Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1956 Nr. 12

Spalte:

731-733

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Hespel, Robert

Titel/Untertitel:

Le florilège cyrillien réfuté par Sévère d'Antioche 1956

Rezensent:

Abramowski, Luise

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

731

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 12

732

= v. 624), und zwar in genau dem von Hieronymus angegebenen
Zusammenhang (die erste Stelle, Buc. 4, 6 s., finde ich allerdings
nur im Cento De ecclesia v. 21 wieder). So scheint die darauf
folgende zweimalige Hervorhebung ,,hanc garrula anus . .." und
„alii discunt — pro pudor — a feminis quod viros discunt" ebenfalls
eine Spitze gerade gegen Proba zu bedeuten, deren Cento
wohl kurz vor ep. 53 entstanden ist und schon bald reichlich verbreitet
war (Schenkl a. a. O. S. 515).

Willkommene Beobachtungen bietet der zweite Teil der
Arbeit, aus denen sich Hieronymus' Stellung zu allem Künstlerischen
als völlig negativ ergibt (S. 53—72); selbst kirchliche
Kunst gilt ihm nichts. Einen kleinen Rest von Schönheitssinn
mögen die wenigen Stellen zu erkennen geben, an denen von den
Schönheiten der Natur die Rede ist (S. 69 f.), während ein näheres
Verhältnis zur Musik nicht spürbar wird (S. 66—68).

Die Richtigstellung der chronologischen Reihenfolge der beiden
ersten Briefe an Paulinus von Nola (ep. 58 vor ep. 53) geht auf F. Ca-
vallera zurück (zuerst in: Bull. litt. eccl. 22, 1921, S. 148—150); ausführlichere
Begründung gibt allerdings erst P. Courcelle (Rev. et. lat.
25, 1947, S. 250—266), dem sich ]. Labourt (T. 3, 1953, S. 23 5 f.) mit
besonderem Hinweis auf den Handschriftenbefund anschließt. Mehr bietet
auch E. nicht. Wozu dann also noch diese „Beilage"?

Heidelberg Heinz Martin W e rh a h n

~J H e s p e 1, Robert: Le Florilege Cyrillien refute par Severe d'Antioche.
0L-/ fitude et edition critique. Louvain: Universite, Inst. Orientaliste
1955. XX, 258 S. 4° = Bibliotheque du Museon Vol. 37. bfr. 300.—.

R. Hespel hat bereits die syrische Version des~^Philalethes"
des Severus von Antiochien im CSCO (vol. 13 3. 134) ediert und
übersetzt. In dem hier besprochenen Buch legt er das griechisch
erhaltene Florileg aus Kyrillzitaten vor, das Severus im Philale-
thes zunächst im ganzen Umfang vorführt, um es dann im einzelnen
zu widerlegen.

Die Edition des Textes wird mit einer gründlichen Monographie
eingeleitet, die die Fragen der Erforschung, Überlieferung,
Übersetzung und Textgeschichte klärt. Kritische Noten am Schluß
des Bandes erläutern den Apparat der Ausgabe. Unter den Indi-
ces ist besonders der griechische lobend zu erwähnen. Der Druck
ist wie immer bei Durbecq vorzüglich. ,,Le florilege cyrillien . . ."
ist in jeder Hinsicht eine mustergültige Ausgabe. Dem Herausgeber
, der mit ihr „den Dogmenhistorikern und Theologen ein
wichtiges, bisher nicht ediertes Stück der chalkedonensischen Kontroverse
zur Verfügung stellen" will (p. VII), ist der Dank der
genannten gewiß, hat er ihnen doch alle mühevollen philologischen
und historischen Vorarbeiten abgenommen.

