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Ausgabe:

1956 Nr. 1

Spalte:

39-42

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Stendahl, Krister

Titel/Untertitel:

The school of St. Matthew, and its use of the Old Testament 1956

Rezensent:

Vielhauer, Philipp

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 1

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sion der synoptischen Apokalypse außer dem Mk.-Stoff nicht-mar-
cinisdie Quellen eingearbeitet sind (S. 107, N. 2), so tut er dies
ohne sich mit dem auseinanderzusetzen, was zu dieser Frage, sei
es von Streeter, sei es von Goguel, vorgebracht wurde. Anstelle
einer Reihe von Fällen sei nur auf diese beiden Fälle verwiesen,
wo C. der Redaktionstätigkeit des Evangelisten etwas zuschreibt,
was tatsächlich als aus vom Evangelisten übernommenen Quellen
herrührend gelten muß3.

Das im Literaturverzeichnis (S. 209) Professor Thomas Walter
Manson als Verfasser zugeschriebene Buch „The Gospel of
Luke" hat William Manson zum Verfasser.

Conzelmanns Buch ist eine der einsichtigsten und scharfsinnigsten
Studien, die die neuere Lukasforschung hervorgebradit
hat. Die Wichtigkeit der zur Erörterung stehenden Probleme, die
Neuheit der Ideen des Verfassers und die Gedrängtheit der Darstellung
machen es nicht immer einfach, seinen Darlegungen zu
folgen. Man legt das Buch mit Bereicherung fort und erwartet,
zu ihm wieder zurückzukehren. Wenn dennoch, abgesehen von
Einseitigkeiten und Überspitzungen in Einzelfragen, sich vor dem
Leser am Ende ein großes Fragezeichen erhebt, so liegt dies nicht
an einem Mangel der Conzelmannschen Darstellung, sondern ist
in der Schwierigkeit des Problems selbst begründet. Obwohl er
in seinem Buch häufiger Stellen aus dem Evangelium als aus der
Apostelgeschichte zur Begründung seiner Ansichten heranzieht, ist
es doch in der Hauptsache die Apostelgeschichte, die Conzelmanns
Einschätzung des Werkes des Evangelisten bestimmt. Es ist die
Erwägung, daß der Mann, der das dritte Evangelium schrieb, auch
Verfasser der Apostelgeschichte war, die Cs. Einstellung zum
Evangelium und Cs. Urteil über den Evangelisten veranlaßt hat:
für ihn ist Lukas derjenige, der eine christliche Geschichtsschreibung
ermöglicht hat, derjenige, der anstatt die Geschichte als aufgehoben
zu betrachten nun selbst das Christentum in die Geschichte
gestellt hat. Dies aber bedeutet, daß all die unbeantworteten
Fragen, die sich an die Absicht des Verfassers der Acta
knüpfen, auf Cs. Betrachtung des Evangelisten abfärben. So ist
denn auch die Grundthese des Conzelmannschen Werkes von einer
gewissen subjektiven Bedingtheit nicht freizusprechen. Daß der
Verfasser von Lukas-Acta in Jesu Wirken die „Mitte der Zeit"
erblickte, läßt sich sagen, wenn Gewißheit darüber besteht, daß
es in des Verfassers Absicht lag, daß sein Geschichtswerk mit der
Apostelgeschichte in der uns erhaltenen Form seinen Abschluß finden
solle. Wenn es jedoch des Verfassers Absicht gewesen sein
sollte, eine Fortsetzung zur Apostelgeschichte zu schreiben, dann
sind alle Schlußfolgerungen (stillschweigende sowohl wie ausgesprochene
), die von der Apostelgeschichte her auf das Evangelium
gemacht werden, alles was C. in seinem schönen Buche
über die Geschichtstheologie des Evangelisten vorbringt, in Frage
gestellt. Denn wir müßten annehmen, daß das Denouement der
eigentlichen Absicht des lukanischen Geschichtsschreibers dem dritten
Teil seines Werkes vorbehalten geblieben wäre. Dieses große
Fragezeichen soll nicht dazu führen, die Bedeutung des vorliegenden
Werkes zu unterschätzen. Die neutestamentliche Forschung
wird Conzelmann für diese Arbeit auf Jahre hinaus verpflichtet
bleiben.

London Paul Winter

f3/f£. 3) Meine Ansicht über die Quellenbenützung in Lk. 21—24 habe
ich in ausführlicher Weise in Studia Theologica, Bd. 8, Heft 2, begründet.

Stendjhl, Krister: The School of St. Matthew, and its Use of the
Old Testament. Uppsala: Almqvist & Wiksells; Lund: Gleerup;
Kopenhagen: Munksgaard 19 54. 249 S. gr. 8° = Acta Seminarii Neo-
testamentici Upsaliensis XX. Sdiw. Kr. 18.—.

