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Ausgabe:

1956 Nr. 2

Spalte:

69-76

Autor/Hrsg.:

Kuschke, Arnulf

Titel/Untertitel:

Altbabylonische Texte zum Thema "Der leidende Gerechte" 1956

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 2

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Heiligtum in Silo in Verbindung gebracht1". In 1. Sam. 4,4 ist
davon die Rede, daß man die Lade Jahwes, des Kerubenthroners,
aus Silo holte. Eine ganz andere Frage freilich ist, ob man aus
der „feierlichen" (?) Bezeichnung der Lade in 2. Sam. 6, 2
schließen darf, daß die von Haus aus dem Jahwe eigne (einfache
) Lade in einem besonderen kultischen Akt mit dem Keru-
benthron des (kanaan.) Gottes Zebaoth vereint worden ist"'0. Unbeschadet
dessen, daß die Frage, wie die Termini sebaot und
joseb hakk'rubim mit Jahwe zusammengebracht wurden, verschiedene
Antworten zuläßt, ist für das Verständnis der Rechtsaussage
in 2. Sam. 6,2 die Bezeichnung der Lade als 'aron
hawlohlm von entscheidender Bedeutung. Sie aber verbietet
n. E. die religionsgeschichtliche Linie s o zuziehen, wie es
O. Eißfeldt getan hat. Handelte es sich um eine von Haus aus
dem Jahwe eigne Lade — die dann aus der Wüstenzeit stammen
müßte21 -, dann würde im Text nur von der Lade, aber nicht
von dem '*rön hazelohim die Rede sein. Haben wir ferner zu
recht erwiesen, daß der Namensausruf den Rechtsakt der Über-
eignung begleitet, dann kann man die Wendung nur dahin interpretieren
, daß ein einem fremden Gott (dem von Silo?) zugehörendes
Kultsymbol dem von der Bundesgemeinde verehrten Jahwe
Zebaoth, dem Kerubenthroner, übereignet wurde2". Historisch
wäre dafür auch eine Erbeutung im Krieg denkbar, ähnlich wie
die Philister sich hernach der Lade bemächtigten, doch läßt sich
das Einzelne nicht mehr ausmachen. Man könnte nun einwenden,
daß die Übereignungsformel reichlich spät gebracht wird, da ja die
Lade schon in den vorangehenden Erzählungen als Jahwesymbol
Erwähnung findet, aber das könnte damit zusammenhängen, daß
der volle Titel Jahwes seit den Tagen Salomos am Z i o n haftet,
und daß Jerusalemer Priesterkreise Wert darauf legten, eine Übereignungsformel
mit dem vollen Gottesnamen erst in der
Situation zu bringen, in der die Lade nach Jerusalem überführt
wird.

Wie der Name des siegreichen Königs über eroberten Ländern
ausgerufen wird, um den Herrschaftswechsel klar zu stellen
(Ps. 49, 12), so kann im Prophetenspruch (Am. 9, 12) auch Jahwe
für die Restitution der verfallenen Hütte Davids die Wiedergewinnung
des Restes von Edom und aller Völker, „über denen
mein Namen ausgerufen wurde", zusagen. Mehrfach begegnet bei ,

1B) O. E i s s f e 1 d t, Jahwe Zebaoth, Miscellanea Academica Bero-
linensia. 1950, S. 142 ff.

20) O. Eissf eldt, a.a.O., S. 147 f.

51) So mit besonderem Nachdruck O. E i s s f e 1 d t, Lade und Stierbild
. ZAW 58. 1940, S. 190 (f.

22) M. Dibelius, Die Lade Jahwes, 1906, spricht S. 116 von
„einer Art Umtaufe" der Lade, besser sollte man von Übereignung
reden (K. Galling, in RGG2, III, 1929, Sp. 1449).

Jeremia die Wendung von dem „Hause (Tempel), über dem mein
(bzw. Jahwes) Name ausgerufen wurde" (vgl. 7, 10 ff.; 32,34;
34, 15). Die Formel, die ja schwerlich ganz unabhängig von der
deuteronomischen Wendung vom Wohnen des Jahwe-N a m e n s
verstanden sein mag, zielt ursprünglich auf die Zuweisung
des von Salomo errichteten Heiligtums an Jahwe, den Gott der
israelitischen Bundesgemeinde und des davidischen Königshauses.
Ein nach-jeremiaisches Wort23 kündet das Gericht für Jerusalem
an: für die Stadt, „über der mein Name ausgerufen wurde"
(25, 29) — das ist offensichtlich eine von der Signifikation des
Tempels her gebildete Formel.

