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Ausgabe:

1956 Nr. 11

Spalte:

690-691

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Ertel, Hans

Titel/Untertitel:

Kausalität, Teleologie und Willensfreiheit als Problemkomplex der Naturphilosophie 1956

Rezensent:

Wenzl, Aloys

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 11

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griffsfeindlich, (3 5) existentiell (36) und ganzheitlidi. (37) Das Symbol
wird mit dem Mythus verbunden. (3 8) — Nach dieser Begriffsbestimmung
stellt der Verf. an einer Reihe von Beispielen den modernen Symbolbegriff
dar und beurteilt ihn kurz. Wir greifen das Wichtigste heraus
: Bei E. Cassirer ist das Symbol das Ineinander von Immanenz und
Transzendenz. Ein überanschaulicher Gehalt äußert sich in anschaulicher
Form. Das Analogische entfällt. (41) Bei Fr. Weinhandl hat das Symbol
transzendenten Gehalt, (45) es sagt uns, was wir von Transzendenten
mindestens erwarten dürfen. (47) Kriterium der Symbolschau ist die
Höhe bestimmter Werterfahrung. (50) Bei P. Tillich hat das Symbol die
Merkmale der Uneigentlichkeit, Anschaulichkeit, Selbstmächtigkeit (53)
und Anerkanntheit. Es ist nicht gegenständlich fundiert, sondern veranschaulicht
das Transzendente. Es gibt Gegenstands- (54) und Hinweissymbole
. (56) Im Symbol offenbart sich das Absolute. (62) T. bejaht die
analogia entis. Man kann über Gott nur symbolisch reden. (64) K. Leese
spielt das Symbol gegen das Dogma aus. Das Symbol hat Seinsmächtigkeit
, ist Ausdruck der Offenbarungs-Dialektik. (68/69) Das Symbol überführt
innerlich, das ist sein Kriterium. Es setzt die analogia entis und
einen Rest der imago dei voraus. (70) Für F. Medicus fallen Symbol und
Mythus ineinander. Seiner Symboldialektik fehlt der Entscheidungscharakter
. (74/76) Die Berneuchener beschränken das ontologische Symbol
auf das Bibelwort. (77) Das Symbol wird zum Gleichnis. (80) Das begriffliche
Denken wird gering geachtet, das gegenständliche Denken abgelehnt
. (83) Bei K. Plachte ist das Symbol die synthetische Einheit von
Sinnlichem und Geistigem. Die Geschichte ist der Kampf zwischen dem
Symbol und dem Idol. (97) Das religiöse Symbol ist an die Erfahrung
gebunden. Das Transzendente ist keine gegenständliche Überwirklichkeit
, es gibt nur eine existentielle Glaubenshaltung, keinen Gegenstand
des Glaubens. (103) Fr. Brunstäd und H. Schreiner verbinden das Symbol
mit der lutherischen Sakramentslehre und dem Christusgeschehen.
(Ill/l2) Das Symbol ist GeWährungssymbol. K.Jaspers sieht im Symbol
eine Chiffer, die vernommen, aber nicht erkannt wird. Jede Fixierung
wird abgelehnt. (116 f.) R.Guardini verbindet das Symbol mit der
katholischen Liturgie, sein Symbolbegriff ist dogmatisch und undialektisch
. (126 f.) L. Ziegler sieht im Symbol ein urtümliches Bild, dessen
Deutung der Mythus ist. (139) Er lehnt die Reduktion auf das Bibel wort
ab. (141) — Dies in kurzen Zügen die Darstellung, die der Verf. uns
gibt. Sie ist kurz, prägnant und reich mit Zitaten versehen. Und nun die
systematische Kritik und Beurteilung der Symboltheorien, die der Verf.
uns bietet. Sie ist besonnen, maßvoll und u. E. meist treffend. Schon
der darstellende Teil enthält eigene Stellungnahmen. Fr. Weinhandl
wird entgegengehalten, daß das innere Erleben kein Kriterium ist, zum
formalen Kriterium muß ein materiales hinzukommen, das den transzendenten
Gehalt des Symbols erfaßt. (51) Tillich verwechselt den religiösen
mit dem religions-philosophischen Akt, die negative Dialektik
gehört immer nur der philosophischen Religion an. (61) Seinem existentiellen
Wahrheitsbegriff fehlt jede objektive religiöse Beglaubigung. (64)
K.Leese vergißt, daß die religiöse Wertigkeit des Symbols immer ein
Wertbewußtsein voraussetzt. (71) An die Stelle des Glaubens tritt bei
ihm der religiöse Höhensinn. (72) Den Berneuchenern wird zugestanden,
daß das Bibelwort eine große Symbolkraft habe. Aber die Beschränkung
des Symbols auf das Bibelwort ist nicht begründet. (84) Jedes Symbol
fordert eine Interpretation. Hier aber wird auf den Logos und auf den
dogmatischen Wahrheitsbeweis naiv verzichtet. (8 5 f.) K. Plachtes Kritik
an Tillich wird als unsachlich zurückgewiesen. (99 f.) Plachte fordert zwar
neue Denkmittel für das Objektive in der Religion, vermag aber die
religiöse Erfahrung nicht objektiv zu sichern. (104 f.) Bei Fr. Brunstäd
wird der Symbolbegriff übersteigert. (113) K.Jaspers' Symbolbegriff ist
akosmistisch. (123) Bei R. Guardini wird der Symbolbegriff dogmatisch
überfordert. (134) L. Ziegler scheitert als romantischer Lebensphilosoph
an der Wahrheitsfrage! (145)

