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Ausgabe:

1956 Nr. 2

Spalte:

83-94

Autor/Hrsg.:

Wolff, Hans Walter

Titel/Untertitel:

Hoseas geistige Heimat 1956

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 2

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aus der Überlieferung übernommenen oder in vom Jahwisten
verfaßten Stücken — vorkämen39. Die Tatsache, daß die Wendungen
""WH "O " oder „wenn ich Gnade gefunden habe in deinen
Augen" außer bei J und in Jdc. 6, 13. 15 bzw. 17 noch in
Jos. 7,8; Jdc. 13,8; l.Sam. 1,26; 25,24; 2. Sam. 14,19; 1. Kön.
3, 17. 26 bzw. Dtn. 24, 1; 9 mal in 1. 2. Sam.; 1. Kön. 11,19;
Prov. 3, 4; 28, 23; Ru. 2, 2. 10. 13; Est. 5, 8; 7,3; Sir. 42, 1
vorkommen, zeigt, daß sie nicht „typisch jahwistisch" sind, sondern
einfach aus der Umgangssprache stammen10. Einzelne Übereinstimmungen
in der Terminologie zwischen Jdc. 6, 11—24 und
Gen. 18, 1—16 (und auch Jdc. 13) erklären sich aus der Verwandtschaft
des Stoffes, nicht daraus, daß diese Perikopen von

3B) Davon kann man sich an Hand der Konkordanz von Mandelkern
oder bei K o e h 1 e r, Lex. leicht überzeugen.

40) Gegen Böhme a.a.O. S. 259 f.; Budde, Richter 54 f. u.a.
Vgl. auch die Kritik von W i e s e a. a. O. S. 26—28.

einem Mann — oder in einer „Schule"41 — verfaßt sind. Die
Dinge liegen vielmehr so: Auf der einen Seite fand eine alte Sage,
deren Handlung bei der Terebinthe von Mamre spielte und die
mit Abraham in Verbindung gebracht worden war, in dem Werk
des Jahwisten Aufnahme (Gen. 18, 1—16 bzw. der Grundbestand
dieses Abschnittes). Auf der anderen Seite wurde eine Ortssage
von Ophra, in der wie in jener eine Erscheinung der Gottheit
unter einer Terebinthe eine Rolle spielte, deswegen, weil sie mit
dem Namen des Gideon in Verbindung gebracht wurde, in den
Sagenkreis um diesen Helden aufgenommen, dort durch den Abschnitt
von Gideons Berufung erweitert und schließlich einem anderen
größeren Werk, dem deuteronomistischen Geschichtswerk,
eingegliedert42.

41) So etwa Kittel, ThStKr 65, 1892 S. 58; Nowack a.a.O.
S. 62.

42) Vgl. M. Noth, Überlieferungsgesdiiditlidie Studien I, 1943
S. 51 f.

Hoseas geistige Heimat

Von Hans Walter W o 1 f f, Wuppertal-Barmen

Friedrich Horst zum 60. Geburtstag'

In welchen Kreisen soll man sich den Propheten Hosea vorstellen
? Daß man ihn nicht als einsamen Neuerer anzusehen hat,
legt seit langem die Beobachtung nahe, daß er in seinen Sprüchen
Redeformen und Überlieferungsstoffe israelitischer Tradition
aufnimmt1. Man wird nun einmal fragen müssen, wo er in seiner
Umwelt diesen Formen und Stoffen begegnet ist. Wie soll man
sich die „Bildungsschicht" denken, in der man ihn vermutet2?

Die Frage erscheint um so schwieriger, als das überlieferte
Spruchgut ihn in totaler Opposition zeigt sowohl gegen den
zeitgenössischen Kultus und die dafür verantwortlichen Priester3
als auch gegen das Königtum und die höfischen Kreise4. Dabei
ist er mit keinem anderen Thema so häufig und so lebhaft beschäftigt
wie mit der gottesdienstlichen Praxis seiner Tage. Sie
ist fast in jedem Spruch im Spiel. Erklärt sich das daraus, daß
seine Gegnerschaft nur die Kehrseite eines leidenschaftlichen Interesses
am Gottesdienst Israels ist? Ist er an einem der Kultzentren
großgeworden, um dann gleichsam im eigenen Hause zu

revoltieren? Oder ist gar das, was wir Opposition nannten, nur j daß die Propheten in diesem Zusammenhang erscheinen. Denn so

6Drum schlage ich drein durch Propheten6,
erschlage sie durch meines Mundes Worte.
'Mein' Recht bricht dann 'wie' Licht hervor7.

"Denn Bundessinn will ich, nicht Schlachtopfer,
Wissen um Gott statt Brandopfer".

Dieses Stüde respondiert dem in 6, 1—3 zitierten Bußgesang
des Volkes. Es ist von vornherein bewegt von der Frage, mit
welcher Tat Jahwe die Umkehr des Volkes beantworten wird,
die sich im angeführten Lied darstellt. Die Frage ist noch offen
(V. 4a), weil jene neue Haltung auf ihre Echtheit und Dauerhaftigkeit
zu prüfen ist. Diese Prüfung fällt negativ aus, wie das
Scheltwort V. 4b zeigt. So entscheidet also in der Frage, was
Jahwe dem Volk tun solle, nicht die rezitierte Buße, sondern der
Inhalt des Scheltwortes.