An den Erwerb eines Sklaven wird man erinnert, wenn
sich der Prophet Jeremia als den bezeichnet, über dem der Name
Jahwes ausgerufen wurde (Jer. 15, 16). Wie soll man die Ausrufsformel
im Zusammenhang mit der Bundesgemeinde verstehen
? Sie begegnet in Jer. 14, 9: „Aber du bist doch in unserer
Mitte, Jahwe, und dein Name ist über uns ausgerufen!" und analog
in Dtn. 28, 10: „Dann werden alle Völker der Erde sehen,
daß der Name Jahwes über dir ausgerufen wurde, und sich vor
dir fürchten." Man wird hier an den Erwerb Israels durch
Jahwe zu denken haben, wovon in dem alten Liede Ex. 15, 16
die Rede ist. Das erinnert an den mit der Verlosung in der Landnahmezeit
zusammenhängenden Terminus nahaläh, sofern er
auf das Volk übertragen dieses als „Erbe Jahwes" bezeichnet
(2. Sam. 20, 9; 21, 3)24. Nach einer religionsgeschichtlich bemerkenswerten
, offenbar sehr alten Tradition ist Jahwe der Losanteil
durch Dekret des El Eljon zugefallen: „Frage deinen Vater,
daß ers dir melde26, deine Ältesten, daß sie dirs sagen: Als Eljon
die Völker ins Erbe einsetzte, als er die Menschenkinder schied,
die Grenzen der Nationen festlegte nach der Zahl der Gottessöhne26
, da wurde27 Jahwes Anteil sein Volk, Jakob das Teil
seines Erbes" (Dtn. 32, 8 f.). Damals, so könnte man sagen, wurde
in einem über-irdischen Publizitätsakt das durch keinen Einspruch
angefochtene und anzufechtende Recht Jahwes auf dieses,
sein Volk festgelegt: „Ich werde euer Gott sein und ihr werdet
mein Volk sein!" (Lev. 26, 12). Das ist die Grundaussage, die
dem Volk des Eigentums (Dtn. 7, 6) die inskünftige Ordnung
kündet.

23) W. Rudolph, Jeremia, 1947, S. 141.

2i) G. v. R a d. Verheißenes Land und Jahwes Land im Hexateuch,
ZDPV 66, 1943, S. 203, Anm. 2.

26) K.Budde, Das Lied Mose's (Deut. 32), 1920, S. 16 sdüägt
dafür den Plural vor.

'"'") Der LXX-Tcxt „Gottessöhne" statt „Söhne Israels" ist durch
ein Fragment aus Qumran 4 gesichert; vgl. Patrick W. Skehan,
BASOR 136 (1954), S. 12.

27) Entsprechend LXX ist statt fci helek zu lesen wajhi helek
(Budde, a.a.O., S. 16).

Altbabylonische Texte zum Th

Von Arnulf K u

Vor annähernd zehn Jahren hat J. J. Stamm eine sehr aufschlußreiche
, allseits dankbar aufgenommene Studie über „Das
Leiden des Unschuldigen in Babylon und Israel"1 vorgelegt. Sie
ist in drei Kapitel gegliedert: „Das Leiden des Unschuldigen in
der babylonischen Religion", „Das Leiden des Unschuldigen im
Alten Testament" und ein abschließender „Vergleich", in dem
die theologischen Grundgedanken beider Seiten, Gemeinsames
und Trennendes, klar herausgearbeitet sind, wobei vor allem die
Einzigartigkeit des Buches Hiob ins volle Licht tritt. Im I. Kapitel
bietet Stamm eine gestraffte, mit Zitaten durchsetzte Beschreibung
und Würdigung der drei wichtigsten damals bekannten
babylonischen Texte, die sich „je in ihrer Weise mit dem
Problem der moralischen Weltordnung beschäftigen". Es handelt
sich um das „Zwiegespräch zwischen einem Herrn und seinem
Knecht"2, das große Dankgebet „Ich will preisen den Herrn der

*) Abhandlungen z. Theologie d. Alten und Neuen Testaments
Nr. 10, Züridi 1946; vgl. TLZ 1948. Sp. 406 f.

) Ungekürzte Übersetzungen: E. Ebeling in H. Gressmann,

ima „Der leidende Gerechte"

s c h k e, Mainz

Friedrich Horst zum 60. Geburtstag

Weisheit"1' und das „Gespräch eines Leidenden mit seinem frommen
Freund"4. Die erste Dichtung kann jetzt nur noch mit Vorbehalt
in diesem Zusammenhang herangezogen werden. Denn
nachdem schon 1953 C. Kühl die Auffassung vertreten hat, daß
wir es hier nicht mit einer grundsätzlichen Erörterung über die
Sinnlosigkeit des Lebens, mit einem „Lied des Pessimismus" zu
tun haben, sondern mit einer „humorvollen Darstellung des Kadavergehorsams
"5, hat E. A. Speiser kürzlich aufgrund einer neuen
Bearbeitung des Textes m. E. überzeugend dargetan, daß diese
Deutung richtig ist. Er sieht in dem Dialog eine Satire auf den

Altorient. Texte z. AT (AOT), 19262, S. 284-87; R. H. Pfeiffer
in J. B. P r i t c h a r d, Ancient Near Eastern Texts relating to OT
(ANET) Princeton 1950, S. 437 f.

3)B. Landsberger in Lehmann-Haas, Textbuch z.
Rel.geschichte, 19232, S. 311—16; R. H. Pfeiffer, ANET S. 434-37.

') B. Landsberger, Die Babylonische Theodizee, Zeitschr. f.
Assyriologie 43, 1936, S. 32—76; R. H. Pfeiffer, ANET S. 438
bis 40.

6) Theol. Rundschau 21, 1953, S. 300 f.