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Ausgabe:

1956 Nr. 10

Spalte:

608-609

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Fremgen, Leo

Titel/Untertitel:

Offenbarung und Symbol 1956

Rezensent:

Goldammer, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 10

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(1892, 1—104); man beklagt aber den Wegfall der ebenso epochemachenden
Studie „Über die epische Zerdehnung" (18 80): denn das Buch
„Homerische Untersuchungen" (1916), auf das zum Ersatz verwiesen
wird, ist längst vergriffen. Im Vergleich mit W. Schulzes Kleinen Schriften
ist es ein Vorzug, daß die akademischen Programme aufgenommen
sind, die Basler durch die Reduktion von Quart zu Oktav in einer
an die Grenze des Zulässigen streifenden Verkleinerung. Leider fehlen
aber die schönen Gedenkreden, wie auf den Sanskritisten F. Kielhorn
und den Indogermanisten Leo Meyer, und, mindestens für Interessenten
der griech. Bibel, die Rezensionen der Grammatiken von Mayser und
Helbing. Beide Gruppen sind Beiträge zur Forschung; in beiden geht
W. mehr aus sich heraus als sonst. Seine Beiträge zu Festschriften stellen
sich auf Person und Werk der Geehrten ein. Darum hätte das Inhaltsverzeichnis
die Anlässe vollständiger verzeichnen sollen. IF 31,
1912/3, ist die Festschrift für B.Delbrück; IF 45, 1927, die für R. Thurn-
eysen, den „jüngeren Freund", auf dessen 70. Geburtstag der erste
Satz anspielt. Das sind die Nummern 70 „Lateinisch-Griechisches"
(1228—48) und 71 „Vergessene Wortdeutungen" (1249—68); die weggelassene
Arbeit „Über die epische Zerdehnung" (1880) war der Festgruß
für W.s Lehrer Th. Benfey. Manches hätte sich bei den Registern
auf engem Raum geben lassen. So sicher eine Berichtigung der Druckfehler
, während eine Wiedergabe von W.s hsl. Nachträgen die Ausgabe
wohl zu sehr verzögert hätte. Wie bei W. Schulzes Kleinen Schriften,
hätte unbedingt ein Verzeichnis der nicht aufgenommenen Arbeiten geliefert
werden sollen. Verglichen mit dem, was wir nun haben, bedeutet
all das aber wenig.

Das Erscheinen von J. Wackernagels Kleinen Schriften ist eine
denkwürdige Begebenheit. Ihr Reichtum an unvergänglichen Einsichten
wird vielen erst jetzt zum Bewußtsein kommen.

Cambridge Peter Katz

Hoffmann, Otto, Prof. Dr., u. Debrunner, Albert, Prof. D. Dr.;
Geschichte der griechischen Sprache. I. Bis zum Ausgang der klassischen
Zeit. Berlin: de Gruyter 1953. 1 56 S. kl. 8° = Sammlung Göschen
Bd. 111. DM 2.40.

Debrunner, Albert, Prof. D. Dr.: Geschichte der griechischen Sprache.
II.: Grundfragen und Grundzüge des nachklassischen Griechisch. Berlin
: de Gruyter 19 54. 144 S. kl. 8° = Sammlung Göschen Bd. 114.
DM 2.40.

Stolz, Friedrich, Prof. Dr.: Geschichte der lateinischen Sprache. 3., stark
umgearb. Aufl. von Prof. D. Dr. Albert Debrunner. Berlin: de
Gruyter 1953. 136 S. kl. 8° = Sammlung Göschen Bd. 492. DM2.40.

Wer immer in der Arbeit an der griechischen Bibel steht,
hat Grund zu stets neuem Dank für die nie versagende Hilfe, die
ihm Blaß'Debrunners Grammatik des ntl. Griechisch bietet. In
den letzten Bearbeitungen ist sie ein Buch geworden, das völlig
Debrunners polare Vorzüge spiegelt: Weitblick und Exaktheit.
Darum werden viele nach seinen neuen Gaben greifen, den drei
Göschenbändchen über die Geschichte der griech. und lat. Sprache.

