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Ausgabe:

1956

Spalte:

472-473

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Richter, Liselotte

Titel/Untertitel:

Schöpferischer Glaube im Zeitalter der Angst 1956

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 7/8

472

W. Maurer gibt einen Überblick über die Geschichte der
Synoden in der Kirche, wobei er ihre charakteristischen Typen
herausarbeitet.

Derselbe Verf. entwickelt in Heft 10 die Entstehung und
Geschichte des „synodalen Bischofsamtes" in den evangelischen
Landeskirchen seit 1918, wobei er besonders an der rheinischen
und westfälischen Kirchenordnung Kritik übt. Man erhält einen
guten Überblick über die verschiedenen verfassungsrechtlichen
Strukturen des Bischofsamtes in den Kirchenordnungen nach 1945.

Ernst Kinder legt als Systematiker das Thema der
Synode als eines kirdienleitenden Organs dar, wobei er ihr eine
bestimmte „Mitwirkung bei der eigentlichen Kirchenleitung" zuerkennt
. Man kann diese Darbietung den Versuch eines „lutherischen
" Verständnisses der Synode nennen.

Von den Verfassern dieser Schriften wird man sagen können,
daß ihre theologische Grundkonzeption eindeutig und einheitlich
lutherisch im Sinne der VELKD ist (abgesehen von Thimme).

Dasseldorf J- Beckmann

Brunner, Peter: Die evangelisch-lutherische Lehre von der Taufe.

Eine kontrovers-theologische Anfrage an das Dogma und die Dog-
matik der römisch-katholischen Kirche. Berlin: Lutherisches Verlagshaus
1951. 41 S. 8° = Luthertum H. 4. DM 2.20.

Das Besondere dieser profilierten Darlegung der lutherischen
Tauflehre besteht darin, daß sie nicht wie die meisten Arbeiten
der letzten Jahre über die Taufe an der durch Karl Barth inaugurierten
Bestreitung der Kindertaufe orientiert ist, sondern die
römisch-katholische Tauflehre zum Gegenüber hat. Sie ist die
Wiedergabe eines Referates, das in einem ökumenischen Arbeitskreis
von evangelischen und katholischen Theologen vorgetragen
und zunächst in der „Münchener Theologischen Zeitschrift"
(195 l/l. Heft) abgedruckt wurde. Dieser Anlaß macht auch die
Methode verständlich: Die Darstellung fußt auf den offiziellen
Äußerungen der luth. Bekenntnisschriften zur Taufe, und Luthers
Tauftheologie wird zur Erläuterung herangezogen. Beides wird
an der Tauflehre des Neuen Testamentes bewährt.

„Wer die Lehre von der Taufe, wie sie sich in Luthers Kleinem Katechismus
ausgesprochen hat und in Luthers Tauftheologie erläutert ist,
zu Gesicht bekommen hat, der hat damit die apostolische Tauflehre selbst
in ihrer entscheidenden Mitte zu Gesicht bekommen. Dann bedeutet
aber die evangelisch-lutherische Lehre von der Taufe eine ernste Anfrage
an das Dogma und die Dogmatik der römisch-katholischen Kirche. Es ist
die Frage nach der echten Apostolizität und Katholizität der lutherischen
Lehre von der Taufe aufgeworfen" (6).

So wird hier zugleich mit der positiven Entfaltung auf Schritt
und Tritt in Übereinstimmung wie in kritischen Auseinandersetzungen
das Gespräch mit Dogma und Theologie der römischkatholischen
Kirche geführt.

Daß bei dem Verhältnis der apostolischen Taufe zur Johannestaufe
eingesetzt wird, ist sicher dadurch veranlaßt, daß das
Tridentinum in Sess. VII von der doppelten Einsetzung der Taufe
a) durch die Taufe Jesu, b) durch den Taufbefehl des Auferstandenen
redet. Der Verf. kommt auch von der lutherischen Tauflehre
her zu der wichtigen Feststellung, daß die Einsetzung der Taufe
nicht auf einem punktuellen Akt gründet, sondern „daß die Einsetzung
der Taufe durch Christus eine gewisse Geschichte einschließt
, die in der Taufanordnung zum Abschluß kommt" (ll).

„Die Geschichte der Einsetzung der apostolischen Taufe" fängt „mit
der Taufe Christi durch Johannes an" (ll). ..Aber erst in dem Taufbefehl
des Auferstandenen wird die Taufe durch ein offenes Mandat eingesetzt
" (12).

Weiterhin wird die Taufe als „Gnadenmitel" „im Gefüge
der von Gott gestifteten Gnadenmittel an ihrem Ort" (15) interpretiert
, wobei ihr instrumentaler und exhibitiver Charakter betont
wird. Besonders charakteristisch (und zu kritischer Auseinandersetzung
herausfordernd) sind die Ausführungen im IV—
VIII. Abschnitt, in denen methodisch unterschieden wird zwischen
dem, was von Gott her in Bezug auf die Handlung selbst (als Bereitung
der Mittel), und dem, was durch Gott kraft der Handlung
an dem Menschen geschieht, an dem diese vollzogen wird.
Das Motiv dafür ist, daß auf der einen Seite die selbstmächtige
Wirksamkeit der Taufe, auf der anderen Seite aber die Bindung

