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1956 Nr. 12

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Kirchengeschichte: Neuzeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 12

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Daß bei der Art der historischen Urteile, wie sie an Hand
einiger Beispiele deutlich gemacht worden ist, die Freude an der
Darbietung mancherlei wichtigen Stoffes doch wieder etwas herabgestimmt
wird, wird verstanden werden. Bei aller Dankbarkeit
für die empfangene Belehrung — es steht nicht Weniges in dem
Buch, das sich nicht leicht verkraften läßt.

Markkleeberg/Leipzig _ Franz Lau

Aland, Kurt: August Hermann Franckc und die Privatbeichte.

Monatschrift für Pastoralthcologie 45, 1956 S. 272—285.
Bainton. Roland H.: Yale and German Theology in the middle of

the ninetecnth Century.

Zeitschrift für Kirchengeschichte LXVI, 1954/55 S. 294—302.
Cohn, Jonas: Das Vermächtnis des Viktorianischen Zeitalters.

Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte VII, 1955 S. 322
bis 342.

Geiger, Max: Roxandra Scarlatovna von Stourdza (1786—1844). Zur

Erweckungsbewegung der Befreiungskriege.

Theologische Zeitschrift 12, 1956 S. 393—408.
Gcnderen, J. van: Een officiele verantwording der Labadisten.

Nederlands Theologisch Tijdschrift 10, 1955 S. 96—108.
G i 1 g, Otto: Eine ökumenische Freundschaft: Lavater-Sailer.

Internationale Kirchliche Zeitschrift 45, 1955 S. 205—228.

KIIiCHENMVSIK

Söhngcn, Oskar: Kämpfende Kirchenmusik. Die Bewährungsprobe
der evangelischen Kirchenmusik im dritten Reich. Kassel: Bärenreiter-
Verlag [1954]. 143 S. gr. 8°.

Der um die Erneuerung der evangelischen Kirchenmusik so
verdiente Verfasser spricht mit dieser Schrift der Theologischen
Fakultät Marburg seinen Dank für die Verleihung der theologischen
Doktorwürde aus. Die Schrift besitzt Quellenwert. Der
Verfasser kann aus reicher eigener Erfahrung berichten; als Musikdezernent
der Kirchenkanzlei der Deutschen Evangelischen
Kirche und des Evangelischen Oberkirchenrats in Berlin hat er
im Brennpunkt der Auseinandersetzungen gestanden, die auch
um die'Kirchenmusik von dem nationalsozialistischen Staat entfacht
wurden. Man erfährt daher eine Fülle sehr interessanter
Einzelheiten und bezeichnender Vorgänge. Aber der Verfasser
rückt diese vielfach nur ihm zugänglichen Einzelmitteilungen
unter große Gesichtspunkte: der gesamte Kirchenkampf wird in
seiner Tendenz und in seinen Grundrichtungen an der Rolle, die
die Kirchenmusik dabei gespielt hat, deutlich. Es wurde von der
Öffentlichkeit nicht immer bemerkt; aber es ist für den Widerstand
der Kirche von sehr hoher Bedeutung gewesen, daß ihr
gottesdienstliches, ihr liturgisches und kirchenmusikalisches Leben
weithin viel intakter bleiben konnte und den inneren Widerstand
wesentlich mittrug. Das zähe Ringen um die geistliche
Eigenständigkeit und Freiheit, mit der der Verfasser oder ähnlich
bedeutsam z. B. Christhard Mahrenholz das kirchenmusikalische
Leben als ein geistlich-kirchliches Geschehen vor kulturpolitischer
Überfremdung bewahrt haben, wird in dieser Schrift deutlich.
Der Angriff des Nationalsozialismus stieß auf eine kirchlich-liturgische
und kirchenmusikalische Erneuerungsbewegung, die
einen echten stellvertretenden Dienst für das ganze kulturelle
Leben als ihren Auftrag ansah. Die große und unvergeßliche Gestalt
Karl Straubes bleibt hier vor allem zu nennen. — Den
,.Deutschen Christen" ist es nur am Rande gelungen, in das
gottesdienstliche und liturgische Leben der Gemeinde wirklich
formzerstörend einzudringen.

Söhngen schildert zunächst, wie der Versuch einer handstreichartigen
Eroberung der kirchenmusikalischen Schlüsselstellungen
den „Deutschen Christen" mißlang. Der „Reichsverband
für evangelische Kirchenmusik" blieb während der ganzen
Zeit des „Dritten Reiches" in der Hand der echten Erneuerungskräfte
, besonders die großen Chorverbände, bei denen ja
auch mitten im totalitären System z. B. die Erneuerung des Evangelischen
Gesangbuchs vorbereitet worden ist, haben eine Kraft
des inneren Widerstandes dargestellt, die zwar oft äußerlich
loyal erschien, aber dem System zunehmend ein tiefes Mißbehagen
bereitete. Hier könnte zu dem Material des Verfassers, der
sich im wesentlichen darauf beschränkt, die ihm genau bekannten