Das Buch von Stolz brachte D. in der 2. und nodi mehr in der
vorliegenden 3. A. auf weit strafferen spradil. Ausdruck und gewann dadurch
Raum für eine Menge neuen Stoffs. Nach einer Übersicht über die
Quellen und Hilfsmittel zur Erforschung der lat. Sprachgeschichte werden
in sieben Kapiteln vorgeführt 1. Die Vorgeschichte des Lateinischen
; 2. Das vorliterarische Latein; 3. Das Altlateinische; 4. Das klassische
Latein; 5. Das nachklassische Latein; 6. Das volkstümliche Latein
(Vulgärlatein); 7. Das Verhältnis der romanischen Sprachen zum
Lateinischen. Dies letzte Kapitel hat D. neu geschrieben. Überall werden
Proben gegeben und erläutert. So erhält der Leser einen dokumentierten
Eindruck von den verwandten altitalischen Sprachen wie von
wichtigen frühen Einflüssen vonseiten des urverwandten Griechischen,
des völlig fremden, aber tief einwirkenden Etruskischen und der vielen
sonstigen fast verschollenen Konkurrenzsprachen wie des Illyrischen und
Ligurischen, auch des Gallischen und Punischen; von der ältesten Sakral
- und Gesetzessprache und von Inschriften bis ins Romanische hinein
: eine wohlgegliederte Fülle auf knappem Raum.

Ebenso wie hier vermag D. in Hoffmanns Bericht über die frühe
und die klassische Zeit des Griechischen als langjähriger Berichterstatter
über die Neuerscheinungen durch Literaturangaben dem Benutzer wirksam
den Weg zur Primärforschung zu öffnen. Die Volkssprache und die
Sprache von Staat und Gemeinschaft werden vorweg behandelt, ehe im
größeren Teil des Büchleins die Literatursprachen nach Gattungen gegliedert
charakterisiert werden.

Der letzte Band bringt die gToße Überraschung, eine eigene
Arbeit D.s über das hellenistische Griechisch bis ins Neugriechische
hinein, wodurch Hoffmanns letztes Kapitel überflüssig
wurde. Damit ist endlich das Programm ausgeführt, das J. Wackernagels
denkwürdige Vorlesungen über hellenistisches Griechisch
aufstellten. Wer immer bedauern mochte, daß der Meister sie

nicht zu einem Buche gestaltete, findet hier seine unvergänglichen
Einsichten in einen ebenbürtigen Rahmen eingestellt, wie ihn eine
rastlos forschende jüngere Generation erarbeitet hat. In ihr
nimmt D. seit Jahrzehnten die führende Stellung ein und kann
daher in ebenso großer Fülle wie Kürze in die Probleme einführen
und künftiger Forschung Richtlinien zu ihrer Lösung zeigen.