Noch einschneidender ist die Beurteilung im systematischen Teil.
Der Verf. deckt die methodische Schwäche der neureformatorischen
Theologie auf und gibt darin Tillich Recht. (153 f.) Er deckt aber auch
die Gemeinsamkeit zwischen den beiden Theologien auf: Beide denken
existentiell, behaupten den Ereignischarakter der Offenbarung, haben
keinen objektiven Maßstab der Begründung. (155 f.) Beide verkennen die
geschichtliche Kontinuität des christlichen Glaubens und seinen Gehalt
an religiösen Wahrheiten. (159) Beide stehen in Front gegen den Idealismus
und vertreten eine Assoziationssymbolik. (161) Positiv betont der
Verf., daß das Symbol ein Lebenselement der Religion sei. Vor dem
Transzendenten werden alle unsere Begriffe antinomisch, darum sind alle
positiven religiösen Aussagen Symbole. (167. 173) Alle religiöse und
spekulative Gotteserkenntnis ist symbolisch. (174) Verf. sieht keinen
unbedingten Gegensatz zwischen dem Symboldenken der Moderne und
dem katholischen Analogiedenken. (176 f.) Das Symboldenken führt
nicht zur Skepsis, sondern ist die rechte Mitte zwischen Skepsis und
Dogmatismus. (183) Der Verstand vermag zwar jedes Symbol leicht zu
zersetzen, aber die religiöse Symbolik wurzelt eben in der religiösen
Erfahrung. (193 f.) -

Die Studie ist jedem, der über die methodologischen und
erkenntnistheoretischen Voraussetzungen der Theologie und Religionsphilosophie
nachdenken will, warm zu empfehlen. In verwickelte
Probleme wird Licht gebracht, erstarrte Fronten werden
aufgelockert, neue Perspektiven werden gezeigt. Zum Schluß
möchte Rz., der dem Verf. im übrigen zu Dank verpflichtet ist,
ein Bedenken vorbringen. Der Verf. betont wiederholt die Notwendigkeit
eines gegenständlichen Denkens und einer objektiven
Begründung der Religion. Zum Schluß aber beruft er sich doch
wieder auf die religiöse Erfahrung (194). Ist die religiöse Erfahrung
nicht auch etwas bloß Subjektives? Verf. zitiert dankenswerter
Weise den Dogmatiker Lipsius. Aber dieseT war Kantianer
und hat die Subjektivität doch nicht überwinden können. Hätte
nicht der Antipode von Lipsius, der Dogmatiker A. E. Biedermann,
den Verf. weiter führen können? Die Antwort auf die letzte erkenntnistheoretische
Frage, wie denn das ontologische Symbol
objektiv begründet werden kann, worin also das Wahrheitskriterium
besteht, bleibt uns auch diese Arbeit schuldig. U. E. kann
diese Antwort mit Hilfe des bloßen Symboldenkens überhaupt
nicht gegeben werden. Es ist aber schon ein großes Verdienst,
daß diese Arbeit die Unzulänglichkeit des bloß existentiellen,
nicht-gegenständlichen Denkens in Theologie und Philosophie
klar aufzeigt.

