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Ausgabe:

1956 Nr. 9

Spalte:

549-550

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Frend, William H. C.

Titel/Untertitel:

The Donatist church 1956

Rezensent:

Diesner, Hans-Joachim

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549

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 9

550

eine neue kritische Ausgabe der drei von Augustinus in seinem
Freundes- und Schülerkreise über drei Problemgebiete geleiteten
philosophischen Diskussionen. In der erstgenannten Schrift wird
der Skeptizismus der neuakademischen Schule bekämpft. An zweiter
Stelle wird dargelegt, daß das wahre Glück in der Erkenntnis
Gottes besteht und in der dritten Schrift wird vor allem erstmals
das Problem der Theodizee „Woher das Böse in der Welt?" untersucht
. Der von P. Knoell im Wiener Corpus konstituierte Text
erscheint in verbesserter Gestalt, da Green das bislang wenig umfangreiche
handschriftliche Material nicht nur erneut durchgearbeitet
hat, sondern zwei weitere Mss heranziehen konnte.

Entsprechend den für die Sammlung geltenden Regeln werden
im ersten Apparat die in diesen Schriften besonders zahlreich
nachzuweisenden Anklänge und Zitate aus der antiken Literatur
und dem christlichen Schrifttum angemerkt. Die zweite Reihe der
Noten bringt alle für die Beurteilung der Textgestaltung notwendigen
Varianten. Literaturangaben oder Hinweise, die für das
Verständnis des Inhalts der Schriften nützlich wären, werden nicht
geboten. Ausstattung und Druck des Buches sind allen Lobes
wert. Der Seminarleiter und die Teilnehmer erhalten die beste
Grundlage für ihre Arbeit.

Würzburg Berthold Altaner

F r e n d, W. H. C. : The Donatist Churdi. A Movement of Protest in
Roman North Africa. Oxford: Clarendon Press (Geoffrey Cumber-
lege, Oxford Univ. Press) 1952. XVI, 360 S., 3 Kt. gr. 8°. Lw. s 3 5/-.

Die ausführliche, wohlausgewogene Darstellung des britischen
Kirchenhistorikers ist bereits von v. Campenhausen (Gno-
mon 1953, 194 ff.) mit Recht als erste monographische Behandlung
der donatistischen Kirche und ihrer Geschichte hervorgehoben
worden. Der vor allem seitens der westeuropäischen Forschung
schon öfter beachteten nordafrikanischen Kirche und dem
Donatismus als einer Sonderform, aber doch für diesen Raum typischen
Sonderform wird damit nach den Untersuchungen von
Voelter, Thümmel, Duchesne, Monceaux, Seeck und Martroye
eine Berücksichtigung zuteil, die er wegen seiner kirchen-, vor
allem doch aber auch wegen seiner profangeschichtlichen Bedeutung
längst verdient hätte. Durch Heranziehung aller in Frage
kommenden literarischen (einschließlich der wichtigen epigraphischen
), aber vor allem auch der archäologischen Quellen zeigt der
Verf. schon von der Materialgrundlage her die zeitlich, räumlich
wie sachlich große Bedeutung und Ausdehnung des Donatismus,
der als „nationale Kirche des ländlichen Berbertums" (v. Campenhausen
) auf eine bis in die heidnische und sogar vorrömische Zeit
zurückgehende Vorgeschichte zurückblicken kann und in seinen
gar nicht schwachen Ausläufern und Nachwirkungen bis in die
vandalische und islamische Periode hineinreicht. Aus den dankenswerterweise
dargelegten — und wegen der weitgehend bis
heute bestehenden Kontinuität besonders wichtigen — geographischen
, ethnographischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen
Numidiens und Mauretaniens heraus, die er durch
Autopsie kennt, kann der Verf. den Donatismus letztlich als eine
Gesamtbewegung gegen Rom, seine Verwaltung und Kultur und
natürlich nicht zuletzt seine Kirche und seinen Kirchenbegriff
fassen, eben als eine „Widerstandsbewegung", wie ich ihn in
meinen „Augustin-Studien" einschließlich des Circumcellionen-
tums glaubte charakterisieren zu dürfen. Trotz des durch Thema
und Quellenlage gebotenen Eingehens auf ein umfassendes Detail
sieht F. den Donatismus also unter einem Ganzheitsaspekt
und sucht ihm — etwa durch Parallelisierung mit „ähnlichen" Erscheinungen
wie dem Novatianismus oder dem Bagaudentum —
einen allgemeinhistorischen Gehalt abzugewinnen, fördert andererseits
aber auch die Kenntnis des einzelnen, vor allem der
Einzelpersönlichkeiten: besonders wird die „Reihe" Tertullian-
Cyprian-Augustin neu hervorgehoben, wobei auf letzteren unter
sozialem Aspekt ein wenig günstiges Licht fällt, das ich auf Grund
entsprechender Forschungsergebnisse aber nur bestätigen kann.

In manchen — nicht unwesentlichen — Punkten vermag ich dem
Verf. allerdings nicht zu folgen; sicher kann ein Buch dieses Umfangs
nicht ganz ohne Spannungen sein, vielleicht liegt es aber doch mehr am
Mangel von Reflexionen, wenn hier und da Widersprüche auftreten: In
Kap. XX (Two Churches — Two Cities) hätte der Abstand zwischen
Theorie und Praxis des Donatismus besser hervorgehoben werden müssen.

