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Ausgabe:

1956 Nr. 11

Spalte:

682-684

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Lohse, Bernhard

Titel/Untertitel:

Das Passafest der Quartadecimaner 1956

Rezensent:

Kuhn, Karl Georg

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681 Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 11 682

ragenden Kenners der patristischen und spez. der byzantinisch-
morgenländischen Quellen lag, dessen Tod für die Wissenschaft
einen außerordentlich zu beklagenden Verlust bedeutet. Sie lassen
gleichzeitig durch ihre Ergebnisse im Leser die Überzeugung
reifen, daß eine Prosopographie der griechischen Patristik, wie sie
bereits von Adolf Jülicher in Angriff genommen war, später aber
aufgegeben wurde (vgl. Hans Lietzmann in seinem Jülicher-Nachruf
ZNW 35 (1936) S. 293), trotz aller obwaltenden Schwierigkeiten
nach wie vor ein Desideratum der Forschung bleibt.

Es ist durch den Forschungsgegenstand selbst begründet, daß
die 25 Beiträge spezielle Fragen prosopographischer Problematik
behandeln, die ein weiteres Interesse kaum beanspruchen können,
auch wenn der Verfasser gerade hier seine minutiöse Quellenkenntnisse
unter Beweis stellen kann. Einzelne Beispiele zeigen
jedoch, wie aus solcher Kleinarbeit an detaillierten Themen auch
für die großen Themen der Forschung Erkenntnisse gewonnen
werden können, die von allgemeinem Interesse sind. Diese Beiträge
seien daher hier kurz vermerkt.

Der Aufsatz „Basileus of Amasea" (S. 6—27) bietet einen beachtenswerten
Beitrag zur Konstantiiiforschung. Er lenkt die
Aufmerksamkeit auf die Vorgänge im Osten während der Jahre 314
bis 324, als Konstantin und Licinius miteinander um die Vorherrschaft
im Reich rivalisierten. Die Motive der antichristlichen Religionspolitik
, die Licinius seit 321 innerhalb seines Gebietsbereiches verfolgte
, sind nach H. in erster Linie politischer Natur gewesen. Er hatte
es den Christen nicht verziehen, daß durch ihre Vermittlung Konstantin
im Jahre 314 Beziehungen mit Thiridates von Armenien anknüpfen
konnte und so an der Ostgrenze des Reiches einen Bundesgenossen besaß
, der schon durch seine Existenz eine Bedrohung für Licinius darstellte
. Das Martyrium des Bischofs Basilius von Apameia, das in das
Jahr 319 fällt, stellt daher mehr einen politischen Racheakt dar.

Zu Fragen der athanasianischen Textüberlieferung
, spez. der Stelle Hist. Arian. 5, nimmt das Kapitel „Cymatius
von Gabala" (S. 36—3g) Stellung. Während Opitz in seiner Textbearbeitung
den hier genannten „anderen Kymatios" mit dem in De fuga 3
erwähnten Karterios identifiziert hatte, schlägt H. auf Grund einer Mar-
ginalnotiz zur Chronik des Hieronymus (Helm 242,20-33 bzw. 757)
den Bischof Kymatios von Gabala vor. Er rekonstruiert die^umstrittene
Stelle wie folgt: xal Kv(iäxio<; 6 er nälxm xal Kvfiänos extgos 6 iv
<.raßäkotq xal Kagxegio; 6 er 'Av> xagäSrp, xal 6 ev /af» 'Aaxxhxäf
xxX. Die Marginalnotiz bei Hieronymus vermittelt uns gleichzeitig
die interessante Nachricht, daß Kymatios einer der beiden Konfessoren
war, die Lucifer von Cagliari assistierten, als er 362 in Antiocheia
Paulinus zum Bischof weihte.

