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Ausgabe:

1956 Nr. 11

Spalte:

677

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Davies, William David

Titel/Untertitel:

Paul and Rabbinic Judaism 1956

Rezensent:

Winter, Paul

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Seite 1

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677 Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 11 678

" ^Davies, W. D.: Paul and Rabbinic Judaism. Some Rabbinic Elements
in Pauline Theology. Second edition, with additional notes. London:
Society for Promoting Christian Knowledge 1955. VIII, 392 S. 18 s

.(LuM./9fJt ■ "») ^76f7 &

Die im Jahre 1948 erschienene Erstauflage des Buches von

W. D. Davies (Neutestamentier in Duke University, Durham,
North Carolina) gilt heute in englisch-sprachigen Ländern bereits
als klassisches, für das Studium der paulinischen Theologie unentbehrliches
Hilfsmittel. Sie ist längst vergriffen. Die Gesellschaft
für die Förderung der Kunde vom Christentum hat sich
darum entschlossen, das Buch in neuer Auflage zugänglich zu machen
. Es braucht hier wenig über die Bedeutung des Buches als
solchem gesagt zu werden. Zusammen mit den Studien von Vil-
helm G r 0 n b e c h, von Arthur Darby Nock, von Charles
Harold D o d d und nun auch von Johannes M u n c k stellt Davies
' Werk den ernsthaftesten Versuch einer der geschichtlichen
Wirklichkeit gerecht werdenden Darstellung paulinischer Lehren
in ihrem zeitlichen und geistigen Zusammenhang dar; mit den
Phantasien „liberaler" Theologen ist gründlich Schluß gemacht.
Die Gedankenwelt des Apostels Paulus wird von Davies in ihrem
jüdisch-religionsgeschichtlichen Zusammenhang gesehen und Paulus
wird vorgestellt als der, der er war, und nicht als der, als den
Theologieprofessoren des 19. Jhdts. ihn haben wollten. Davies
geht mit den Tatsachen alles andere als liberal um — er bemüht
sich, sie anzuerkennen.

Das Buch war geschrieben, bevor die am Toten Meer aufgefundenen
Schriften bekannt geworden waren. Es kann heute
als Prüfstein für den Wert eines vor 1947 verfaßten Werkes, das
den Hintergrund und die Gedankenwelt des Neuen Testaments
zu seinem Gegenstand hat, gelten, ob ein solches Werk der Kritik
durch die Dead Sea Scrolls standhält. (Nicht zu Unrecht hat
William Foxwell Albright erklärt, daß alle solche Bücher neu geschrieben
werden müßten!) Von dem Werke Davies' darf wohl
behauptet werden, daß es dieser Kritik standgehalten hat.

In einer kurzen, der Neuauflage seines Buches angehängten
Note verweist Davies auf die in den Dead Sea Scrolls anzutreffenden
bedeutsamen Begriffe TT. "HO. ifea und ihre Entsprechungen
nvozfiQiov, TÜeiog, oÖlqH in paulinischen Vorstellungen.

Das Buch ist schön ausgestattet und, was man heute als Besonderheit
anmerken muß, in ungewöhnlichem Maß frei von
Druckfehlern.

London Paul Winter

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Norden, Eduard f: Das Genesiszitat in der Schrift vom Erhabenen.

Berlin: Akademie-Verlag 1955. 23 S. 4° = Abhandl. d. Deutschen
Akademie d. Wiss. zu Berlin. Kl. f. Sprachen, Literatur und Kunst,
Jg. 1954 Nr. 1. DM 2—.

Eduard Norden gehört zu der Generation großer Philologen
wie E. Schwartz, R. Reitzenstein, P. Wendland, deren Fragestellung
und Ergebnisse über die im 19. Jhdt. aufgerichtete Scheidewand
zwischen Theologie und Philologie hinweg stets neu die
Theologen vor Probleme stellten, denen sie noch nicht begegnet
und vielleicht allein auch nicht gewachsen waren. Schon „Die antike
Kunstprosa" (1898), mehr noch „Agnostos Theos" (1913)
sind dem Exegeten und Patristiker unentbehrlich, und „Die Geburt
des Kindes" (1924) war eine würdige Dankesgabe an die
Bonner Fakultät für den theologischen Doktorhut. 1921 steuerte
er zur Harnack-Festgabe einen Aufsatz über „Jahve und Moses
in hellenistischer Theologie" bei und nur der fehlende Raum
hinderte ihn, nach den zwei Abschnitten „Moses bei Strabo" und
„Varro über den Gott der Juden" in einem dritten „das berühmte
Genesiszitat in der stilkritischen Schrift über die Erhabenheit
zu behandeln" (301). Im gleichen Jahr hielt er einen ersten
Vortrag darüber, und es existiert eine frühe Niederschrift
„Bemerkungen zu der Schrift, über die Erhabenheit. 1. Das Genesiszitat
". Was wir nun erhalten, ist eine durchgreifend erweiterte
Gestalt, 1923 der Berliner Akademie vorgetragen, aber nicht
veröffentlicht, wohl, weil Wilamowitz nicht überzeugt war. Die

Basis noch einmal zu verbreitern, verbot die Ungunst der Zeiten.

Ich widerstehe der Versuchung, der Anzeigen kürzerer Schriften
leicht erliegen, das Original voll zu reproduzieren, und beschränke
das Referat auf das für Verständnis und Beurteilung Erforderliche
, als Aufforderung zu eigener Lektüre, die niemanden
gereuen wird.

