Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1956 Nr. 9

Spalte:

558-559

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Dürig, Walter

Titel/Untertitel:

Geburtstag und Namenstag 1956

Rezensent:

Beckmann, Joachim

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

557

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 9

558

dem das Ordinarium als Ganzes nach Inhalt und Geschichte zur
Darstellung gebracht ist, folgen die Gesänge des Ordinariums
im einzelnen: Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Agnus.

In dem gleichen Schema folgt der Beitrag von J. Beckmann
über das Proprium m i s s a e, d. h. die durch das Kirchenjahr
wechselnden Stücke des Gottesdienstes. Nach der allgemeinen
historischen und systematischen Erörterung des Propriums
folgen die Gesänge des Propriums im einzelnen: Introitus, die
Gesänge zwischen den Lesungen (Graduale, Halleluja, Tractus),
Offertorium und Communio.

Weit umfangreicher, weil viel mehr ungelöste Probleme als
die Gesangstücke des Ordinariums und Propriums enthaltend, ist
der Aufsatz von Gerhard Kunze (der leider inzwischen verstorben
ist) über die Lesungen. Kunze gibt hier so etwas wie
das Resume seiner liturgiegeschichtlichen Lebensarbeit, die er
bekanntlich der Erforschung der Perikopen zugewandt hat. Seine
Auffassung von der Entstehung und der frühen Geschichte des
kirchlichen Perikopenwesens beruht auf äußerst kritischer Prüfung
der Quellen und ihrer traditionellen Deutungen. Er fordert
zu neuer und gründlicherer Erforschung der weithin nur oberflächlich
bekannten Geschichte der Perikopen auf.

Im ersten Abschnitt („Vorerwägungen") erörtert er die
Frage, was die Schriftlesung überhaupt bedeutet und was der Sinn
der gottesdienstlichen Lesung ist. Dann geht er zur „Vorgeschichte
des kirchlichen Perikopenwesens" über, wo er von den Axiomen
und Hypothesen handelt, die in diesem Frühstadium der
Lesungen besonders reichlich und fragwürdig sind. Zum dritten
gibt er einen Überblick über die Geschichte des kirchlichen Perikopenwesens
, soweit sie erforscht und einigermaßen deutlich erkennbar
ist. Den altkirchlichen Anfängen folgen das römischkatholische
Abendland und die reformatorischen Kirchen.

Jeder Abschnitt dieses Beitrages hat seine besondere Bedeutung
. Der Ertrag dieser Studie ist darum so groß, weil hier ein
echt kritischer Forscher uns an seiner Arbeit teilnehmen läßt.

Der Beitrag von Alfred Niebergall über die Geschichte
der Predigt ist eine Monographie für sich (S. 182—3 53).
Nach der Tradition sollte man meinen, daß dies Stück ein Bestandteil
der Homiletik ist, aber die Herausgeber haben mit gutem
Grund die Predigt als ein Hauptstück des evangelischen
Gottesdienstes in das Handbuch hineingenommen und ihm seiner
Bedeutung gemäß einen größeren Raum gewährt, ohne daß damit
die Flomiletik zu einem Unterabschnitt der Liturgik gemacht
werden sollte. Der Aufsatz von Niebergall entspricht wie die
übrigen dem grundsätzlichen Beitrag von Peter Brunner im ersten
Band über das Wesen des christlichen Gottesdienstes, in welchem
ein großer Abschnitt bereits der Verkündigung des Evangeliums
gewidmet war. Niebergall gibt einen Durchblick durch die Geschichte
der Predigt, wobei er der vorreformatorischen Geschichte
immerhin fast die Hälfte des Ganzen widmet. Zuerst handelt er
von der Predigt in der Synagoge als einer gewissen Vorstufe der
christlichen Predigt. Dann wird das Neue Testament nach „Ansätzen
" der Predigt eingehend durchgegangen. Es folgt je ein Abschnitt
über die Anfänge der Predigt im 2. und 3. Jahrhundert,
über die griechische Kirche, die abendländischen Kirchenväter und
das germanische Mittelalter. Jeder Abschnitt gibt mit Beispielen
ein gutes Bild von der Besonderheit der Predigt in den verschiedenen
Gebieten und Zeiten der Kirche. Mit der Behandlung der
Reformationszeit wendet sich Niebergall ausschließlich der evangelischen
Predigt zu: Luther, Zwingli, Calvin, Orthodoxie, Pietismus
, Aufklärung kommen eingehend zur Darstellung. Die
letzten beiden Stücke umfassen den Zeitraum seit der französischen
Revolution bis zur Gegenwart. Überall wird nicht nur eine
Fülle von Material ausgebreitet, sondern auch eine kritisch-theologische
Würdigung vorgenommen. Alles in allem eine auf sorgfältigem
Quellenstudium aufgebaute Arbeit über ein wesentli-
<hes, meist zu wenig bekanntes und studiertes Gebiet der Geschichte
der Kirche und des Gottesdienstes.