Der Aufsatz „Heraclidas of Nyssa" (S. 104-122) führt vielbehandelte
Probleme der H i s t o r i a L a u s i a c a des Palladius weiter.
Aufbauend auf den Forschungen von Butler und von der Tatsache, daß
vornehmlich in der von B. als „B-Familie" bezeichneten Handschriftengruppe
ein Bischof Heraclides „von Cappadocia" als Verfasser genannt
wird, ausgehend identifiziert der Verf. den bisher unbekannten Autor
mit einem Bischof Herakleides von Nyssa (431—448). Er ist sonst nur
durch eine Notiz bei Photius (cod. 52) als Verfasser zweier Briefe gegen
die Messalianer bekannt. Er erweiterte die Urform der Hist. Laus.
(= Handschriften Gruppe G von Butler) zu den sog. „metaphrastischen
Text" (Gruppe B), ohne dem Werk seinen Autornamen zu verleihen.
Er vereinigte endlich die Hist. Laus, mit der Historia monachorum; dieses
Kompilationswerk, das heute in der Handschriftengruppe A vorliegt
, trug wahrscheinlich in seinem Archetypus a bereits durch den Titel
„Paradisus Heraclidis" seinen Namen. Allerdings wagt H. in diesem
Punkte noch kein abschließendes Urteil, solange die Handschriften der
Gruppe A in ihrem griechischen Bestand nicht völlig untersucht sind.
Herakleides ist ferner jener Kompilator, der aus der Vita des Johannes
Chrysostomus, dem Dialogus de vita Joannis des Palladius, ferner aus
der Hist. Laus, sowie dank persönlicher Kenntnisse die Vita Olympiadis
verfaßte. Als Typ des „metaphrastischen Schriftsteller" ist er Symeon
Metaphrastes zur Seite zu stellen. Damit ist die These Reitzensteins,
Heraklides sei der 404 abgesetzte Bischof von Ephesus gleichen Namens
, überholt.

Der längste und vielleicht wichtigste Beitrag beschäftigt sich mit
der S i e b e n s c h 1 ä f e r 1 e g e n d e (S. 125—168). Gegenüber der
allgemeinen, zuletzt von B. Kötting, Peregrinatio religiosa (19 50)
S. 133 A. 6 vertretenen Ansicht, es handle sich um reine Legende,
kommt H. zu dem Ergebnis, daß die Legende bereits in der Mitte des
5. Jhdts. in Ephesus bekannt gewesen sein muß, was mit dem Grabungsbefund
übereinstimmt. Der kirchenhistorische Ertrag der Legende nach
H. besteht in dreierlei: 1) die Nachricht, daß das Wunder zu einem
Zeitpunkt stattfand, als unter Theodosius II. eine ungenannte Häresie
die leibliche Auferstehung leugnete, und daß der Leiter dieser Häresie
ein Bischof Theodorus von Aegaea gewesen sei, ist dahin zu präzisieren
, daß es sich um den Bischof der kilikischen Stadt Aegaeae handelt
, der aus den Akten der Ephesussynode von 449 bekannt ist. Die
Leugnung der leiblichen Auferstehung deutet auf origenistische Einflüsse
innerhalb der häretischen Gruppe. Das Wunder selbst ist eine Episode
aus einem lokalen Streit um den Origenismus, wofür wir allerdings
sonst keine Belege haben. Vielleicht hat Socrates, der in seiner Kirchengeschichte
Origenes ausgesprochen wohlwollend behandelt, diesem
„Theodorus" als Verfechter des Origenismus die zweite Ausgabe seines
Werkes gewidmet. 2) Auch Stephanus von Ephesus, sein Gegenspieler
, ist eine historische Persönlichkeit. Er hatte im April 448 ohne
kanonisch-kirchliches Verfahren seinen Vorgänger Bassianus kurzerhand
abgesetzt. Erst nach geraumer Zeit wurde die Absetzung durch einen
kaiserlichen Kommissar und durch Anerkennungsschreiben der Bischöfe
von Rom, Alexandreia und Konstantinopel bestätigt. In der Zwischenzeit
benutzte Stephanus die Entdeckung des bis dahin noch nie vorgekommenen
Wunders, um in Kleinasien seine Usurpation des Metropolitensitzes
wirkungsvoll zu legitimieren. 3) Unglücklich war nur, daß
Stephanus den Anlaß der sog. Räubersynode von 449 wählte, um das
Ereignis feiern zu lassen. Er ließ zu dem Zwecke eine Denkschrift (die
genannten Hypomnemata der Legende) verfassen, die daher auch die
Synode von 449 lobend nannte. Die spätere Verdammung des Latro-
ciniums sowie die Absetzung des Stephanus durch Chalkedon 451 führten
dann dazu, daß man hernach in der Tradition nicht nur seinen Namen
tilgte, sondern auch das Wunder in das 3. nachchr. Jahrhundert
vorverlegte.

