkle Gott' danach
drängt, vom Menschen rezipiert und integriert zu werden" (133);
.,daß Gott sich nunmehr anschickt, ganz Mensch zu werden"
(140). Darum müssen vor allem Abrenuntiation und Exorzismus,
a'so die nur negative Bewertung des Teufels fallen, damit auch
die einseitige Betonung der Lichtgestalt Gottes und Christi. Dem
gelten alle Randbemerkungen zur Liturgie. — Hier ist eine neue
Religion im Anzüge, die es n o c h ablehnt, Gegenkirche oder
Sekte zu werden, sondern vorerst ihre Jünger aufruft, „bewußt
innerhalb der Kirche" ihr „Schicksal" auf sich zu nehmen (171).
Das forderte die Gnosis zunächst immer, trotzdem wurde die
reinliche Scheidung geschichtlich notwendig.

Rostock Q. Holl:

MISSIONSWISSENSCHAFT

0 ~]fi

j/^Seumois, And. V., OMI, Dr.: La Papaute et les Missions au cours
des six premiers Steeles. Methodologie antique et orientations modernes
. Paris Louvain: Eglise Vivante 1953. 224 S. gr. 8°.

S. stellt die Geschichte des Verhältnisses der Päpste der ersten
sechs Jahrhunderte zur Mission dar, um aus ihr Antwort auf
tragen der modernen (katholischen) Mission zu gewinnen. Diese
beschichte aber, beginnend mit Petrus als dem ersten Papst und
endend mit Gregor dem Großen, hat die Qualität und das Gewicht
verbindlicher Tradition. Im Grunde geht es um e i n e Frage,
die der Adaptation, der Anpassung der katholischen Kirche in
inrem Recht und Ritus an regionale oder nationale Eigenarten,
um die Frage nach Einheit oder Einförmigkeit, um Einpflanzung
1er Kirche in die Heidenwelt oder Umpflanzung der Kirche des
^kzidents in den Orient bzw. um Entokzidentalisierung. Der
Schwerpunkt der geschichtlichen Darstellung liegt bei Petrus,
«essen missionarische Persönlichkeit, Wirksamkeit und Bedeu-
ung auf Grund namentlich der Act. und des 1. Petr. gezeichnet
werden, und dessen Missionsmethoden, namentlich die „meister-
arte Anpassung" an die verschiedenen Völker, als die des Hei-
•gen Geistes gelten, und bei Gregor dem Großen, der auf Grund
namentlich seines Regulae Pastoralis über und seiner Moralia
s „einer der besten Zeugen der authentischen päpstlichen Mis-
sionsmcthodologie" gerühmt wird, als deren Kernpunkte diejenigen
herausgestellt werden, die S. auch in der modernen Mis-
ion die entscheidenden sind, die Adaptation des Kirchenrechts,
einhetate* wdap^tion und die -Adaptation und Taufe der
muntren'^ en Werte". Zwischen den missionarischen Unternehmen
aes Petrus und Gregors des Großen findet S. missionarische
Wirksamkeite der Päpste nur selten bezeugt und scheidet
aus diesen Zeugnissen die Leo dem Großen zugeschriebene Schrift
„De vocatione omnium Gentium" sowie einen Brief Anastasius
IL an Chlodwig als Fälschungen aus. Die wenigen Zeugnisse
fügen sich in den durch Petrus und Gregor gegebenen Rahmen
im wesentlichen ein, vor allem hinsichtlich der Beurteilung und
Berufung der Heiden oder der Anerkennung der Werte des Heidentums
. Leos des Großen Gedanken freilich, auf die in diesem
Zusammenhang in besonderem Maße Bezug genommen wird,
lassen sich in diesen Rahmen nur durch einige kühne Schlußfolgerungen
einfügen, da er nur vom Heidentum vor Christus
spricht. Wirksamer (und aktueller im Sinne der modernen Mission
) ist Gregors des Großen Offenheit für die moralischen und
religiösen Werte im Leben der Heiden. „Ein geistliches Leben,
selbst ein hohes, kann also", so faßt S. Gregors Anschauungen
zusammen, „bei gewissen Heiden begegnen; aber das Heidentum