Verhältnisse in der Kirche der Altpreußischen Union darzustellen
, mancherlei hinzugefügt werden, etwa aus den sächsischen
Chorverhältnissen. So konnte noch auf dem Annaberger Landes-
kirdienchortag von 1938 beinahe so etwas wie ein kleiner „Kirchentag
" durchgeführt werden. — Die „Reichsmusikkammer"
stellte so nicht nur eine Form politischer Überfremdung dar, sondern
ermöglichte oft geradezu eine Abschirmung dagegen. Die Rivalitäten
der einzelnen Machthaberkreise machten es einer geschickten
Führung möglich, für das kirchenmusikalische Leben
Eigenständigkeit durchzusetzen, ohne sich dabei von vornherein
aus der verantwortlichen Mitgestaltung des gesamten Musiklebens
herausdrängen zu lassen. Söhngen zeichnet, wie so ein Neuaufbau
des Kirchenmusikwesens, freilich immer in wachsamem Ringen
, möglich wurde. Die Heerschau des Festes der Deutschen
Kirchenmusik 1937 in Berlin führte zu jenem überraschenden
und der Öffentlichkeit nicht vorenthaltbaren Hervortreten erneuerter
deutscher Kirchenmusik als eines lebendigen Aktivpostens
der selbständigen Kirche und als einer führenden Kraft
des deutschen Musiklebens. „Deutsch-christliche" Zwischenspiele
konnten nur klägliche Störungsversuche bilden. Aber der Angriff
der Partei setzte nunmehr immer entschiedener ein. Die Kapitel,
die vom Angriff gegen das Amt des Lehrerkirchenmusikers, von
der „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens" in ihrer
Auswirkung auf die Kirchenmusik berichten und von den schließlich
immer deutlicheren Versuchen, Kirchenmusik als „artfremde"
Kunst aus dem Volksleben auszugliedern und sie organisatorisch
— besonders unter Kriegsvorwänden — lahmzulegen, bilden einen
interessanten Beitrag zu den Endphasen des Kirchenkampfes und
sind auch noch aktuell. Mit der Schilderung der positiven Gegenkräfte
weist am Ende der Verfasser zu seinen grundsätzlichen
Schriften über die Erneuerung der Kirchenmusik hinüber. Gehört
er doch selbst zu denen, die entscheidende positive Förderung
geleistet und stärkste Anregungen ausgestrahlt haben. Wir dürfen
ihm für diese Lebensarbeit und damit auch für diese Schrift
sehr dankbar sein.

Leipzig Friedrich Haufe

Q u o i k a, Rudolf: Albert Schweitzers Begegnung mit der Orgel. Berlin
-Darmstadt: Merseburger [1954]. 96 S., 5 Taf. gr. 8°. Lw. DM 9.60.

Als Festgabe zum 80. Geburtstag im Januar 195 5 widmete
die deutsche „Gesellschaft der Orgelfreunde" Albert Schweitzer
die vorliegende Studie ihres Mitgliedes Rudolf Quoika. Der Verfasser
, bekannt als besonderer Kenner der süddeutsch-österreichischen
Orgelbaukultur, gliedert seine Darstellung des Verhältnisses
des großen Denkers Albert Schweitzer zur Orgel treffend in
4 Kapitel: seine normativen Bemühungen um die Orgelbaukunst;
der Orgelspieler; der Orgelästhetiker; Orgeln um A. Schweitzer.
Mit einer kulturgeschichtlichen Einleitung und einem Schlußkapitel
mit der Überschrift „Würdigung" wird der Tatsache Rechnung
getragen, daß das musikalische Tun Schweitzers ebensowenig
wie seine theologischen und philosophischen Werke oder
seine Verdienste in der Tropenmedizin losgelöst von seinem gesamten
Weltbild und von seiner ethischen Lebenseinstellung betrachtet
werden kann.

Der Verfasser weist mit Recht darauf hin, daß es sich glücklich
fügt, daß die Orgel von Gottfried und Andreas Silbermann,
deren Klangideal reiche Farbigkeit bei vollendeter Verschmelzungsfähigkeit
zu einem biegsamen Gesamtklang ist, in eben jener
Epoche erwachsen ist, von der Schweitzer auch kulturgeschichtlich
und ethisch so viel hält: im früheren Rationalismus. Kräftig
herausgearbeitet ist der Wagemut, mit dem Schweitzer zu Beginn
des Jahrhunderts Stellung bezog gegen die geistlose Technisierung
im Orgelbau, gegen die sog. „Fabrikorgel". Und trotz zweier
Weltkriege war die Kraft jenes im „Orgelregulativ" von 1909
seinen literarischen Niederschlag findenden Vorstoßes so stark,
daß die damals fast utopisch wirkenden Forderungen heute nach
dem kräftigen Nachstoßen der deutschen Orgelbewegung Allgemeingut
bei Organisten und Orgelbauern geworden sind. Freilich
merken wir zu dieser Seite der Schrift von Quoika kritisch
an, daß manche erheblichen Gegensätze zwischen den Schweitzer-
schen Anschauungen und den neueren Ergebnissen der Orgelforschung
uns allzusehr vereinfacht erscheinen — wie es dem Sinn
der Schrift entspricht, natürlich zu Schweitzers Gunsten.