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Ausgabe:

1956 Nr. 2

Spalte:

108-109

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Kraft, Heinz

Titel/Untertitel:

Texte zur Geschichte der Taufe, besonders der Kindertaufe in der alten Kirche 1956

Rezensent:

Schneemelcher, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 2

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Schriften der Forschung aufgegeben werden, als dies bei Vertretern
der deutschen Altertumswissenschaft der Fall ist. Mit besonderem
Erfolg haben sich die Philologen der nordischen Länder
und Hollands der Erforschung der sogenannten christlichen La-
tinität zugewandt. Ich brauche nur die Namen der Schweden
E. Löfstedt und J. Svennung und der Holländer J. Schrijnen und
Chr. Mohrmann zu nennen.

Lundström, der Verfasser der hier zu besprechenden Schrift,
hat seit 1943 mehrere einschlägige Arbeiten veröffentlicht. Mit
seinem Werk über „übersetzungstechnische Untersuchungen" will
er sozusagen eine „Prinzipienlehre der Übersetzungsfehler" vorlegen
, die von altchristlichen lateinischen Autoren bei der Übersetzung
von Werken der griechischen Patristik in ihr eigenes
Idiom begangen wurden. Verschiedene andere mit der Übersetzertätigkeit
zusammenhängende Fragen wurden mit Absicht beiseite
gelassen. Das, was L. bietet, ist reich, ja überreich genug. Des
Dankes aller an der patristischen Forschung direkt oder indirekt
Interessierten kann der Verf. sicher sein. Alle Benützer dieses
Werkes werden leicht feststellen können, wie viel sprachliches
Wissen und feines Einfühlungsvermögen in die Arbeitsweise des
Übersetzers und Handschriftenschreibers dazu gehört, eine so entsagungsvolle
, aber ergebnisreiche Arbeit zu verfassen.

Die Arbeit zerfällt in einen lexikalischen (S. 17—198) und
einen kleineren syntaktischen Teil (S. 199—278), dem mit aller
Akribie gearbeitete Indices (ein Sach-, ein lateinischer und griechischer
Wort- und ein Stellenindex) folgen. Auf die zahlreichen,
etwa 40 verschiedenen Arten und Gruppen der Übersetzungsfehler
brauche ich hier nicht näher einzugehen. Der Verf. hat
naturgemäß für seine Untersuchungen nur einen kleinen Teil der
erhaltenen in altchristlicher Zeit entstandenen Übersetzungen
heranziehen können. In der Hauptsache macht L. seine Beobachtungen
und Feststellungen auf Grund der verschiedenen Bibelübersetzungen
, des lateinischen Irenaus und vor allem der Übersetzungen
, die von den Mitarbeitern Cassiodors (Epiphanius:
Historia ecclesiastica tripartita, Josephus Latinus und Mutianus:
Hebräerbrief des Joh. Chrysostomus) besorgt wurden. Auch die
lateinische Version des Matthäuskommentars des Origenes und
die Übersetzung des Paulinenkommentars des Theodor von
Mopsvestia wurden stärker herangezogen.

Wenn weitere ähnliche Studien in größerer Zahl erscheinen
würden, könnte als fernes, durch solche Untersuchungen zu erreichendes
Ziel die Abfassung eines Wörterbuchs der Übersetzungsfehler
erhofft werden. Schon die vorliegende Arbeit wird
sich bei neuen textkritischen Untersuchungen als ein mit reichem
Anschauungsmaterial ausgestattetes Repertorium darbieten. Vor
allem aber werden dieses Werk die Editoren der von der Berliner
Kommission für spätantike Religionsgeschichte seit langem
vorbereiteten, hoffentlich bald anlaufenden neuen Reihe altlateinischer
Übersetzungen griechischer Kirchenväter dankbar begrüßen
und mit großem Nutzen heranziehen können.

Wfirzburg Berthold Altaner

S t a k e m ei er, Eduard, Prof. Dr.: Civitas Dei. Die Geschichtstheologie
des Hl. Augustinus als Apologie der Kirche. Vortrag zur Eröffnung
des Studienjahres 1954/55 der Erzbischöfl. Philos.-Theol.
Akademie zu Paderborn am 7.11.54. Paderborn: Schöningh 1955.
44 S. gr. 8°. Kart. DM 1.20.

Die Erörterung der Civitas Dei Lehre anläßlich des Augustin-
jubiläums zeigt in Deutschland die weiterhin starke Wirkung des
seit 1951 in 2. Auflage unter dem Titel „Christentum und Geschichtlichkeit
" vorliegenden Buches von W. Kamiah. Das bezeugt
sowohl Ratzingers Aufsatz „Herkunft und Sinn der Civitas-Lehre
Augustins (Augustinus Magister, Paris 1954, S. 965—979), der
entgegen Kamlahs „eschatologischer" Deutung der civitas Dei
das Wesen der Gottescivitas in der sakramentalen Feier des corpus
Christi sieht, wie auch der Vortrag Stakemeiers, welcher zustimmend
zu Kamlahs Verständnis der civitas Dei als auf das
Eschaton gerichteter „Bürgerschaft Gottes" Stellung nimmt.

