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Ausgabe:

1956 Nr. 1

Spalte:

51-54

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Luther, Martin

Titel/Untertitel:

Luther deutsch ; Bde. 5-8 1956

Rezensent:

Althaus, Paul

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 1

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starken Bindung an bestimmte dogmatische Voraussetzungen
(Barth!) zu suchen sein.

2. Es wäre zu fragen, ob K. nicht Luther manchmal doch
etwas verzeichnet. Seine Sympathie gehört ja ohne Zweifel Calvin
, der den Maßstab für alle Urteile abgibt. Das ist das gute
Recht jedes Calvinisten. Aber die Arbeit leidet etwas unter einem
gewissen Schematismus: Bei Luther lassen sich gute und richtige
Ansätze erkennen, bei Melanchthon findet sich dann ein Zurückgleiten
in die Scholastik, und bei Calvin ist dann die richtige Lösung
des Problems vorhanden. Ich habe das etwas scharf pointiert
ausgedrückt, aber es sei doch als Warnung den zukünftigen Benutzern
des Buches gesagt!

3. Ein Problem kommt meines Erachtens zu kurz: Das Verhältnis
der Scholastik zur Patristik. Gewiß hätte das den Rahmen
der Arbeit von K. vielleicht gesprengt. Aber man muß doch wohl
auch diese Frage im Auge behalten, wenn man nach dem Verhältnis
der Reformation zum altkirchlichen Dogma fragt. Denn
dieses Dogma ist ja weitgehend durch Vermittlung der Scholastik
zu den Reformatoren gelangt. D. h. es müßte die dogmengeschichtliche
Tradition durch die Jahrhunderte hindurch stärker berücksichtigt
werden, als es bei K. geschieht, der ja weitgehend
nur Luther und Calvin mit den festen dogmatischen Formeln und
Aussagen der Alten Kirche konfrontiert.

Man wird nun, nach diesem ersten Versuch einer Übersicht
über das ganze Problem, an die Einzelarbeit herangehen müssen.
Es wird dabei darauf ankommen, nicht nur die einzelnen Reformatoren
für sich noch einmal gründlich zu befragen, sondern auch
die Interpretation einzelner Kirchenväter und einzelner Dogmen
bei ihnen genauer zu untersuchen, um so den Fragenkomplex
wirklich zu durchleuchten. Daß dabei z. B. die humanistische Tradition
bei Calvin stärker als bei K. zu beachten sein wird, sei
unterstrichen. Die Arbeit von K. wird dabei wertvolle Dienste
leisten und manchen Hinweis vermitteln. Man wünscht ihr jedenfalls
fleißige Benutzer und freut sich, daß es gelungen ist, sie in
Deutschland nun vorzulegen. Die Wirkung, auch auf die her-
meneutische Debatte, wird nicht ausbleiben.

Eine besondere Erwähnung verdient die ausgezeichnete Übersetzung
durch H. Quistorp, der den Text wirklich in gutes
Deutsch übertragen hat. Daß das Buch kein Register hat, ist allerdings
ein schwer erträglicher Mangel.

Bonn W. Schneernelcher

Luther, Martin: Die Schriftauslegung. — Kirche und Gemeinde. —
Der Christ in der Welt. — Die Predigten. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
(Lizenzausgabe Leopold Klotz, Gotha) [1951, 1952, 1954,
1955]. 367, 325, 352, 362 S. kl. 8° = Luther Deutsch. Die Werke
Martin Luthers in neuer Auswahl für die Gegenwart hrsg. von
Kurt Aland. Bd. 5, 6, 7, 8. Hlw. DM 6.85; 6.-; 7.—; 6.80.

Seit der Besprechung von Band 3 und 4 dieser Luther-Ausgabe
(ThLZ 1951, Sp. 48 f.) sind 4 weitere Bände erschienen. Aufbau
und Ausstattung sind die gleichen geblieben. Band 5 stellt
wichtige Texte unter dem Titel „Die Schriftauslegung" zusammen.
Da Schriftauslegungen Luthers auch in manchem der anderen
Bände stehen, soll dieser Band in erster Linie solche Schriften
Luthers bieten, „welche Grundsätzliches zur Schriftauslegung enthalten
und Anleitung zum Verständnis der Schrift geben" (S. 7).
So bringt der Band zunächst aus den Vorreden Luthers zu biblischen
Büchern die 9 wichtigsten (darunter mit Recht beide Vorreden
zur Offenbarung Johannes, die von 1522 und die von 1530;
bei der Vorrede zum Jakobusbriefe werden die späteren Milderungen
in den Anmerkungen angegeben). Es folgen der „Sendbrief
vom Dolmetschen", „Eine Unterrichtung, wie sich die Christen
in Mose schicken sollen", die Auslegung der sieben Bußpsalmen
von 1525, die Summarien über die Psalmen und Ursachen des Dolmetschens
, Ein kleiner Unterricht, was man in den Evangelien suchen
und erwarten solle, die beiden Vaterunserauslegungen von
15 19 und schließlich aus der in WA 48 wiedergegebenen Sammlung
von kurzen Spruchauslegungen, in Bibeln eingetragen, 35
(von den 297 der WA, jeweils mit den Nummern der WA am
Rande), unter dem Titel der ersten von Rörer stammenden Sammlung
„Auslegung vieler schöner Sprüche göttlicher Schrift. . .".
Diese Auswahl scheint mir glücklich zu sein. Natürlich könnte

die eine oder andere der in diesem Bande neben den grundsätzlichen
hermeneutischen Texten gebotenen Auslegungen einzelner
Schriftstellen ebensogut in einem der anderen Bände stehen, z. B.
die Auslegungen des Vaterunsers in Band 6, neben dem Kleinen
Katechismus. Aber die Themen, unter denen die einzelnen Bände
stehen, lassen sich überhaupt nicht ganz scharf gegeneinander abgrenzen
. Man kann daher nichts dagegen einwenden, daß die
Aufnahme oder Nichtaufnahme einer Schrift in einen Band auch
durch ökonomische Rücksichten auf den Umfang der Bände mitbedingt
wird.

