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Ausgabe:

1956 Nr. 11

Spalte:

655-664

Autor/Hrsg.:

Wessel, Klaus

Titel/Untertitel:

Abstrakte Kunst und Kirche 1956

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 11

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dieses Inventarwerkes, die Friedrich Küch 1904 und 1910 herausgebracht
hatte, und seiner Fortsetzung liegt auch wieder fast
ein halbes Jahrhundert. Aber auch hier ist es von größtem Wert,
daß dieses für die gesamte reformationsgeschichtliche Forschung
wichtige Werk zum Abschluß gebracht wird. Ein Registerband,
das das Werk erst voll erschließt, soll demnächst erscheinen.

Der vorliegende 3. Band bietet den Schriftwechsel des Landgrafen
mit den Buchstaben O (Oldenburg) bis W (Würzburg). Die
sachliche Anordnung bewährt sich durchaus. Die Beziehungen zu
den einzelnen Partnern treten aufs deutlichste hervor. Dabei muß
man in Kauf nehmen, daß es nicht immer leicht ist, Querschnitte
zu legen und die Ereignisse eines Jahres zusammenzufassen. Aus
dem Inhalt dieses Bandes ist besonders der rege Schriftwechsel
der beiden Hauptleute des Schmalkaldischen Bundes hervorzuheben
, der Einblick in die große Politik jener Tage gewährt.
Grenzfragen, politische Streitigkeiten und Verhandlungen über
dynastische Verbindungen füllen daneben viele Seiten. Aber auch
die vielfältigen kirchenpolitischen Beziehungen spiegeln sich in
reichem Maße wider. Das Inventar zeigt, welches Material im
Politischen Archiv des Landgrafen vorliegt. Es läßt in gewisser
Weise auch schon Schlüsse auf bestimmte Charakterzüge des
Landgrafen zu. Seine Vermittlungen unter den Nachbarn wie unter
den maßgebenden Fürsten machen seine Vertrauensstellung
deutlich. Archivmaterial fällt freilich nicht gleichmäßig an. Während
die Akten aus den ersten Jahren der selbständigen Regie-

(Staatenabteilungen Oldenburg bis Würzburg). Marburg: Elwert in
Komm. 1954. XX, 724 S. gr. 8° = Veröff. d. Hist. Kommission für Hessen
und Waldeck 24, l. DM 43.— ; geb. DM 45.—.

rung Philipps verhältnismäßig gering vertreten sind, wachsen sie
in den späteren Jahren, je mehr der Landgraf zu einem Mittelpunkt
des politischen Lebens wird, stark an. Besonders reichhaltig
scheinen sie seit den vierziger Jahren zu sein. Aus der Fülle des
Stoffes die kirchengeschichtlich wichtigsten Gegenstände anzumerken
, ist kaum möglich. Für die Politik des Schmalkaldischen
Bundes ist der ganze Schriftverkehr mit Kursachsen aufschlußreich
. Beachtlich sind auch die Materialien über die Anfänge der
Konkordie und über die Religionsgespräche. Die Reformationsversuche
und -bemühungen im Westen des Reiches, Jülich, Köln
und Münster, treten stark hervor. Aber auch einzelnen Vermittlerpersönlichkeiten
wie G. v. Karlowitz scheint der Landgraf zeitweise
Beachtung geschenkt zu haben. Im übrigen kann ein Inventar
die Thematik immer nur andeuten.

Die Bearbeitung dieses Bandes ist mit großer Umsicht und
Sorgfalt durchgeführt. Es ist dem Bande anzumerken, daß der Bearbeiter
mit seinem Gegenstande völlig vertraut ist und seine
Arbeit mit Hingabe geleistet hat. Bis ins Technische hinein ist der
Band glänzend gelungen. Die Zahl der Druckfehler ist bei dem
schwierigen Druck minimal: S. 370 ist wohl Dr. Brück st. Dr. Bu-
cer gemeint, S. 443 der 19. st. des 14.4.1560. Jedes weitere
Wort des Lobes erübrigt sich. Die reformationsgeschichtliche Forschung
kann froh und dankbar sein, daß ihr mit dem hessischen
Material neue Möglichkeiten erschlossen sind, in den Zusammenhang
des reformatorischen Geschehens einzudringen, Gesichtspunkte
für die Darstellung zu gewinnen und neue Farben in das
feststehende Bild einzutragen.