Der mit Belegstellen und Literaturhinweisen ausgestattete
Vortrag arbeitet im ersten Teil die Krisis der christlichen Romidee
anläßlich des Falles Roms im Jahre 410 heraus. Der Streit um die
Entfernung der Victoriastatue aus der Senatskurie hatte Ambrosius
und Prudentius zu der Behauptung veranlaßt, daß sich in
christlicher Zeit mit Rom alles zum Besseren gewandt habe, ja,
Ambrosius sah in der Annahme des wahren Glaubens eine gewisse
Garantie für Fortschritt und nationale Größe (S. 12). Gegenüber
dieser kurzschlüssigen Argumentation, die durch die Ereignisse
widerlegt wurde und gegenüber der heidnischen Polemik mußte
Augustin eine christliche Sinndeutung der Geschichte geben. Im
Anschluß an die bibl. Offenbarung entwirft der Bischof ein streng
lineares Geschichtsbild (Stakemeier schließt sich der m.E. bedenklichen
linearen Auffassung des neutestamentlichen Zeitbegriffs
von Cullmann an) von der Schöpfung über das Heilswerk Christi
zum Ziel des Gerichtstags hin. In dieses lineare Geschichtsbild
fügt Augustin die Universalgeschichte ein, die ihren Sinn aus den
Heilstaten Gottes und nicht aus der Kontinuität menschlichen
Handelns empfängt. Der eigentliche Sinn der Geschichte ist die
Heilsgeschichte (S. 24). Die damit vollzogene Überwindung des
antiken zyklischen Geschichtsschemas der „Wiederkehr des Gleichen
" ist nach Ansicht des Verfassers, der sich hier mit Guitton
(Le temps et l'eternite chez Plotin et S. Augustin, Paris 1933,
S. 3 57 f.) berührt, die bedeutendste Leistung des Werkes De ci-
vitate Dei.

Der 2. Teil der Arbeit untersucht „Civitas Dei und civitas
terrena in ihrer Bedeutung und ihrem gegenseitigem Verhältnis".
Das Verdienst dieser Ausführungen, die naturgemäß nichts Neues
gegenüber den Ergebnissen der bisherigen Forschung bringen,
liegt in einer klaren Darlegung des Verhältnisses von civitas Dei
und Kirche, civitas terrena und Staat, von Kirche und Staat und
von civitas Dei und civitas terrena.

Obwohl der enge Rahmen eines Vortrags zuweilen die Gefahr
einer Glättung der Probleme mit sich bringt, kann die Schrift
als Wegweiser in die Gedankenwelt von Augustins Civitas Dei
durchaus empfohlen werden.

Naumburg/Saale Rudolf Lorenz

Kraft, Heinz, Dr.: Texte zur Geschichte der Taufe, besonders der
Kindertaufe in der Alten Kirche, ausgewählt. Berlin: de Gruyter
1955. 40 S. = Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen, begr.
von H. Lietzmann, hrsg. von K.Aland, Nr. 174. Brosch. DM 3.80.

„Für das zweite nachchristliche Jahrhundert ist die Säuglingstaufe
christlich geborener Kinder durch direkte patristische
Zeugnisse als allgemeiner kirchlicher Brauch sicher bezeugt. Die
indirekten patristischen Zeugnisse reichen bis in das erste nachchristliche
Jahrhundert zurück". Aus den Zeugnissen läßt sich
vermuten, daß „die apostolische Kirche etwa zwischen 60 und 70
dazu übergegangen" ist, „außer den (von allem Anfang an getauften
) Kindern der Übertretenden auch die in der Gemeinde geborenen
Kinder zu taufen. Und zwar als Säuglingel" So behauptet
J. Jeremias (Hat die Urkirche die Kindertaufe geübt? 2. Aufl.
Göttingen 1949, S. 37 und 47). Karl Barth und viele andere sind
mit Recht anderer Meinung (vgl. K. Barth, Die kirchliche Lehre
von der Taufe = Theol. Studien, Heft 14, Zollikon-Zürich 1943).
Aber die Debatte hat bisher zu keinem allseitig anerkannten Ergebnis
geführt. Was sagen die Quellen dazu?

Heinz Kraft versucht in einer kleinen Sammlung von ausgewählten
Texten, die wohl vor allem für Seminare und Übungen
gedacht ist, Zeugnisse aus der Alten Kirche zusammenzustellen,
die auf die umstrittenen Fragen Antwort zu geben vermögen
und die „vorwiegend das Alter der Täuflinge" berücksichtigen.

Beginnend mit der Didache (mit Recht, denn die Zweifel an
dem Alter dieser Schrift, die neuerdings von katholischer Seite
erhoben werden, sind unberechtigt und von peinlicher Tendenz
geprägt) werden Texte bis hin zu Augustin vorgeführt. 4 griechische
und 13 lateinische Inschriften beschließen das Heft, Die
Anordnung soll chronologisch sein, überzeugt allerdings nicht
immer: z.B. werden unter Nr. 15 vier Abschnitte aus Kirchenordnungen
sehr verschiedenen Alters geboten, die an sich zum
Teil später ihren Platz hätten. Dabei müßte das Testamentum
Domini ohnehin nach den Constitutiones Apostolorum erscheinen
.

Natürlich läßt sich über die Auswahl streiten. Z. B. hätte vielleicht
Justin Apol. 15, 6 mit aufgenommen werden können, eine Stelle, die
in der Debatte oft herangezogen worden ist. Im großen und ganzen ist
aber die getroffene Wahl anzuerkennen. Dagegen muß gefragt werden,.