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Ausgabe:

1956 Nr. 1

Spalte:

54-57

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Winter, Eduard

Titel/Untertitel:

Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde im 18. Jahrhundert 1956

Rezensent:

Onasch, Konrad

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53 Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 1

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..die Scheiden, darin das Messer des Geistes steckt" dürfte in
keiner Luther-Ausgabe fehlen — es würde Aland, wie die ganzen
Bände zeigen, ein Leichtes sein, aus dem Stück WA 15,
S. 36—48 das bleibend Wichtige zu einem lesbaren Texte zusammenzustellen
. (Wie ich inzwischen von K.Aland erfahre, fehlt
das Stück über die Sprachen mit Absicht in diesem Bande. Es soll
in der 2. Auflage des Bandes 5 [Schriftauslegung] gebracht werden
, wo es den Zusammenhang besser abrunde.) — Den Schriften
über die Schule folgen die „Von Kaufshandlung und Wucher"
sowie „Vom ehelichen Leben". Am Schlüsse des Bandes steht,
etwas gekürzt, die Auslegung des 118. Psalms — zunächst überraschend
, aber der Herausgeber hat es verstanden, dafür, daß die
Auslegung nicht im Bande 5, sondern hier gebracht wird, über
eine äußere Begründung hinaus auch eine sachliche zu geben, gegen
die man nichts sagen kann.

Die Schrift „An die Ratsherren . . ." wird im Inhaltsverzeichnis und
auf S. 187 fälschlich in das Jahr 1 530 versetzt; S. 342 steht das
Richtige.

Band 8 ist betitelt „Die Predigten". Aland versucht das
Problem, in einem Bande von gut 300 Textseiten einen Eindruck
von Luthers Predigten zu geben, auf eine eigene Weise zu lösen.
Er hat für jeden Sonntag des Kirchenjahrs eine, für die Festtage
zwei Predigten über eine der alten, z. T. auch der neuen Periko-
pen ausgewählt und so etwas wie eine das ganze Kirchenjahr umfassende
Postille geschaffen; und zwar in der Weise, daß er in
mühsamer Arbeit aus den überlieferten Predigten Luthers zu den
betr. Texten stark kürzend einen knappen Gedankengang von je
3 bis höchstens 6 Seiten (einschl. des jedesmal mit abgedruckten
Textes) herstellte, zum Teil aus den überlieferten Nachschriften,
zum Teil aus den Drucken, gelegentlich aus mehreren Predigten
Luthers über den jeweiligen Text. Es handelt sich also um Exzerpte
aus den Predigten: Abschnitte, ja oft einzelne Sätze, die
in den überlieferten Texten weit voneinander stehen, werden zu
einer Kurzpredigt zusammengestellt; Satzbau und Wortlaut sind
dabei entsprechend den Grundsätzen der ganzen Ausgabe, weithin
frei gestaltet, zuweilen geradezu als Paraphrase. Dem entspricht
es, daß in diesem Bande zwar, wie in den übrigen, für jede
Predigt die Quelle und ihr Fundort in der WA nachgewiesen, aber
keine Rechenschaft über die ausgelassenen Stellen gegeben wird.
Der Herausgeber hat eben nicht, wie bei den Schriften Luthers,
dieses und jenes fortgelassen, sondern umgekehrt diesen und jenen
Abschnitt, ja diesen und jenen Satz ausgewählt, — das im Einzelnen
nachzuweisen, hätte einen viel zu großen Apparat bedeutet
. Aland hat bei diesem Bande auch an die Verwendung für
Hausandachten und Lesegottesdienste sowie für die Predigtvorbereitung
des Pfarrers gedacht. Dazu ist er sicher geeignet. Aber
das ist nicht sein Hauptzweck, vielmehr soll er Luther als Prediger
in einer den Menschen von heute anfassenden Gestalt zeigen.
Diesem Zweck aber scheint mir der Band 8 nicht in dem erwünschten
Maße zu dienen. Der Leser bekommt noch einmal,
neben dem was schon die anderen Bände und vor allem Band 5
bieten, einen Eindruck von Luthers Schriftauslegung-
Aber den Prediger Luther in der Bewegtheit und Eindringlichkeit
seiner lebendigen Rede hört er bei dem in diesem Bande
geübten Verfahren nicht. Dieses fällt, wie ich finde, auch aus dem
Stil

der Gesamtausgabe heraus. Warum werden nicht doch weniger
, aber — mit bescheidenen Kürzungen — ganze Predigten
geboten, die für Luthers Predigtweisc besonders bezeichnend sind,
darunter ruhig auch eine Reihe wie die gewaltigen Predigten über
1-Kor. 15 — wenn Aland das nicht gewollt hat, weil das nur
einen ..Beitrag zur Schriftauslegung Luthers" gegeben hätte,
so ist diese Begründung gerade im Blicke auf die ebensenannte
Reihe nicht stichhaltig; vielmehr, was A. vermeiden wollte, eben
das gilt nun von Band 8: was er bietet, sind — wie schon gesagt
~ in der Hauptsache weitere, an sich willkommene Proben von
Luthers Schriftauslegung, aber kein Bild des Predigers Luther,
etwa auch seiner Kunst, zu dem gemeinen Mann zu reden. So
hat dieser Band mich nicht überzeugt. Ich möchte raten, ihn bei
einer Neu-Auflage völlig umzugestalten.