Eine knappe Einleitung kennzeichnet früher geleistete Arbeit und
gibt Begriffsbestimmungen. Dann folgen die zwei Hauptteile, 1. Grundfragen
und 2. Grundzüge des nachklassischen Griechisch. Im ersten werden
die dokumentarischen und literarischen Quellen, darunter hellenistische
Autoren und das Neugriechische, befragt; die Entstehung der
hell. Gemeinsprache und ihre Verbreitung wird auf breiter Grundlage
erörtert im Blick auf ältere griech. Gemeinsprachen, auf die politischhistorischen
und kulturellen Vorbedingungen für die Ausbreitung des
Attischen und auf das Verhältnis der Koine zu den alten Dialekten, deren
Untergang mit Hinterlassung von Spuren in der Gemeinsprache
eingehend geschildert wird. Dem alten, noch in Maysers Papyrusgrammatik
beibehaltenen Irrtum, attisch unbelegte Koinewörter als „poetisches
" Lehngut anzusehen, wird der Garaus gemacht. Weiter folgen
Kapitel über den Siegeszug der Koine durch fremdsprachliche Gebiete,
den Untergang und Widerstand dieser fremden Sprachen sowie einerseits
das griech. Lehngut in ihnen, vor allem im Latein und im rabbini-
schen Schrifttum, wie anderseits die Latinismen und Semitismen der Koine
. Neuer Dialekte im nachklassischen und modernen Griediisch wird
kurz gedacht. Endlich wird die attizistische Gegenströmung beschrieben,
mit Proben aus attizistischen Lexiken. Der zweite Hauptteil betrachtet
die Koine von der grammatisdien Seite her, nämlich ihre aus gewandelter
Aussprache sowie der Entscheidung zwischen den lautlichen Verschiedenheiten
der alten Dialekte erwachsenen lautlichen Abweichungen
von der klassischen Sprache und die morphologischen wie syntaktisdien
Weiterentwicklungen.

Überall ist der Prozentsatz des Richtigen so hoch, daß sich
Kritik erübrigt. Glückliche Auswahl und untrügliche Sicherheit
des Urteils verraten den Kenner, der festen Besitz der Forschung
und offene Fragen gleich durchsichtig vorführt. In den reichlichen
Belegen fehlt es nicht an Hinweisen auf das NT und die LXX,
aber bedeutsamer ist der Rahmen, in den sie gestellt sind. Wohlgegliederte
Register machen die Bändchen leicht nachschlagbar.
Solch gelegentliche Benützung wird aber unweigerlich zum Weiterlesen
locken. Es ist ein großes Glück, daß in unserer Zeit sprachlicher
Schnellbleiche solche Gewissenswecker ihren Dienst anbieten
.

Cambridge Peter Katz

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Fremgen, Leo: Offenbarung und Symbol. Das Symbolische als religiöse
Gestaltung im Christentum. Gütersloh: Bertelsmann 1954.
33 5 S. gr. 8°. Lw. DM 28.—.

Daß der Verfasser sich viel vorgenommen hat, merkt man
bereits, wenn man das Inhaltsverzeichnis durchmustert. Daß er
sich zu viel vorgenommen hat, ahnt man, wenn man das Buch
aus der Hand legt, von dem man nicht so ohne weiteres sagen
kann, was es eigentlich behandelt; denn es steht darin so ziemlich
alles, was es in Theologie und Kirche gibt, bzw. all das ist in Beziehung
gesetzt zu einem dem Verfasser vorschwebenden Begriff
des „Symbolischen", das er als ,,die menschengemäße anschauliche
Gestaltung des Seelisch-Geistigen" definiert. Es ist im
Grunde gleichgültig, ob man mit solchen In-Beziehung-Setzungen
einen Band oder deren zehn füllt. Denn derartige Relationen
zwischen willkürlich gesetzten und weit gefaßten Begriffen einerseits
und einer Fülle von interessanten historischen Erscheinungen
andererseits vermögen Reflexionen in endloser Folge zu entwik-
keln. Alles ist im Grunde das „Symbolische", und zu allem tritt
dieses „Symbolische" in ein Verhältnis. Denn wenn das „Symbolische
" eine „anschauliche Gestaltung des Seelisch-Geistigen"
ist, dann ist es ja ziemlich klar, daß „religiöse Gestaltung im
Christentum" eben das „Symbolische" sein muß, da das Christentum
zweifellos eine anschaulich gestaltende Religion, zumindest
in ihrer historischen Erscheinung, ist. Der Autor hätte sich seine
ganze Beweisführung sparen und das Buch bereits auf Seite 16 beenden
können. Besser wäre gewesen, der Verfasser hätte an Hand
der griechischen Wortbedeutung untersucht, was „Symbol" eigentlich
und ursprünglich meint. Aber das ist ihm laut Untertitel und