Endlich sei noch der Aufsatz „Zacharias von Mitylene"
(S. 194—294) erwähnt. Er erhärtet gegen Ed. Schwartz die alte These
von G. Krüger, daß Zacharias Rhetor und Zacharias Scholastikus die
gleiche Persönlichkeit sind. Darnach war der Kirchenhistoriker auch Ha-
giograph (Vita Severi, Vita Jesajae) und Theologe (De opificio mundi).
Ursprünglich ein Freund des Monophysiten Severus vollzog er später eine
theologische Schwenkung und wurde orthodoxer Bischof im Sinne der
byzantinischen Hoftheologie.

Es liegt im Bestreben der ProsopogTaphie, unbekannte Namen
mit persönlichem Bios zu erfüllen, begründet, daß sie nicht
ohne das Mittel konstruierter Zusammenhänge auskommen kann.
Man wird H. das Recht der Anwendung dieser Methode nicht bestreiten
können, zumal er sich einer bemerkenswerten Zucht bei
solchen Kombinationsversuchen befleißigt. Nicht immer ist dabei
allerdings das Gesetz der „historischen Wahrscheinlichkeit" beachtet
worden.

So erscheint es mir recht zweifelhaft, daß ein um seine kanonische
Legitimität besorgter Bischof wie Stephanus von Ephesus durch die Proklamation
des Siebenschläferwunders in angebliche origenistische Streitigkeiten
seines Sprengeis eingegriffen haben soll. Das konnte doch nur
zur Folge haben, daß er zu seinen, aus rechtlichen Gründen die Bischofserhebung
bestreitenden Gegnern sich noch eine neue Oppositionsgruppe
schuf, die aus theologischen Gründen ihn bekämpfte. Außerdem wäre
das Wunder ein wenig glückliches Argument gegen ihre Anschauungen
gewesen: denn die sieben Jünglinge haben nur „geschlafen", sind aber
nicht gestorben! Sollte diese theologische Begründung des Wunders erst
innerhalb der späteren Tradition der Legende entstanden sein, als man
das Ereignis vorverlegte und bei der Verwischung der historischen Zusammenhänge
gleichzeitig einen Anlaß für das Wunder konstruieren
mußte? Für die Erhellung der Gründe, warum Stephanus das Wunder
betrieb, erscheint die Briefnotiz bei Isidor von Pelusium (ep. I, 55:
PG 78, 21 lC) historisch tragbarer zu sein, nach der damals in Ephesus
der Paganismus im Zusammenhang einer Verehrung der Gebeine der
ephesinischen Artemis wiederauflebte. Als Gegenargument gegen diesen
, übrigens bezeichnenderweise dem christlichen Märtyrerkult angeglichenen
, heidnischen Reliquicnkult ist die Sieben s c h 1 ä f e r legende
viel einsichtiger. Als Aktion gegen das Heidentum gedacht konnte der
Bischof viel eher damit rechnen, die einmütige Zustimmung bei den
Christen zu gewinnen und so seine Position zu sichern.

Doch sieht man von solchen Einzelfragen ab, so steht außer
Zweifel, daß das durch einen geographischen, einen Namens- und
Sachindex ausgestattete Werk für die Erforschung der morgenländischen
Patristik einen wichtigen Beitrag leistet.

Kicl/Marburg Carl Andresen

L o h s e, Bernhard: Das Passafest der Quartadccimancr. Gütersloh:
Bertelsmann 1953. 148 S. 8° = Beiträge zur Förderung christl. Theologie
, 2. Reihe, 54. Bd. DM 14.—.

Die Monographie von Bernhard Lohse hat es sich zur Aufgabe
gestellt, die zwar mannigfach erörterten, aber bis dahin
noch nicht gelösten Probleme, die mit der quartadeeimanischen
OsteTfeier zusammenhängen, zur Klärung zu bringen. Nach einer
vorbildlich klaren und knappen Einleitung, die einen Überblick