V. 5 bringt nun das Drohwort, das die in V. 4a noch fragliche
Tat verkündet; leitet es ein. Es ist wichtig zu sehen,

als ein Stüde geordneter Verkündigung im Rahmen des offiziellen
Gottesdienstes zu denken5?

Eine andere Frage drängt sich von Hoseas Sprüchen her noch

sind sie als Gerichtswerkzeuge Jahwes eingeführt. Aber wen
meint denn Hosea? Die Deutung der beiden Perfekta in V. 5a —
„ich schlage drein — ich töte sie" — entscheidet in dieser Frage,
stärker auf. Sind im Nordreich des 8. Jahrhunderts abseits von [ Schwerlich kann das Perfektum im Zusammenhang rein vergan-
den offiziellen Kreisen am Hof und an den großen Heiligtümern | genheitliche Bedeutung haben, so daß nur an frühere Propheten
Gruppen denkbar oder gar nachweisbar, die einerseits altisraeli- I gedacht wäre. Eher möchte man es streng als perfectum prophetische
Überlieferungen bewahren und pflegen und andererseits
im Gegensatz zum gegenwärtigen Staatskult stehen?

L

In dieser Richtung Ausschau zu halten, nötigt zunächst ein
Tatbestand in den überlieferten Hoseaworten, der weithin nicht

ticum verstehen9. Denn 1$-bj? leitet die Androhung noch ausstehenden
Handelns Jahwes ein. Dabei steht zwar im allgemeinen
das Imperfektum (Hos. 4, 3; Am. 3, 2; Jes. 30, 16), aber auch das
Perfektum kommt in futurischer Bedeutung vor (Jes. 5,25). Diese
Deutung ist deshalb erwägenswert, weil V. 5a den Imperfekta
der Fragen in V. 4a entspricht, und auch, weil V. 5b als Konerkannt
und kaum ausreichend ausgewertet ist. Hosea nennt j sekutivsatz10 die zu erwartende Folge des angekündigten Han-
mehrfach eine Gruppe, zu der er als der einzigen nie in Gegen- | delns Jahwes beschreibt. Bei diesem Verständnis wird also Issatz
tritt, deren Sache vielmehr immer seine eigene ist: die Propheten
.

1.) Wir betrachten zunächst den Zusammenhang Hosea 6, 4—6:
4Was soll ich dir tun, Ephraim?

was soll ich dir tun, Juda?
Dein Bundessinn ist wie Morgengewölk,
wie Tau, der frühe verschwindet.

x) Vgl. E. Sellin. Die geschichtliche Orientierung der Prophetie des
Hosea, NKZ 36 (1925) S. 607—658; J. Rieger, Die Bedeutung der Geschichte
für die Verkündigung des Arnos und Hosea (1929); E. Würth-
wein. Der Ursprung der prophetischen Gerichtsrede, ZThK 49 (1952)
S. 1—16; H. W. Wolff, Wissen um Gott bei Hosea, Ev. Theol. 12
(1952/53) S. 533—554.

2) A. Weiser, ATD 24 (1949) S. 2.

3) 4, 4—19; 5, 1 (f.; 6 f.; 6, 9 f.; 8, 4 ff. 11 ff.; 9, 1 ff.; 10, 5.
*) 1,4; 3, 4; 5, 1 ff.; 7, 3; 8, 4. 10; 10, 7; 13, lOf.

6) Dieser Frage neigt E. Würthwein a.a.O. S. 15 zu.

6) hsb in der Bedeutung „kämpfen", „dreinschlagen" ist mehrfach
in ugaritischen Texten belegt; vgl. C. H. Gordon, Ugaritic Handbook
(1947) s.v., insbesondere S. 187 'nt II, 6. 20. 24. 30, in 19 f.
thtsb // tmthsh (C. H. Gordon, Ugaritic Literature (1949) S. 17 f.);
vgl. auch Virolleaud, Syria XVIII, S. 89; anders G. R. Driver, VT 1
(1951) S. 246.

7) Vokalisation und Worttrennung nach LXXl

8) Zur Begründung der Übersetzung vgl. Ev. Theol. 12 (1952/53)
S. 533 ff.; zur Kritik von E. Baumann in Ev. Theol. 15 (1955) S. 416
bis 42 5; vgl. H. W. Wolff, Erkenntnis Gottes im AT, in Ev. Theol. 15
(1955) S. 426—431. Zur privativen Bedeutung des 173 vgl. jetzt auch

G. Fohrer, Umkehr und Erlösung beim Propheten Hosea, ThZ 11
(1955), S. 165 Anm. 9 gegen H.Kruse, „Dialektische Negation" als
semitisches Idiom, VT 4 (1954) S. 391 f.

») Beer-Meyer, Hebr. Grammatik II (1955) § 101, 4; O. Grether,
Hebr. Grammatik (219 5 5) §791.

10) Beer-Meyer § 118, 1; Grether § 96w.