Abstrakte Kunst und Kirche

Von Klaus Wessel, Greifswald'Berlin

Wer die Kunstentwicklung im Räume der römisch-katholischen
Kirche in den letzten Jahrzehnten aufmerksam verfolgt hat
— die verdienstvolle Zeitschrift „Das Münster" kann auf dem
Gebiet einen guten Überblick verschaffen —, weiß, mit welchem
Mut zur Moderne, mit welcher Aufgeschlossenheit für die neuen
künstlerischen Richtungen und Versuche hier oft an die Aufgaben
der sakralen Architektur, der plastischen, malerischen und kunsthandwerklichen
Ausgestaltung des kultischen Raumes und der
künstlerischen Formung christlicher Bildkunst im weitesten Rahmen
dieses Begriffes herangegangen wird. Wir sahen und sehen
hier — ganz anders als in großen Teilen des Raumes der evangelischen
Kirchen, besonders heute in Deutschland — neben einer
nicht unbeachtlichen Zahl konservativer Künstler und leider auch
neben einer an sentimentale Gefühlchen appellierenden Kitschproduktion
eine sehr beachtenswerte Anzahl von Kunstschaffenden
aller Art am Werke, die hinter den „Avantgardisten" der
„Moderne" kaum zurückstehen. In unserem Zusammenhang sei
hier zunächst nur an die Gemeinschaftsleistung in Assy erinnert,
wo Le Corbusier baute und Braque und Lurcat u. a. malten, an
die Kapellenausmalungen von Matisse oder, um in der Nähe zu
bleiben, an St. Canisius in Berlin-Charlottenburg, vom Volksmund
gutmütig-spöttisch „St. Nissen" zubenannt. Angesichts
dieser Tatsache, daß so die katholische kirchliche Kunst zu einem
wesentlichen Teile „die Hand am Puls der Welt" hat, will hier
sagen, auf dem Gebiet der bildenden Künste den Ausdruck der
Zeit mit- und nachgestaltet, war es zu erwarten, daß auch die
Frage der Einstellung zum dernier cri der Kunst — dernier cri
wenigstens, obwohl mindestens ein Menschenalter schon geübt, in
den Augen der unbedingt modern sein Wollenden — für die katholische
Kirchenkunst brennend werden würde, die Frage nämlich
nach der „abstrakten Kunst". Zwei Äußerungen zu diesem
Problem sind mir bekannt geworden, die eine von Lothar Schrey-
er1, die andere von Peter Metz, mit dessen Antwort wir uns
hier auseinanderzusetzen versuchen wollen.

*) Bildverkündigung, Kap. IV: Die abstrakte Kunst und der
Christ, in: Christliche Kunst als Verkündigung, gesammelte Aufsätze
hrsg. von P.Theodor Bogler OSB (Liturgie und Mönchtum 3. Folge,
Heft XIII), Maria Laach 1953, S. 50 ff.

Der Kunsthistoriker und Museums-Fachmann P. Metz gibt
seinem Büchlein zum Thema „Abstrakte Kunst und Kirche"2 den
Untertitel: „Eine Studie über die Kunst in der Heilsgeschichte".
Ist schon damit ein Programm angedeutet, so wird jeder Leser
gut tun, hier einmal das Vorwort nicht zu überschlagen, denn
dort stehen die für das Anliegen des Verf. ganz entscheidenden
Sätze, die hier angeführt seien, da sie auch zum Verständnis der
vom Rez. versuchten Stellungnahme unumgänglich notwendig
sind: „Da es sich bei diesem Thema nicht um rein künstlerische
oder kunstgeschichtliche Fragen handelt, sondern in erster Linie
um religiöse, ist auch die Betrachtungsweise notwendig keine
rein künstlerische oder kunstgeschichtliche. Die Lektüre setzt also
eine ernsthafte, innere Anteilnahme des Lesers an religiösen
Fragen, oder wenigstens ein Interesse an ihnen, voraus. Wer solchen
Fragen ablehnend gegenübersteht, oder der Auffassung ist,
sie seien mit den Fragen der Kunst nicht zu verbinden, wird den
Absichten der Schrift, auch ihren Unzulänglichkeiten, schwerlich
gerecht werden und tut gut daran, sie ungelesen beiseite zu
legen."

M. will versuchen, „das Verhältnis der abstrakten, oder sagen
wir genauer, der modernen, abstrahierenden und abstrakten
Kunst zur Kirche zu bestimmen" (S. 7). Dazu fragt er, „was Kirche
und was Kunst überhaupt ist". Er betont, er spreche als Christ
und als Mensch, der im Stande sei, sich der Kunst ganz hinzugeben
. Ohne diese Voraussetzungen sei die gewählte Aufgabe
nicht zu bewältigen: „Denn kein Ding kann ,von außen her' erkannt
werden, sondern nur von seiner Mitte her . . . und zwar
nur, indem man in dieses eintritt, sich mit ihm (= dem Organisationszentrum
) identifiziert" (S. 7 f.). Schon hier bricht die sehr
ernste Frage auf: Kann sich der Christ mit dem „Organisationszentrum
" der Kirche identifizieren? Sollte damit nur gemeint sein,
daß das Geheimnis der Kirche nur erfassen kann, wer innerlich
zu ihr gehört, nicht als Zahler von Kirchensteuern, sondern als
ganz bewußtes, tätiges Glied, so werden wir dem vorbehaltlos
zustimmen dürfen. Der Ausdruck „Organisationszentrum" er-

*) Metz, Peter: Abstrakte Kunst und Kirche. Eine Studie über
die Kunst in der Heilsgeschichte. Nürnberg: Glock & Lutz [1954].
56 S., gr. 8°. DM 4.80.