Der letzte große Abschnitt des zweiten Bandes enthält die
Gebete des Gottesdienstes. An erster Stelle steht der Beitrag
von H. L. Kulp über das Gemeindegebet. Wir erhalten
eine eingehende Geschichte des Gebetes der Gemeinde seit der
Urchristenheit und den ältesten Quellen der Kirche, vor allem

eine sehr interessante Darbietung der alten Abendmahlsgebete
(die ältesten Oblationsgebete, das Gebet „super oblatum" und
„post communionem") sowie des Gebetes „super populum". Dann
folgt die Geschichte der römischen „Kollekte", an die sich die
Geschichte der deutschen Kollektengebete anschließt, die mit der
Reformation beginnt und bis in die Gegenwart reicht. Die Eigenart
der Entwicklung der Kollektengebete in den evangelischen
Kirchen bis heute ist ausführlich zur Darstellung gebracht. Auch
diese Studie beruht auf umfassender Kenntnis der Quellen und
ist gerade für den evangelischen Leser von besonderem Wert.

An zweiter Stelle wird von Otto Dietz das „A 11 g e m e i-
ne Kirchengebet" untersucht. Zunächst handelt er von
Wesen und Inhalt des Kirchengebetes sowie von seiner Stellung
im Gottesdienst und den verschiedenen typischen Formen, die
es gewonnen hat. Dann gibt er einen ausführlichen Überblick
über die Geschichte von den ältesten Quellen bis zur Gegenwart
, wobei deutlich wird, wie die Reformation diesem uralten
Gebet wieder seine Stelle im Gottesdienst gegeben hat.

Zum dritten bringt W. Reindell eine sehr gründliche und
aufschlußreiche Arbeit über die „P r ä f a t i o n", d. h. das gToße
Dankgebet (die Eucharistie) der Abendmahlsfeier. Einer kurzen
Erörterung des Wesens und Inhaltes des Präfationsgebetes folgt
eine überaus instruktive Geschichte dieses bedeutsamen uralten
Bestandteils des christlichen Gottesdienstes. Dabei wird nicht
nur die alte Kirche und die westlich-römische Sondergeschichte
erfaßt, sondern auch die meist unbekannte Geschichte der Prä-
fation seit den ersten evangelischen Gottesdienstreformen des
16. Jhdts., über die Ergebnisse in den späteren Gottesdienstordnungen
der reformatorischen Kirchen, die Zeiten des Verfalls
und der Erneuerung bis zu den gegenwärtigen Bemühungen um
einen neuen evangelischen „Canon missae".

Das vierte Stück handelt über die ,,R ü s t g e b e t e".
Bernhard Klaus bietet hier eine sorgfältige und bedeutsame Studie
über die Entstehung der Rüstgebete in der vorreformatorischen
Kirche (Akzess, Stufengebet, Offene Schuld, Rüstgebet zur
Kommunion), woraus die eigentümliche Problematik der Rüstgebete
in den reformatorischen Gottesdienstordnungen deutlich
wird, die bis heute bei den Reformen des Gottesdienstes eine erstaunlich
große Rolle spielt (Verhältnis von Confiteor und
Kyrie!). Darum verdient gerade auch diese Arbeit, daß sie von
allen, die an der Erneuerung der Gottesdienstordnungen beteiligt
sind, zur Kenntnis genommen und beachtet wird, damit der
hier herrschenden Verwirrung gesteuert werde.

Den Schlußabschnitt bietet Kurt Fror über S a 1 u t a t i o-
nen, Benediktionen und Amen. Wir erhalten eine
schöne Darstellung des Sinnes der gottesdienstlichen Grüße zwischen
Liturg und Gemeinde in ihrer mannigfaltigen Gestalt sowie
ihrer Geschichte. Ein besonderer Abschnitt wird der „Pax",
dem alten Abendmahlsgruß, dem Segen und dem Amen der Gemeinde
gewidmet.

Somit enthält der 2. Band der Leiturgia eine bisher im evangelischen
Bereich noch nicht in dieser Weise gebotene liturgiewissenschaftliche
Untersuchung über die Bestandteile des evangelischen
Gemeindegottesdienstes. Er ist zwar von verschiedenen
Verfassern geschrieben, erscheint aber wie eine Gemeinschaftsarbeit
und wirkt als ein einheitliches Werk. Es eignet sich nicht
nur zum Studium, sondern auch als ein Nachschlagewerk, wenn
auch noch ein Register fehlt; denn durch die genaue Gliederung
ist alles einzelne, wonach man fragen möchte, gut zu finden.
Außerdem ist eine umfangreiche Literaturangabe in jedem Bereich
vorhanden, was die Möglichkeit der Vertiefung in die Einzelheiten
der Liturgie und ihrer Geschichte außerordentlich erleichtert
. Das Ersehe inen dieses Bandes ist in der Gegenwart, wo
in vielen evangelischen Kirchen an der Reform des Gottesdienstes
gearbeitet wird, von unschätzbarem Wert.

Düsseldorf Joachim Beckmann

Dürig, Walter: Geburtstag und Namenstag. Eine liturgiegeschicht-
lidie Studie. München: Zink 1954. 1 1 1 S. 8°. DM4.—.

Diese kleine, aber sehr sachkundige liturgiegeschichtliche
Studie geht der Frage nach, ob die heutige Bewertung des Namenstages
in der katholischen Kirche (als Taufgedächtnis!), die