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Ausgabe:

1956 Nr. 10

Spalte:

609-611

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Eidlitz, Walther

Titel/Untertitel:

Die indische Gottesliebe 1956

Rezensent:

Melzer, Friso

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609

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 10

610

Einleitung weniger wichtig, weil es ihm um „religiöse Gestaltung"
geht, nicht um das Symbol im strengen Sinne (S. 15).

So werden wir in einer „Phänomenologie des Christlich-Symbolischen
" (die wiederum in Wirklichkeit keine Phänomenologie, sondern
der Versuch eines historischen Auswahl-Überblickes ist) von Jesus zur
Ostkirche, von Thomas von Aquin über Maria Laach zu Zwingli und
zur „Symboltheologie" des Heidelberger und Pfälzer Katechismus geschickt
. Der Leser erfährt u. a., um nur ein Beispiel für die Arbeitsweise
zu bringen, daß im Pfälzer Unionskatechismus „durch einen gesunden
Symbolismus" eine magische Auffassung der Sakramentselemente
vermieden sei, und daß „jede irenische innerprotestantische Kontroverstheologie
" sich „zu einem Hinhören auf diese Symboltheologie'
verpflichten lassen müsse, von der man schließlich den bemerkenswerten
Umstand vernimmt, daß sie an der Kindertaufe festhalte (S. 222). Sowohl
in diesem zweiten wie im dritten Teil („Symbol und Gestaltung")
befaßt sich Fremgen vorwiegend mit Sakrament und Gottesdienst, die
ihm als Hauptquellen des Symbolischen dienen. Hier geht es also um
die Frage des sakramentalen Symbolismus und Realismus, bzw. sie
kontaminiert das Thema des „Symbolischen". Es bleibt zweifelhaft, ob
das glücklich ist, bzw. ob der Verfasser, um einer Begriffsverwirrung
zu steuern, nicht diese Gedanken unter einen anderen Buchtitel hätte
stellen sollen.

Die Überlegungen des Autors entzünden sich an allen möglichen
Zitaten aus alten und neuen, belangvollen und belanglosen Schriften.
Diese Lesefrüchte geben ihm reichlich Stoff zu Auseinandersetzungen,
für die sich freilich nicht jeder Leser so leicht erwärmen wird, da die
Bezüge auf das Thema „Symbol" häufig sehr entfernte sind. Von der
methodischen Seite her wird man also schwere Bedenken gegen die Arbeits
- und Darstellungsweise haben müssen. Man vermißt Präzision
und Klarheit, die bereits der Themastellung fehlen.

Zweifellos ein Verdienst des Buches ist es, wieder einmal
die Mannigfaltigkeit der Aspekte aufgezeigt zu haben, die das
Symbolische im Räume der Religion — auch des Christentums —
nun einmal hat, bzw. deren es fähig ist (vgl. S. 15—17). Dabei
kommt es teils zur Festlegung von Begriffen und Vorstellungen,
teils wieder zu einem eigentümlichen Verschwimmen der Fragestellungen
. So wirkt das Ganze ein wenig chaotisch und deshalb
beängstigend. Man hat das Gefühl, daß der Verfasser, ohne es
zu wollen, gerade das herstellt, was er selbst energisch ablehnt:
einen (christlichen) „Pansymbolismus" (S. 62 ff.). Jedenfalls
sollte er sich fragen, ob er sich nicht mit seiner Methode unrettbar
in diese Richtung begibt. Das erwähnte Chaotische wird besonders
deutlich bei einem Blick in das (rein quantitativ übrigens
recht respektable) Literatur- und Quellenverzeichnis, in dem die
Allerweltsnatur eines erheblichen Teiles der zu Rate gezogenen
bzw. in die Symbolbibliographie (durch das Glück des Zufalls?)
aufgenommenen Schriften zum Vorschein kommt.

Das Buch ist sicher nicht nur der wenig glückliche Versuch
einer Bilanz über ein schwieriges und breit angelegtes religionswissenschaftliches
Kapitel des letzten Halbjahrhunderts, sondern
gleichzeitig ein Beweis für die ungebrochene Lebenskraft all dieser
unerledigten Fragen, die, wenn sie auch Fremgen nicht einer
Lösung oder auch nur einer Klärung zugeführt hat, doch nicht
etwa im Rahmen der entmythologisierenden theologischen Bodenbewegungen
unserer Zeit verschüttet worden sind. (Diesen
Beweis liefert neuerlich auch das Buch von Hans Looff über den
„Symbolbegriff in der modernen Religionsphilosophie und Theologie
", Köln 1955 in den „Kantstudien".) Das Buch ist der Ansatz
zu einer indirekten grundsätzlichen Auseinandersetzung mit
Bultmann.

Marburg/Lahn Kurt Goldammer

Eidlitz, Walther: Die indische Gottesliebe. Ölten und Freiburg/Br.:
Walter [1955]. 340 S., 16 Abb. a. Taf. 8°. Lw. DM 14.50.

Im 19. Jhdt. war die Indologie im wesentlichen eine Schreibtischwissenschaft
: Texte wurden herausgegeben und übersetzt,
Wörterbücher und geschichtliche Darstellungen verfaßt. Das ist
seit dem 1. Weltkrieg anders geworden. Nun erfahren wir auch,
was das 19. Jhdt. nicht geben konnte, — das Wesenhafte der indischen
Religionswelt, und zwar durch Männer, die in Indien gelebt
haben und mit Hilfe indischer Freunde und Lehrer in das
Innere des Höheren Hinduismus eingedrungen sind (soweit das
einem Abendländer überhaupt möglich ist). Walter Eidlitz, vor
dem 2. Weltkrieg als Schriftsteller bekannt geworden, hat als
Schüler eines Hindu-Gurus Eingang gefunden in eine Welt, die

uns wesenhaft unbekannt geblieben ist. In seinem neuen Buch
„Die indische Gottesliebe" erschließt er uns einen Zugang zu ihr.
Das Wort „indisch" ist aber nicht deutlich genug, da es auch bodenständiges
indisches Christentum gibt; religionsgeschichtlich
müßte es genauer „hinduistisch" heißen.