ihrer heilhaften Wirkung an den Glauben gesichert werden soll.
Diesem Anliegen ist voll zuzustimmen, aber es fragt sich, ob es
tunlich, ja, ob es möglich ist, ihm in der Weise solcher Unterscheidung
theologisch Rechnung zu tragen. Luther weist in den
Schmalkaldischen Artikeln einerseits den thomistischen Realismus
ab, wonach im Wasser selbst eine geistige Kraft enthalten sei.
andererseits den franziskanisch-skotistischen okkasionalistischen
Parallelismus. Es erscheint fraglich, ob es nach Brunners Distink-
tion gelingt, die erste Abgrenzung wirklich aufrechtzuerhalten.
Er scheint den diesbezüglichen Unterschied auf lediglich terminologische
Unterschiede zurückzuführen (21 f.), während er doch
wohl mehr ist.

Immerhin dringt Br. stark darauf, daß jene Unterscheidung
keinesfalls eine Trennung bedeuten darf, daß in der Taufe vielmehr
(entgegen manchen „Repraesentatio"-Tendenzen in der
heutigen Mysterientheologie) alles streng auf die Applikation zu
beziehen und daß jene Differenzierung nur innerhalb der Ausrichtung
darauf und um ihretwillen zu machen sei. Die Hervorhebung
des schöpferischen Wortes Gottes bei dem Ganzen, aber
etwa auch die tiefe Interpretation von Luthers eigentümlichen
„significatio"-Begriff (25 ff.), sowie die Auseinandersetzung mit
dem katholischen „obex"-Begriff (31 ff.) wehrt positiv allen rein
seinshaften Vorstellungen und zeigt die „pneumatische" Dimension
an, in der dies alles gilt. Ist diese wirklich ins Blickfeld getreten
, dann ist auch das berechtigte Motiv vom „character inde-
lebilis" aufzuzeigen (29 f.), dann kann, ja muß man — jedenfalls
im Gegensatz von jedem „ex opere operantis" (dabei wird auch
die katholische „intentio"-Lehre kritisiert (29 f.)) — von dem
richtig zu verstehenden „ex opere operato" in der Taufe sprechen
(30), jedoch so, daß dadurch die Bedeutung des Glaubens für die
heilhafte Wirkung der Taufe nicht niedergedrückt, sondern der
Glaube geradezu gefordert wird (33 ff.). Von diesem Boden aus
wird die Kritik mit dem römisch-katholischen „usus" der Taufe
wirklich wirksam geführt, wie auch etwa mit der dortigen Auffassung
des Verhältnisses von Taufe und Erbsünde (37 ff.), u. a.

Diese Arbeit zeigt konkret, wie fruchtbar gerade in der Tauflehre
(aber sicher auch sonst) die Konfrontation und Auseinandersetzung
mit dem Römisch-Katholischen ist; hier kommen wichtige
Seiten und Fragen zur Geltung und zur Sprache, die in rein
innerprotestantischen Auseinandersetzungen leicht aus dem Blickfeld
schwinden.

Münster (Westf.) Ernst Kinder

Richter. Liselotte, Prof. Dr. Dr.: Schöpferischer Glaube im Zeitalter
der Angst. Wiesbaden: Glock [1954] 183 S. kl. 8°.

Das Büchlein will eine Anleitung zur mystischen Meditation
über den Glauben sein, — es hat nur dieses Thema. Zu einem
großen Teil besteht es aus einer Darbietung mystischer Texte,
aus Tauler, Paracelsus, Weigel, Boehme, Silesius, Arnd, Oetinger,
Baader, Rilke, aber auch aus Luther und Kierkegaard. In einleitenden
Bemerkungen und im verknüpfenden Text wird jeweils
ein Unterthema behandelt, in enger Verbindung mit Lebensweg
und -werk eines Mystikers, worauf dann der Meditationstext
folgt, z. B. „Die Entdeckung der inneren Quellen" = Weigel,
„Existentielle Religion" = Ärnd. Da das Buch der Belebung der
Frömmigkeit dienen will, verzichtet es auf Quellenangaben und
gelehrten Apparat. Der heimliche Gegner, mit dem es ja auch die
„Helden" des Buches zu tun hatten, ist die tote Rechtgläubigkeit,
der „eine neue Mystik modernen gelebten Glaubens" entgegengesetzt
werden soll. Alte und neue mystische Wendungen sind
über das ganze Buch verstreut: „erweckende Übung", „Ursprünglichkeit
schöpferischen Glaubens", „Heimkehr in schöpferischen
Ursprung", „Eintauchen in den dunklen Strom des Werdens" u. ä.
Fast erübrigt sich die Bemerkung, daß die Verf. gegen den Strom
der heute führenden Theologie schwimmt. Man müßte in die
Zeit vor dem Idealismusstreit zurückkehren und die Lutherrenaissance
und die dialektische Theologie vergessen können, um die
Linie Luther — Leibniz — Kant — Goethe — Fichte nicht als Herausforderung
, sondern als ernste theologische Möglichkeit zu
empfinden. Da die Verf. ihr Buch „Immanenz und Transzendenz
im nachreformatorischen Gottesbild" (Berlin 1954) vorgelegt und
dort ihre mystische Position mit schwerem theologischen Rüst-