kann nichts bieten, um dieses Leben zu nähren". Darum steckt
im Heidentum Hunger nach geistlicher Nahrung, und die Heiden
„rufen implicite den Erlöser Christus an" (S. 89). Es ist nun
offensichtlich der Sinn des historischen Teiles der Untersuchung,
die drei Anliegen der modernen katholischen Mission, die als
Anliegen Gregors des Großen dargestellt wurden, mit der Autorität
der apostolischen und nachapostolischen Ära, mit der Autorität
des ältesten Papsttums zu rechftertigen, so daß die Adaptation
des kirchlichen Rechts, die liturgische Adaptation und
„Adaptation und Taufe der einheimischen Werte" als eine Rückkehr
zu den apostolischen und nachapostolischen Methoden erscheinen
. S. hat dies Zeugnis des alten Papsttums nötig, weil im
Mittelalter — unter dem Zwang der Verhältnisse — entgegengesetzte
Prinzipien zur Herrschaft gekommen sind. Aber „das
Mittelalter ist nur eine Episode in der Kirchengeschichte" und
ebenso „das Christentum des Okzidents nur ein besonderer regionaler
Einschlag der universalen Kirche" (S. 144). Darum vertritt
S. unter Berufung auf Äußerungen der Propaganda und einzelner
Päpste zunächst für das kanonische Recht die These, daß
katholisch nicht lateinisch heiße und christianisieren nicht ok-
zidentalisieren, zumal über allen juristischen Bestimmungen der
Grundsatz stehe: „Salus animarum suprema lex". Ähnlich fordert
er im liturgischen Bereich eine sorgsame — im Grunde unkatholische
— Unterscheidung „zwischen den Elementen göttlicher
Einsetzung" als unveränderlicher Substanz des Kultus und
„den rein kirchlichen, akzidentellen und in zeitlicher und räumlicher
Hinsicht variablen Anordnungen" (S. 146). Auf diese
Weise wird die Möglichkeit zur Aufnahme von Riten heidnischer
Herkunft gewonnen, die dem Katholizismus zur Ehre angerechnet
wird, und in der nicht etwa Gefährdung der Einheit der
Kirche, wohl aber durch geschichtliche Beispiele und namentlich
moderne Päpste legitimierter Widerspruch gegen ihre im Mittelalter
erfolgte Uniformierung und gegen die Illusion der Lateiner
gesehen wird, „sich als das Zentrum der Kirche zu betrachten"
(S. 161). Die Adaptation kommt zu ihrer Vollendung in der
„Taufe der einheimischen Werte", in der es um etwas Ähnliches
geht wie in der „Taufe" des Aristoteles durch den heiligen
Thomas. Sie bedeutet für S., daß es völkischer Art ergehe wie
der Persönlichkeit, für die das christliche Leben nicht Verstümmelung
, sondern Förderung sei, und daß umgekehrt auf diese
Weise die Kirche, die prinzipiell die Natur nicht zerstört, sondern
vergottet, alle menschlichen Reichtümer adoptiere zur Ganzheit
des Leibes Christi. Der Adaptation wird als Ziel die Adoption
gesetzt. Die Entokzidentalisierung der Kirche, die Inkarnation
in den einheimischen Werten wird als „der kategorische Imperativ
der Missiologic" proklamiert und als Weg aus der Sterilität
der bisherigen Mission verstanden.

Das sehr instruktive Buch zeigt, daß die Losung „zurück
zu den Quellen" trotz hier und da sehr kritischer Stellung zu
weiten Strecken katholischer Tradition letztlich die Geltung der
Tradition zum Ergebnis und zur Voraussetzung haben kann, da
diese Losung an die apostolischen und nachapostolischen Methoden
bindet und damit nicht nur jede Unterscheidung von christlicher
Botschaft und frühkatholischem Christentum ausschaltet,
sondern auch an die Stelle des gläubigen ein gesetzliches Verhältnis
zur neutestamentlichen wie frühkatholischen Tradition begründet
.

Mainz Walter Holsten