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Ausgabe:

1956 Nr. 10

Spalte:

589-604

Autor/Hrsg.:

Bardtke, Hans

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften 1956

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 10

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Triebfedern zum Versuch der „gnostischen" Interpretation war.
Statt schwülstiger Redensarten fand man dort wenigstens höchst
fremdartige, aber in sich doch begreifliche Anschauungen. Daß
ein kirchlicher Jargon auf solche Redensarten verfiel, erschien und
erscheint mir nur als Eingeständnis der Ratlosigkeit im Sachlichen.
Wie die liberalistische Exegese bemüht sich der Verf. freilich darum
, die Sache verständlicher zu machen, indem er die Psychologie,
den letzten Notanker der Interpretation, zu Hilfe zieht. Damit
kann man zwar keine Verkündigung begründen, aber etwas Sonderbares
plausibel werden lassen. Leider hat auch die Psychologie
ihre Grenzen. Daß die Gemeinde des Eph. noch das fortwährende
Erlebnis des gemeinsamen Zugangs von Juden und Heiden im
Kultus verspürte, ist mir historisch mehr als fragwürdig. Daß das
Damaskuserlebnis unter Umständen auch das Motiv des Christusleibes
erkläre, weil der Apostel hier den Angriff auf die Kirche als
Angriff auf Christus erfahren habe, dünkt mich eine verzweifelte
Auskunft. Von einer sakramentalen Christusmystik, welche bei
Paulus dem Organismusgedanken die eigentliche Tiefe gegeben
habe, mag ein Katholik weiterhin sprechen müssen. Im protestantischen
Lager darf man das nur, wenn man die Aufhellung paulini-
scher Eschatologie ignoriert oder widerlegt. Wohl hat es vor Paulus
so etwas wie sakramentale Christusmystik gegeben. Aber das war
die Frömmigkeit der hellenistischen Gemeinde, die Paulus bekämpft
, weil sie durch Mysteriendenken und Gnosis bestimmt
ist. Entstammt das Motiv vom Leibe Christi dieser Frömmigkeit
oder erhielt es hier sein Gepräge, so befinden wir uns historisch
in jenem Milieu, das auch die „gnostische" Interpretation voraussetzte
. Nun darf freilich nicht verschwiegen werden, daß der Verf.
seine letzten Ausführungen durch die Bemerkung einschränkt,

Paulus habe den „sozialen" Charakter der Sakramente erkannt
und eben deshalb den Ausdruck Leib auf das Verhältnis der Christen
untereinader und zu Christus angewandt. Aber ist das nun
wieder nicht zu wenig? Ist der neue Gehorsam, der sich in der
Liebe äußert, nicht ein einzig eschatologisch zu verstehendes
Phänomen? Eine Interpretation, welche sich dem Ausgang bei der
Gnosis verschließt, muß eben wie zu den Zeiten Haupts und
Tr. Schmidts zwischen Mystik und Organismusgedanken pendeln.
Ihr wird der Christusleib das Produkt, nicht die Voraussetzung
der Christusgemeinschaft der einzelnen Christen sein, selbst wenn
sie dem „in Christus Getauftwerden" dann finalen bzw. konsekutiven
Sinn geben muß, um den lokalen zu bestreiten.

Ich bin dem Verf. für seine keine Mühe scheuende Analyse
dankbar. Sie stellt genau vor jene Problematik, welche uns zu
einem neuen Versuch veranlaßte. Sollte dieser Versuch mißlungen
sein, stehen wir jedenfalls wieder am Anfang unseres Fragens.
In die Einzeldebatte konnte ich nicht zu tief einsteigen. Wichtig
war mir vor allem die Struktur der Argumentation. Sie scheint
mir zu zeigen, daß man nicht bloß in der „Bultmannschule", sondern
auch in Trier mit Wasser kochen muß. Historische Arbeit
lebt von Hypothesen, deren Rechtfertigung letztlich nur durch
eine geschlossene Interpretation erfolgen kann. Ich vermag nicht
zuzugestehen, daß die Interpretation des Verf. geschlossener
wäre als die unsrige. Aber er hat uns so viel Steine zwischen die
Füße geworfen, daß sich die kritische Auseinandersetzung mit
ihm lohnt, wir zur Überprüfung unserer Hypothesen genötigt
und vielleicht einmal zu einer besseren Interpretation geführt
werden. Schuldiger Respekt sollte ihm auch durch die Länge und
Schärfe der Besprechung erwiesen werden.