Wie verwickelt die Probleme sind, zeigt die Geschichte der
Identifizierung des Florilegs. Seit den Tagen der Assemani hielt
man das Florileg für ein Werk des Johannes Grammaticus, den
Severus im Philalethes bekämpft hätte. Die Angaben der Assemani
beruhen aber auf der Verwechslung der beiden Werke des
Severus gegen das Konzil von Chalkedon (dem Philalethes und
dem Contra impium Grammaticum) im Hodegos des Anastasius
Sinaita. Der daraus sich ergebende Fehler hat sich bis in die Arbeiten
Mais, Vailhes und Diekamps vererbt.

Eine genaue Befragung der zeitgenössischen Quellen (Viten
des Severus von Zacharias Rhetor und Johannes von Beith-Aph-
tonia, Kirchengeschichte des Pseudo-Zacharias) ergibt, daß Severus
im Philalethes eine dyophysitische Kompilation (von Johannes
Gram, als Verfasser ist nie die Rede) von Kyrill-Exzerpten bekämpft
, indem er die Exzerpte in ihrem ursprünglichen Zusammenhang
betrachtet. Als Zeit wird der Aufenthalt des Severus in
Konstantinopel vor seiner Bischofswahl angegeben (508—511).
Dort ist das Florileg dem Severus in die Hände geraten, weil die
chalkedonensische Partei der Hauptstadt mit Hilfe dieser Kompilation
offenbar den Kaiser Anastasius überzeugen wollte, der sie
seinerseits dem Severus zur Begutachtung vorlegte. Über die chalkedonensischen
Mittelsmänner machen Johannes v. Beith-Aphto-
nia und Severus selber (s. u.) verschiedene Angaben.

Ein Brief des Severus an den Eutychianisten Sergius, den Lebon
entdeckte, bestätigt diese Angaben und spricht auch vom Umfang des
bekämpften Florilegs (ca. 2 50 Zitate). Schließlich fand R. Draguet, der
zur Klärung dieser Fragen das meiste beigetragen hat, 1924 den entscheidenden
Severus-Text. In der „Apologie des Philalethes" (Cod. Vat.
Syr. 140,.noch nicht ediert), die Severus 520 gegen die Julianisten verfassen
mußte, gibt der Patriarch die genaue Zahl der Kyrill-Exzerpte
an (244) und berichtet einiges über die Vorgeschichte des Florilegs. Es
habe in Alexandrien schon existiert, als der zweite chalkedonensische
Patriarch nach Proterius, Johannes Talaia, nach Rom floh (483), wohin
er es als Verteidigungsmaterial mitnahm. Aber nicht Johannes Talaia
habe das Florileg kompiliert, sondern es sei allmählich aus den Sammlungen
mehrerer Leute entstanden. Sein Zweck war die Versöhnung der
kyrillischen Ägypter mit Chalkedon. Die Verfasserschaft wurde schon
zu des Severus Zeiten diskutiert, Severus hält aber ausdrücklich an der
Anonymität fest. Sie bot Anlaß für spätere Konjekturen, von denen wir
die des Anastasius Sinaita schon oben nannten.

Die drei griechischen Handsdiriften, die das Florileg überliefern,
Sinait. gr. 1690 (S), Paris, gr. 415 (P) und Marc.gr. 165 (M), haben es
aus dem griechischen Original des Philalethes bezogen, sie zitieren nämlich
zum Schluß (aus Versehen) die ersten Zeilen der Widerlegung des
Monophysiten. Von den 244 Zitaten sind 37 in den Werken Kyrills
nicht nachzuweisen, von ihnen hatte Pusey bereits 33 ediert, die restlichen
4 Draguet. Die Nachwirkungen der umfangreichen Kompilation
über ihre Verwendung im Philalethes hinaus sind erstaunlich gering.
Obwohl Hespel jeder Möglichkeit gewissenhaft nachgeht, ist das Ergebnis
doch „praktisdi negativ".