Derben/Elbe Erik Schmidt

Ertel, Hans: Kausalität, Teleologie und Willensfreiheit als Problemkomplex
der Naturphilosophie. Berlin: Akad emie-Verlag 19 54. 29 S.
8 = Sitzungsberichte der Dt. Akad. d. Wiss. zu Berlin, Klasse für
Mathematik und allgem. Naturwissenschaften. Jahrg. 1954. Nr. 1.
DM 1.70.

Anhand einer großen Reihe von Zitaten kennzeichnet H.
E r t e 1 einleitend die gegenwärtige Situation des Problemkomplexes
, der die moderne Physik, die Philosophie des Organischen
und die Psychologie durchzieht. Zur Zeit scheine sich wieder
eine Stärkung der Position des Determinismus in der Physik
und des Physizismus in der Biologie anzubahnen. E. will nun
zeigen, daß die Probleme der Teleologie und der Willensfreiheit
sich auf das Problem der Kausalstruktur der Welt zurückführen
lassen. Er setzt „also voraus, daß die Welt ein kausal funktionierendes
System darstellt", dessen Zustand je „durch eine endliche
Menge von Parametern beschreibbar" sei. Er zerlegt nun diese Welt
in ein Partialsystem und Restsystem, die aber in Wirklichkeit nie
völlig voneinander unabhängig seien. Wenn aber durchgängiger
Zusammenhang besteht, so ist zu unterscheiden 1. der Fall, in
dem ein Endzustand eines Teilgebiets nicht durch seinen Anfangszustand
allein, sodern auch durch die Anfangswerte der Parameter
der ganzen Welt determiniert ist; 2. der Fall, in dem der Folgezustand
des Partialsystems beschrieben werden könne als determiniert
nicht nur durch seinen Anfangszustand allein, sondern in
Verbindung mit den Parametern des Folgezustands der Umgebung
. Das entspreche der teleologischen Betrachtung einer Zu-
standsänderung des Partialsystems, sei aber nur eine andere Betrachtungsweise
der Kausalstruktur des Ganzen; 3. „Identifizieren
wir das Partialsystem mit einer menschlichen Person", so
ist der Endzustand des Restsystems, der Umwelt, nicht allein
durch deren Anfangszustand bedingt, sondern auch durch den
Endzustand des Partialsystems, nämlich der Person nach einer
vollzogenen Handlung. „Eine Philosophie, welche die Welt als
ein durchgängig determiniertes zusammenhängendes System behandelt
, müsse also keineswegs zu einem das menschliche Handeln
lähmenden Fatalismus führen." „Diesbezügliche Bedenken
(G. A. Wetter) dürften .. . (dadurch) gegenstandslos geworden
sein, zumal eine These des dialektischen Materialismus, daß ,keine
einzige Erscheinung in der Natur begriffen werden kann, wenn sie
isoliert, außerhalb des Zusammenhangs mit den sie umgebenden
Erscheinungen genommen wird' (Stalin), mit unserer Ablehnung
isolierter Systeme übereinstimmt." Einwand: Der zitierten Sta-
linschen These werden gewiß auch die Nicht-Anhänger des dialektischen
Materialismus zustimmen. Aber wenn der Endzustand
der Umwelt gerade erst durch unsere vollzogene Handlung mit
determiniert wird, so bleibt offen, ob diese Handlung selbst auf
Grund einer freien verantwortlichen Entscheidung, so wie wir sie
erleben, vollzogen wird, oder ob sie selbst wieder determiniert
ist durch die Anfangsbedingungen, unter denen wir stehen und
durch die Einflüsse der Welt außer uns. Wenn die als willensfrei