Eidlitz schöpft aus der schriftlichen wie mündlichen Überlieferung
. Weil er zu dieser Zugang gefunden hat, vermag er jene
erleuchtend heranzuziehen. Er will ein bisher wenig bekanntes
Gebiet indischer Mystik darstellen, „wie es mit den Augen der
indischen Seele gesehen wird" (15). Gemeint ist die Krishna-
Bhakti, „die Gottesliebe, wie sie vorzugsweise im Bhagavata-
Purana und in der Strömung Krishna Chaitanyas zu Tage tritt".
Am Ende des vorliegenden Buches kündet er (auf Grund der zeitgenössischen
Quellen) eine Lebensgeschichte Krishna Chaitanyas
an. Um diese Bhakti-Religion deutlich zu machen, zieht Eidlitz
auch Texte der Upanishaden und der Bhagavadgita heran.

Ausführlich handelt er über die metaphysischen Hintergründe
(Atman und Brahman usw.) sowie über Maya und Krishna
selbst. Im letzten Viertel des Buches bringt er „Szenen aus dem
göttlichen Spiel", also Texte aus dem Bhagavata-Purana, die uns
die Krishna-Religion selber zeigen. Religionsgeschichtlich gesehen
, ist das Buch eine Bereicherung unserer Indien-Kenntnis.
Theologisch gesehen, müssen wir aber einige kritische Anmerkungen
machen:

Eidlitz weiß, Krishna-Mystik und christliche Mystik sind
nicht wesensgleich. Er weiß auch, das Neue Testament weist einen
anderen Weg als die Krishna-Religion. Das deutet er etwa dort
an, wo er in einem eigenen Kapitel „Christus und die Avatare"
einen Vergleich versucht. Doch genügt es nicht, als Unterscheidungsmerkmal
nur den Begriff der Einmaligkeit der Christus-Offenbarung
zu nennen. Dahinter verbirgt sich mehr: Geschichtlichkeit
und Personhaftigkeit (vgl. des Rezensenten Studie über den
Avatara in seinem Buch „Christus und die indischen Erlösungswege
", 1949, S. 43-56). Eidlitz weiß auch, Inkarnation (Fleisch-
werdung) ist etwas Biblisches, das der Hinduismus weder hat noch
anerkennen kann (S. 158/59). Wenn beide Religionswelten also
im Wesentlichen auseinandergehen, so erhebt sich die Frage, ob
dieser Unterschied (Gegensatz) nicht alle zentralen Begriffe durchwirkt
. Eidlitz gebraucht aber für unser Gehör biblisch geprägte
Begriffe wie „Reich Gottes" (3 5) oder „Schöpfung" (8 3) im hin-
duistischen Sinne, ohne zu sagen, was er damit genau meint. Das
christliche Wort „Reich Gottes" kennt der Hinduismus — gleich
welcher Richtung — nicht. Auch „Schöpfung" ist ihm unbekannt,
Schöpfung im biblischen Sinn, die etwas anderes meint als einen
ersten Ursprung des Seienden. Selbst „Offenbarung" im Sinn von
engl, revelation ist nicht hinduistisch (vgl. den Gebrauch
des Wortes S. 35. 77. 100); richtiger wäre zu sagen engl, m a n i-
festation (nämlich Kundmachung des Unsichtbar-Alleinen
in der sichtbaren Welt der Zweiheit). Vor allem müssen wir ein
Fragezeichen setzen hinter die Aussage der Krishna-Religion, der
oberste Gott sei Person. Wohl wird Ihm — dem göttlichen Sein —
im Hinduismus u. a. auch eine personhafte Erscheinungsweise zugeschrieben
, aber in sich selber ist „Es" nicht Person. Hier tut
sich überhaupt der letzte Gegensatz auf: personhafte gegen personlose
Sicht der Wirklichkeit, der letzten Wirklichkeit Gottes
wie des Menschen. Auf der Entscheidung, die wir angesichts dieser
Frage fällen, baut sich erst Religion, Glaube und Glaubensbekenntnis
sowie theologisches Denken und Reden auf.

Wenn man das Ganze dieser Krishna-Religion, die das Buch
uns so farbig und leuchtend vor Augen stellt, auf sich wirken
läßt, so bleibt als Eindruck ein religiös gekleideter Ästhetizismus:
es fehlt die verbindende Ethik. Weder sinkt der Mensch vor Gott
in seiner Heiligkeit als Sünder in sich zusammen, noch — und dies
ist greifbarer, weil an ihm diese wie auch andere altüberkommene
Religionsformen des Hinduismus in unserem Jahrhundert zerbrechen
— findet sich auch nur von Ferne die Gestalt des „Nächsten"
(diese ist uns erst durch Jesus gezeigt worden). Was soll all dieses
Reden von „Gottesliebe", wenn die Menschen dieser Religion
die Kastenlosen durch die Jahrhunderte als Unberührbare
bestehen ließen, wenn sie Witwen, Aussätzige und Blinde nicht
als vollgültige Menschen ansahen? Wie kann einer sagen, er liebe
Gott, der die Brüder nicht liebt? Hier ist die Stelle, wo die Chri-