Aus dem philologischen Teil der Einleitung sind besonders wertvoll
die Übersetzungsbeispiele und eine Liste von umschreibenden sy-
risdien Ausdrücken für griechische Komposita. Sie sind ein gutes Hilfsmittel
für das Verständnis syrisch erhaltener Severus-Texte, zeigen aber
auch, wie genau sich der Übersetzer an sein Vorbild hielt. Eine Tabelle
über die Herkunft der Zitate erleichtert die Übersicht über den Text.

Wie die Lektüre der Texte ergibt, vertreten sie theologisch
gesehen das, was man unter „Chalcedonisme stricte" (M. Richard,
Ch. Moeller) im Gegensatz zum später entstandenen Neuchalke-
donismus versteht, also Kyrill ohne die Anathematismen und
ohne die apollinaristischen Formeln. Der Ton liegt daher auf der
Unterscheidung (nicht Trennung) der Naturen, auf der Abwehr
einer Verwandlung des Logos, auf der Herausstellung der Seele
Christi als „theologischer Größe". Es ist ja die bekannte Schwierigkeit
der Kyrill-Interpretation, daß der alexandrinische Patriarch
sich je nach Gelegenheit und Adressaten einer verschiedenen
Terminologie bedienen konnte. Dabei sollte man nicht vergessen,
daß für dieses Faktum auch die diplomatische Gewandtheit des
Kirchenfürsten in Rechnung zu ziehen ist. Trotzdem hat man zu
fragen, wieso Kyrill, dem es gelungen war, auf seiner athanasia-
nischen Grundlage eine den fortgeschrittenen theologischen Erfordernissen
angepaßte Christologie zu entwickeln, damit doch
wieder apollinaristische Formeln vereinigen konnte. A. Grillmeier
hat in seiner großen Abhandlung „Die theologische und
sprachliche Vorbereitung der christologischen Formel von Chalkedon
" (in: Das Konzil von Chalkedon Bd. I) darauf aufmerksam
gemacht (p. 173 f.), daß die beibehaltenen Beziehungen Kyrills
zur Logos-Sarx-Christologie sich nicht nur in der Übernahme
der apollinaristischen Formeln äußerten, sondern u. a. auch in der
Lehre von der ^ojojiolfjaig, die bei Kyrill (im Gegensatz zu Apollinaris
) „nur im übernatürlichen Lebensbereich des Gottmenschen
Geltung" hat.

Dem ist noch hinzuzufügen, daß der Begriff der ^wonohjoig
für Kyrill christologisch deswegen wichtig ist, weil sein eanzes
soteriologisches Interesse an ihm hängt. In der kvodois
qxoowr macht der lebenspendende Logos die odo^ ebenfalls lebenspendend
- Diese? omua ^monoiov, da<=a(~>ßa i'diov des Lo>?os,
gibt als eucharistische Speise das unsterbliche Leben und garantiert
damit unsere Erlösung. Es ist das Verdienst von H. Chadwick
, auf diese wichtige Beziehung zwischen Christologie und
Eucharistie bei Kyrill hingewiesen zu haben (Journ. of Theol.
Studies N. S. vol. II, p. 145—164). Jedenfalls ist von hier aus die
Übernahme derßta-qpvaig-Votmtl sehr verständlich; gleichzeitig
konnte Kyrill auch einer genauen Unterscheidung der Naturen
zustimmen, sofern sie nicht die lebenspendende Wirkung des eu-
charistischen Leibes des Logos in Frage stellte.

Der Begriff ^moTioirjaig selber findet sich nicht in unserem
Florileg, wohl aber das Adjektiv ^coojioiog und das Verb Ccoonoi-
ovv. Die Stellen sind mit Hilfe des Index leicht zu finden. Der
Gebrauch eines dieser Worte im typisch kyrillischen Zusammenhang
kann die ganze Logos-Mensch-Christologie und damit den
oben erwähnten theologischen Fortschritt wieder erschüttern. Man
lese nur das Zitat aus der Erklärung des 7. Anathematismus aus