Band 6, betitelt „Kirche und Gemeinde", setzt sich aus 4
Gruppen von Schriften zusammen. Die erste bringt Schriften, die
grundsätzlich das Wesen der Kirche und Gemeinde behandeln,
ihre Leitung und ihre Ämter (hier u. a., natürlich gekürzt, „Von
den Konzilien und der Kirche", „Daß eine christliche Versammlung
oder Gemeinde Recht und Macht habe . . .", die Vorrede zum
Unterricht der Visitatoren). Die Kürzungen in dieser Gruppe,
vor allem in der ersten Schrift, betreffen in der Hauptsache die
polemischen Abschnitte. Aber Aland hat diese zwar gekürzt, doch
mit Recht nicht ganz fortgelassen, einmal „um der historischen
Wahrheit", dann aber auch „um unserer heutigen Notwendigkeit
willen" — „unsere Zeit bedarf des Bewußtseins dieser Grenzziehung
— gegen die katholische Kirche wie gegen die Sekten —
durchaus" (S. 7). — Die zweite Gruppe gilt dem Gottesdienst und
den kirchlichen Handlungen (hier also neben den liturgischen
Schriften auch der Kleine Katechismus, Tauf- und Traubüchlein
und — was ich besonders begrüße — Luthers herrliche Vorrede zu
dem Begräbnisliederbuch von 1542 (diese Jahreszahl fehlt im Inhaltsverzeichnis
von Band 6 versehentlich). Eine dritte Gruppe
betrifft das tägliche Leben des Christen (hier u. a. „Die Summe
des christlichen Lebens", die „Einfältige Weise zu beten" und
„Ob man vor dem Sterben fliehen möge"). An vierter Stelle endlich
bringt der Band die geistlichen Lieder Luthers, und zwar vollständig
, in sachlicher Anordnung entsprechend dem Klugschen und
dem Bapstschen Gesangbuche von 1543 und 1545, samt den Gebeten
, die in den erwähnten Ausgaben hinter einigen Liedern
stehen. Selbstverständlich konnten die Lieder nicht, wie die anderen
Luther-Texte dieser Ausgabe, in heutiges Deutsch übertragen
werden; sie erscheinen in ihrer originalen Gestalt, nur
mit orthographischer Angleichung an den heutigen Sprachgebrauch
. Diesen Lieder-Teil des Bandes hat der Herausgeber
offenbar mit besonderer Liebe betreut: Nachwort und Anmerkungen
umfassen fast genau so viele Seiten wie die Bemerkungen
zu den drei anderen Teilen des Bandes zusammen, obgleich die
Textseiten der Lieder nur ein Viertel des Vorangehenden ausmachen
. Jedes Lied bekommt ein eigenes kürzeres oder längeres
Nachwort; die Anmerkungen übersetzen uns fremd gewordene
Wörter oder Wendungen des Luthertextes in die moderne
Sprache. Ein Anhang zu dem ganzen Lieder-Teil vergleicht die
Wiedergabe der Lieder Luthers im Evangelischen Kirchengesangbuch
.

An kleinen Fehlern ist mir in diesem Bande aufgefallen: auf S. 299
sind Z. 27 und 28 zu vertauschen; S. 312, Z. 20 ist das „allerdings"
(s. schon zwei Zeilen vorher) zu streichen; in Zeile 9 v.u. ist wohl
statt „es" vielmehr „er" zu lesen.

Band 7, unter dem Titel „Der Christ in der Welt", bietet
zunächst Luthers „politische" Schriften: „Von weltlicher Obrigkeit
" kaum gekürzt, die Schriften zum Bauernkriege ohne jede
Kürzung, „Ob Kriegsleute . . .", an mehreren Stellen, die Türkenschriften
von 1529 und 1530 stark gekürzt. Der vollständige
bzw. fast vollständige Abdruck der „Obrigkeit", der „Kriegsleute
" und vor allem der Bauernschriften entspricht der Aktualität
der Fragen um Luthers politische Ethik, insbesondere seiner
Haltung im Bauernkriege. Demgemäß sind auch die Nachworte zu
den politischen Schriften besonders eingehend und gegenwartsbezogen
: sie treten der Verkennung und Verurteilung von Luthers
grundsätzlicher Stellung und praktischer Haltung durch
seine Kritiker entgegen in, wie ich glaube, sehr glücklicher, überzeugender
Weise. Den Schriften über den Staat und das Leben
in ihm folgen solche über Schule, Beruf, Ehe. Leider läßt Aland
aus der Schrift „An die Ratsherren . . ." den ganzen Abschnitt
über die Notwendigkeit des Studiums der Bibel in den Ursprachen
fort. Wenigstens die berühmte Stelle über die Sprachen als