In der Praxis waren sich beide Kirchen schließlich gar nicht sehr unähnlich
, nur der 'clash of ideas' war — freilich auch nur bis zu einem
gewissen Grade (Einstellung zur „Reinheit", zum Staate usw.) — frappant
, wurde aber doch häufig opportunistisch gemildert. Daß Augustin
'speaks to leisured and propertied folk, people with their villas
equipped with marble and tapestries' (327), ist in dieser Absolutheit
natürlich auch überspitzt, wie man jetzt schon leicht der anschaulichen
Schilderung bei van der Meer entnehmen kann. — Bemerkungen wie
'The bishop paints a vivid picture of the greed of the rieh, their osten-
tatious luxury, and their exploitation of the poor' (329) dürften wenigstens
nicht kommentarlos mit der Schilderung von Augustins Mahnungen
' that poverty was necessary in a Christian life, that they (nämlich
die ärmeren Klassen, H.-J. D.) had no right to murmur against those
who fed and clothed them so bounteously' (3 30) verbunden werden. —
Eine weitere offene Frage bleibt die des Circumcellionen-Namens; mit
der Deutung habe ich mich aber bereits in meinen „Augustin-Studien"
(59, A. 1) auseinandergesetzt. — S. 40 A. 5 muß es natürlich Tenney
Frank heißen. —

Trotz mancher Mängel ist freilich Frend's Werk durchaus
positiv zu werten; über sein engeres Thema hinaus wird es für
jeden Erforscher der Spätantike von großem Nutzen sein.

Greifswald Hans-Joachim D i e s n e r

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Duns Scotus, Ioannis, Dr. O.F.M.: Opera Omnia. Iussu et auetori-
tate RMI P. Pacifici M. Perantoni. Studio et cura Commissionis Sco-
tisticae ad fidem codicum ed. Praeside P. Carolo Balic. L Ordinario-
Prologus. XVI, 329* u. II, 301 S. II. Ordinatio. Liber Primus, distinc-
tio prima et secunda. XV, 467 S. III. Ordinario. Liber Primus, dis-
tinetio tertia. XV, 428 S. Civitas Vaticana: Typis Polyglottis Vati-
canis 1950/1954. 2°.

Als Johannes Duns Scotus im Jahre 1308, im Alter von nur
42 Jahren starb, hinterließ er sein Hauptwerk — seinen Kommentar
zu den Sentenzen des Petrus Lombardus — als Fragment. Er
hatte mehrfach, in Oxford und in Paris, Vorlesungen über das
Werk des Lombarden gehalten und war im Begriff, den ganzen
Stoff für die Veröffentlichung noch einmal gründlich zu überarbeiten
und vielfach zu erweitern, also eine sog. Ordinatio seines
Kommentars zu erstellen. Aber er konnte das Begonnene
nicht mehr vollenden. Bei seinem Tode war daher das Manuskript
in einem noch mangelhaften Zustand: Zahlreiche Stellen
waren berichtigt oder gestrichen, durch Zusätze am Rand ergänzt
oder ersetzt. Der Textverlauf war vielfach durch ganze leere Seiten
unterbrochen, offenbar weil Scotus sich zu den betreffenden
Fragen noch nicht endgültig entschieden und die schriftliche Ausführung
auf einen späteren Zeitpunkt verschoben hatte. Die
Schüler des Franziskanerlehrers wollten dessen nachgelassenes
Werk nicht in dieser unabgeschlossenen Form der Öffentlichkeit
übergeben. So arbeiteten sie manche der Randnotizen in das
Werk ein, ließen andere weg und ergänzten Fehlendes aus Vorlesungsnachschriften
. Die so entstandene Ausgabe des nachgelassenen
Werkes, das sog. Opus Oxoniense, liegt allen bisherigen
Drucken der Ordinatio des Duns Scotus zugrunde.

Da das ursprüngliche Manuskript verloren ging, würde man
wohl nie den authentischen Text des Duns Scotus ermitteln und
infolgedessen auch nie mit Sicherheit die scotischen Lehren feststellen
können, wenn nicht noch im 14. Jhdt. (nach Ansicht der
Herausgeber der vorliegenden Ausgabe um 1325) jemand das
kompilierte „Opus Oxoniense" mit dem damals noch vorhandenen
ursprünglichen Manuskript (dem „liber Duns") verglichen
und alle Abweichungen am Rande notiert hätte. Diese Korrekturen
wurden in der weiteren handschriftlichen Überlieferung des
„Opus Oxoniense" teilweise berücksichtigt, d. h. sie wurden unter
mehr systematischen als historisch-kritischen Gesichtspunkten
je nach dem Urteil des einzelnen Schreibers teils eingearbeitet,
teils vernachlässigt. Das Ergebnis war eine schier unübersehbare
Mannigfaltigkeit in der überlieferten Textgestalt der Ordinatio
des Doctor Subtilis.

So stehen heute dem Bedürfnis nach einem kritisch gesicherten
Text beim Hauptwerk des Duns Scotus weit größere Schwierigkeiten
entgegen als bei den Werken der anderen großen Scholastiker
. Diese Schwierigkeiten waren der Hauptgrund dafür, daß