Der genaue Vergleich mit den in WA dargebotenen Texten, den
ich mit einigen Stichproben angestellt habe, bestärkt in diesem Urteil.
Die gut 2 Seiten, die S. 249 ff. als Predigt Luthers zum 11. Sonntage
nach Trinitatis über I.Kor. 15, 1 — 10 bringen, sind aus rund 40 Seiten
der WA komponiert! (Warum ist S. 251, Z. 2 f. Crucigers Text „nicht

wert, ein Apostel, j a ein Christ zu heißen" in „ein Apostel und ein
Uuirt zu heißen" geändert?). Bei der Predigt zum 8. Sonntage nach
lnnitatis über Rom. 8, 12-17 (S. 240 ff.) sind einige Auslassungen verwunderlich
und verletzen den Zusammenhang des Ganzen. Luther folgt
hier genau den einzelnen Sätzen des Apostels. Dann durfte aber WA 22,
133, l ff. die Auslegung von „so werdet ihr sterben müssen" nicht ganz
ubergangen werden. Ferner: warum ist S. 241, Z. 14 bei Luthers Auslegung
dessen, was „Fleisch" heißt, gerade der für seine Theologie so
bezeichnende Schluß („hingehen in Unglauben, Abgötterei, Verachtung
des Wortes Gottes, Vermessenheit und Trotz auf Weisheit, Gewalt,
ihre etc." WA 22, 133, 35 ff.) fortgelassen? - Das „darum", mit dem
der 2. Absatz auf S. 241 beginnt, hat seinen Grund verloren, weil das
bei Luther Vorangehende (WA 22, 134, 3 ff.) ganz draußen geblieben
ist, nämlich die dauernde Anfechtung. Auf S. 242 ist das „N u n spricht
er . . .", mit dem der letzte Absatz beginnt, in seinem Lutherschen Sinne
gar nicht zu verstehen ohne die bei Luther (WA 22, 139, 28 ff.) vorangehenden
beiden Sätze; das „Nun" hat den Sinn eines „in Wirklichkeit
": wir müßten und würden schon froh sein, wenn wir nur
Knechte Gottes sein sollten — „nun" aber sagt Gott, daß wir
nicht Knechte und Mägde, sondern Söhne, Töchter, Erben sein sollen.
Dieser logische Sinn des „nun" geht verloren.

Eine formale Kleinigkeit: die beiden Seitentitel auf S. 339 und
341 lauten „und Anmerkungen"; das entspricht den übrigen Bänden.
Aber Band 8 gibt nur ein Nachwort und keine Anmerkungen, sondern
einen „Quellennachweis".

Schließlich sei noch erwähnt, daß Band 9 (Die Tischreden)
195 3 schon die zweite Auflage erlebt hat und auch in einer Sonderausgabe
erschienen ist (DM 6.—). An wenigen Stellen sind
Änderungen vorgenommen, einige kleine Fehler der Erstausgabe
(vgl. ThLZ 1949, Sp. 5 47 f.) berichtigt worden (außer der zu beanstandenden
Überschrift zu Nr. 43 8).

Nimmt man die 4 neuen Bände im Ganzen, so bestätigen sie
den schon bei den früheren gewonnenen Eindruck, daß Alands
Luther-Ausgabe ihrer Absicht, „allen Menschen der Gegenwart,
denen der Name Luthers etwas bedeutet" das „Bleibende und
Zeitlose aus seinem Gesamtwerk" in einer uns heute ohne weiteres
verständlichen Form darzubieten, in hohem Maße gerecht
wird. Das gilt von der Auswahl, aufs Ganze gesehen auch von der
Bearbeitung der Texte, und nicht zuletzt von den ausgezeichnet
orientierenden Nachworten und den hilfreichen Anmerkungen. So
können wir uns dieser neuen Luther-Ausgabe nur herzlich freuen
und dem Herrn Herausgeber die Kraft zu einer glücklichen Vollendung
wünschen.

Erlangen _ Paul AI (haus

Duval, A., W a 11 y, J.-N.: Bulletin d'histoire des doctrines chre-
tiennes.

Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques 39, 1955 S. 484
bis 536.

J e d i n, Hubert: Das Konzilstagebuch des Bischofs Julius Pflug von
Naumburg 1551/52.

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L i 1 j e, Hanns: Randbemerkungen zu Luthers Verständnis der Apokalypse
.

Luther. Mitteilungen der Luthergesellschaft 1955 S. 71—76.
Q u i r i n g, Horst: Sozialethik der Schwärmer und Täufer.

Mennonitische Geschichtsblätter 12, 1954 S. 47—48.
Stupperich, Robert: Die Frau in der Publizistik der Reformation.

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T h u 1 i n, Oskar: Um Cranachs Künstlertum und Persönlichkeit.

Luther. Mitteilungen der Luthergesellschaft 1955 S. 87—95.
Wittenberg, Martin: Luthers Stellung zu den Juden und der

Dienst der lutherischen Kirche an Israel.

Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung 15, 1953 S. 1—8.

KIRCH EIS KUNDE: OSTKIRCHE

Winter, Eduard: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Rußlandkunde
im 18. Jahrhundert. Berlin: Akademie-Verlag 19 53. VII, 502 S.,
1 Tab. gr. 8° = Deutsche Akademie d. Wiss. zu Berlin. Vcröff. d.
Instituts für Slawistik, hrsg. v. H. H. Bielfeldt, Nr. 2. DM 32.—.

In der Einleitung arbeitet W. die wirtschaftlichen, gesellschaftspolitischen
und geistigen Voraussetzungen des Halleschen
Pietismus heraus: Die Wiederbelebung des Bergbaus, die Neueinrichtung
von Manufakturen und der damit zusammenhängende
Handel begünstigten den beginnenden Kapitalismus. ..Francke