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften

34. Die Loblieder von Qumrän II

Von H. B a r d t k e, Leipzig

Kolumne II. !)[...] dw □ 2) C..] *zj '[.] 3) [..] alle frevelhaften
Taten [.] 4) [.] sm [. .] (Gei)ster1 der Wahrheit2 in aller
(deiner machtvollen Weisheit)3 5) (aber du, mein Gott, wirst)
zerschlagen die Hüf(ten deiner Gegner)4 [.], und die Freudekünder
werden zu kummervoller Trauer5 6) (und die Stimme der Lobpreisenden
wird zu allerlei verderblichem Vortrag7, (aber sie)8
sind stark, daß mein Herz zerfließt, und sie verhärten (ihr Herz)"
7) vor dem Un(heil), und da gabst du eine Antwort der Zunge
dem Redeungewandten und machtest meine Seele fest durch Festigung10
der Lenden 8) und gewaltige Kraft11 und stelltest meine
Tritte in das Gebiet der Bosheit12. Und da ward ich zur Falle für
Übeltäter und zum Arzt für alle, 9) die da umkehrten von der
Sünde, zur Klugheit für die Toren und zum festen Sinn für alle
bestürzten Herzen, und da machtest du mich zu Schmach 10) und
Spott13 für die Abtrünnigen, zu einem Fundament der Wahrheit
und Erkenntnis für alle redlich Wandelnden14. Und da ward ich
um der Sünde der Ruchlosen willen 11) zum Gerede18 auf der
Lippe der Gewalttätigen, Schwätzer knirschten mit den Zähnen10.

1) hj ist zu rwhj zu ergänzen.

') Oberhalb und unterhalb von 'mt sind je drei Punkte gesetzt,
über den Oberpunkten steht sdk geschrieben.

3) Am Ende von Z. 4 ergänze ich h zu hwkmt und in der Lakune
von Z. 5 gbwrtkhcf 1 QS IV 3.

4) Nach Dt 33, 11 lese ich w'tth Tj tmhs mwtnj kmjkh.

°) Zum Gegensatz vgl. Est 9, 22. Zum Ausdruck auch 1. Ch 15, 16.

6) Ich ergänze wqwl mhl.

7) Wörtlich „Gerüchte, Kunde, Offenbarung". Bei Jesus Sirach
'«11; 8, 9 „Lehrvortrag".

*) Ich ergänze whmmh und nehme ein Spatium davor an.
*) Ich ergänze lbbm. Das zweite Wort von Z. 7 ist zu lesen hr'.
10) Ich punktiere hzzwk.

") Diese Wendung von Gott gesagt Jes 40, 26, Hi 9, 4, Prv 24, 5
CVSS). Ich lese 'mjs statt 'mws.

1J) Spatium von 4 mm auf der Zeile hinter diesem Wort.

13) Jr 20, 8 stehen die beiden Worte nebeneinander. Vgl. auch
P». 44, 14; 79, 4.

14) 6 mm Spatium hinter dem letzten Wort.

15) Mit Z. 11 beginnen B-M einen neuen Satz.
) 6 mm Spatium hinter dem letzten Wort.

Und ich, ja ich bin geworden zu einem Spottlied für die Übeltäter
, 12) und wider mich strömte die Ansammlung der Ruchlosen
, und sie lärmten wie Stürme des Meeres, wenn seine Wogen
rauschen. Schlamm 13) und Kot warfen sie aus17, du aber
machtest mich zu einem Panier für die Erwählten der Gerechtigkeit18
und zu einem Dolmetsch der Erkenntnis durch wunderbare
Geheimnisse19, um zu prüfen 14) (die Männer) der Wahrheit30
und um zu versuchen diejenigen, die Züchtigung lieben21, und da
bin ich geworden zu einem Mann des Streites für die Dolmetschen
des Irrtums und (zu einem Herrn)22 15) (der Träume)23 für alle,
die da Richtiges schauen24. Und ich ward zu einem eifervollen
Geist für alle, die da (den Träumer eines Traumes)25 suchten,
16) (und alle)26 Männer des Truges tobten wider mich wie der
Schall einer Menge starker Wasser, und Ränke Belials waren
(alle)27 17) ihre Gedanken, und sie kehrten zur Grube um das
Leben des Mannes, dessen Mund28 du gegründet hattest, und den
du Einsicht gelehrt hattest. 18) Du hast in sein Herz gegeben,
eine Quelle der Erkenntnis aufzutun für alle Einsichtigen, aber sie

17) B-M weisen mit Recht auf Jes 57, 20 hin und begründen den
Unterschied von grä und rg5 mit der Lesart von 1 Q Jes b an dieser
Stelle.

18) bhjrj sdk scheint singulärer Terminus zu sein. Sonst nur bhjrj
'1 oder rswn in i QS VIII 6 und 1 QpH X 13, worauf B-M hinweisen.

1B) Vor dem letzten Wort der Zeile 5 mm Spatium als Zeilenfüllung
. Ein neuer Sinnabschnitt beginnt nicht.

'") So ergänzen auch B-M nach 1 QpH VII 10. Vgl. desgl. meine
Auflösung von "m in 1 QS V 5 (Die Handschriftenfunde am Toten
Meer 19T32, 93, 4).

21) Im Singular Prv 12, 1. Druckfehler bei B-M (21, 1).

22) Ich ergänze wb'l, das, wenn ich mich nicht täusche, noch im
Faksimile erkennbar ist.

S3) Ich ergänze hhwlmjm in Abwandlung des Ausdrucks aus Gen
37, 19.

24) 5 mm Spatium auf der Zeile hinter diesem Wort.
M) Ich ergänze hwlm hlwm nach Dt 13,2 u. ö. B-M ergänzen
hlkwt.

20) Am Anfang der Zeile zu ergänzen wkwl.
") Am Ende von Z. 16 ist kwl zu ergänzen.
ss) Mit B-M lese ich bpjw.