Nachdem die formgeschichtliche Erforschung der Synoptiker
sich früher vor allem der Analyse der kleinsten Einheiten gewidmet
hat, wendet sie sich jetzt mehr und mehr den Evangelien
als ganzen zu, um aus den Besonderheiten der Komposition (des
geographischen Rahmens etwa), den literarischen und theologischen
Motiven die Eigenart des betr. Evangeliums zu erkennen
und Rückschlüsse auf seinen historischen und theologischen Hintergrund
zu ziehen. In zwei großen Würfen ist dies von Lohmeyer
für Markus und von Conzelmann für Lukas getan worden
; inzwischen regt sich immer stärker das Interesse auch für

Matthäus. Stendahls Monographie ist ein kräftiger Vorstoß, der
dem Studium des Mt. neue Impulse geben kann.

Der Verf. ist von der formgeschichtlichen Frage geleitet,
welchen „Sitz im Leben" Mt. hat, und meint, „a school as a
background to the First Gospel" (11) zeigen zu können und versucht
, „to trace the influence of a school on the composition
and the actual material of the gospel" (12). Dem Nachweis dieser
These gilt der 1. Hauptteil (The School, 11—35), während
der 2. Hauptteil (The Quotations from the Old Testament,
39—217) am Gebrauch des AT die Arbeitsweise dieser Schule untersucht
und damit ein weiteres Argument für ihre Existenz
liefern soll.

St. fragt zuerst nach „The creative milieu of the gospels"
(13—19) und kritisiert die These von Dibelius, die „Predigt" sei
der „Sitz im Leben" des Evangelienstoffes; der Begriff der Predigt
sei auch in der Ausweitung, die Dibelius ihm gegeben habe,
viel zu eng; man müsse mit Bultmann auch Apologetik und Polemik
, Gemeindebildung, Disziplin und schriftgelehrte Arbeit in
Rechnung stellen. Vor allem spreche gegen Dibelius, daß sehr
wenig vom Evangelienstoff in den anderen Schriften des NT zu
finden sei, in größerem Ausmaß erst bei Justin und Irenäus —
und hier nicht in homiletischer Tradition, sondern in Werken
mehr gelehrten Charakters. Das konkrete Milieu der Bildung
und Sammlung des Stoffes sei woanders zu suchen.

St. unternimmt dies zunächst nur für das Mt. ev. als ganzes
(The Gospel of Matthew as a handbook issued by a school,
20—29), und zwar in Auseinandersetzung mit G. D. Kilpatrick
(The Origins of the Gospel according to St. Matthew, 1946),
dessen Auffassung des Mt. als eines Buches für den liturgischen
Gebrauch er darstellt und eingehend kritisiert. Er kommt zu dem
Ergebnis, „that the school may be invoked as a more natural
Sitz im Leben. The systematizing work, the adaptation towards
casuistry instead of broad Statements of principles, the reflec-
tion on the position of the church leaders and their duties, and
many other similar features, all point to a milieu of study and
instruction" (29). Lehrreich sind hier die Parallelen, die St. zwischen
Mt, dem Manual of Discipline der Qumransekte und der
Didache zieht.

Weitere Erwägungen über „The Matthaean school and similar
features in the primitive church" (30—3 5) sollen die Schul-
Hypothese stützen: der schnelle Erfolg des Mt. in der alten Kirche
sei nicht zu erklären, wenn es sich um die Privatarbeit eines
Einzelgängers handelte; die Vermutung Fridrichsens, das Joh. ev.
sei das Werk einer johanneischen Schule; die Hypothese, mit
VJtnQFrriQ Lk. 1,2 u. ö. sei das christliche Pendant zum synago-
galen chazzan, dem Lehrer für den Elementarunterricht, gemeint,
womit man die Schule „as the Sitz im Leben of the gospel material
from its earliest stages" ansehn könne (33). St. stellt die
Schule des Mt. in die Entwicklung des Urchristentums hinein:
„There may therefore be an unbroken line from the school of
Jesus via the 'teaching of the apostles', the 'ways' of Paul, the
basic teaching of Mark and the other v.rriQhai rov Xöyov and
the more mature School of John to the rather elaborate School
of Matthew with its ingenious interpretation of the O. T. as the
crown of its scholarship" (34). Er kommt zu dem Schluß: „Thus
the Matthaean school must be understood as a school for tea-
chers and church leaders, and for this reason the literary work
of that school assumes the form of a manual for teaching and
administration within the church" (35).

Die Argumentation des 1. Hauptteils wirkt nicht recht überzeugend
, weil ihr Gang ganz von der Auseinandersetzung mit
der Sekundärliteratur, statt von der Analyse des Stoffes bestimmt
ist. So richtig manche Einwände gegen Dibelius sind, so wenig
ist seine Grundthese erschüttert, daß allein die Verkündigung
(im weitesten Sinn) die Erhaltung und Formung, die Weitergabe
und Sammlung der Worte und Taten Jesu nötig und möglich gemacht
hat — womit über den „Sitz im Leben" der einzelnen
Gattung noch keine konkrete Angabe gemacht ist; es scheint mir
aber unrichtig und allzusehr vereinfacht zu sein, nicht nur für
ein besonderes Evangelien buch, sondern für „the gospel
material from its earliest stages" eine Schule als Sitz im Leben
zu behaupten; dafür ist St. den Beweis schuldig geblieben.