L Der anonyme Autor, der um 40P schreibt, belegt die These.
Seelengröße eines Schriftstellers sei die Vorbedingung für Erhabenheit
der Gedanken und des Ausdrucks, zuerst durch drei berühmte Beispiele
aus der Ilias: l. Eris im Kampfgewühl mit dem Haupt in den Himmel
ragend; 2. Die unfaßbar weit ausgreifenden Rosse am Wagen der Here;
3. Die Theomachie, in sechs aus zwei Homerstellen geschickt zusammengefugten
Hexametern, das letzte erst mit gleichem Preis, dann mit unmittelbar
folgender scharfer Kritik. Darauf folgt als „viel besseres"
Beispiel 4. die Wogenfahrt des Poseidon, als eine der Stellen, „die
uns das göttliche Wesen als ein unbeflecktes, wahrhaft großes und reines
vor Augen führen". Daran schließt: „In diesem Sinne sagt auch
der Gesetzgeber der Juden, kein gewöhnlicher Mann — nachdem er die
Kraft des Göttlichen in würdiger Weise gefaßt und dadurch zum Ausdruck
gebracht hatte, daß er gleich im Eingang seines Gesetzbuches
schrieb: ,Es sprach Gott' — was? ,Es werde Licht, und es ward. Es
werde Erde, und sie ward'." Die Kritik bezeichnet die Homerstelle als
gottlos und unziemlich. Homers Beschreibung mache die Götter zu Menschen
und die Menschen zu Göttern. Die stoische Ausflucht der Alle-
gorese wird kaum eines Blicks gewürdigt. Es bleibt nur der scharfe Tadel
, zu dem die Urbanen Bemerkungen zu den andern Stellen nichts
Vergleichbares bieten, so daß er unverkennbar das Konzept des Ganzen
stört. Woher stammt dann die Kritik und das Genesiszitat, auf das
sie hinführt? Wie zuerst der Holländer J. Tollius (1694) führt N. eine
Parallele aus Josephus (Ant. I, 3.15: 4,22—24) an, wo mythologisierende
heidnische Autoren und „unser Gesetzgeber" Mose einander
entgegengesetzt werden. Als der spätere kann Josephus nicht die
Quelle sein. Muß man aber zwischen den einführenden auch und
aber entscheiden, so ist das erstere das spätere, weil abschwächende.

IL Die Kritik an Homers unwürdigem Anthropomorphismus ist
der gesamten Apologetik eigen, deren christliche Vertreter auf uns
großenteils verlorene jüdische Vorbilder zurückgehen. Josephus hat
das Gleiche in Ap. II 241 ff., wo nur unverblümt anstelle von „Gemengsei
von Leidenschaften" „Ehebruch und Liebeleien" gesagt wird.
Das 4. Zitat unterbricht also den Zusammenhang.

III. Über dies Allgemeine — judäische Apologetik— hinaus fünrt
Kap. 44 von jzeqI vipovg. Sie redet von dem Besuch eines „Philosophen"
und berichtet seine Worte ausführlich, mit vielmals eingeschobenem
'■sagte er", was Fiktion ausschließt.

IV. Wo finden sich die gleichen Gedankengänge, die gar nicht
alltäglich sind? Bei Philo: 1. Warum gibt es heutzutage so wenig ausgezeichnete
Männer? Das Ausgezeichnete (rä Xiav xaXd) ist selten. Die
Besten ziehen sich zurück. 2. Das Caesarenregiment tötet die Demokratie
und erzieht Sklaven. 3. Kein Sklave ist geistig frei. Er kann
höchstens schmeicheln, aber nicht unerschrocken für Ideale eintreten.
Auch fehlen die höchsten Kampfziele solchen Ringens. 4. Die Macht
der Gewöhnung ist groß. Die zahlreichen Parallelen bei Philo gehen
weit über stoische Tiraden hinaus; denn sie greifen ins Leben ein. Für
4. finden sich keine griech. Parallelen.

V. Von den zahlreichen sprachlichen Übereinstimmungen sind nur
zwei selten genug, um einen Zusammenhang zu beweisen. Sie stehen
nah beieinander und bilden Teile eines zusammenhängenden Gedankens
, und zwar ganz gleich in der Rede des Philosophen und bei Philo,
ebr. 198, wie D. Ruhnken 1778 zuerst gesehen hat:

In die Gewohnheiten und Be- Ein bunt zusammengewürfelter Men-
schäftigungen der Sklaverei schenhaufe ist ein unrühmlicher Sklave
sind wir seit unserer zarte- aller möglichen, irgendwie eingeführten
sten Jugend fast wie in Win- Sitten und Bräuche. Kein Wunder, wenn
dein eingewickelt (pövov oix er schon von den Windeln selbst an
weonagyavco/yievoi ) . . . Der (put avxcöv ext anagyävoiv) auf sie wie
Sklavensinn fühlt sich wie auf Herren oder Tyrannen zu hören gern
einem Gefängnis von der wöhnt ist, seelisch zerbläut ist (xaxa-
Macht der Gewohnheit stets xexovdvXiofievos xrjv i/w/»}v) und da-
zerbläut (totö avvrj&eiag xe- her keinen großen und frischen Gedan-
xovdvXioftevov). ken zu fassen vermag, sondern im Bann

des Herkommens und der Tradition ist.

Der .Philosoph' und Philo treffen sich in der Freude an derben
Metaphern. Bei Philo stammt sie aus der Diatribe und eifriger Lesung
der LXX. Das Bild von den onägyava findet N. bei Philo noch elfmal.
„darunter, was wieder entscheidend ist, dreimal (ebr. 51, sacr. 15,
somn. II 9) in derselben Verbindung mit f&rj, in der das Verbum
iyojiagyavovo&cu bei dem Anonymus steht".

VI. Nun wendet sich N. ,mit geschärftem Blick' zum Genesiszitat
zurück. Auch hier treffen sich zwei auffallende Wortparallelen: xl/r xov