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Ausgabe:

1956

Spalte:

464

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Strasser, Ernst

Titel/Untertitel:

Niedersachsen - schöne Kirchen 1956

Rezensent:

Girkon, Paul

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 7/8

464

hinter" (S. 119). Sie können demnach gar nicht eine „paradi-
sische Landschaft" (S. 121) darstellen wollen, die der „Zaun als
Grenze der Jenseitigkeit" (S. 130) umgittert. Da alle Elemente
des Ornamentsockels in der gleichen Ebene liegen, ist hier kein
„jenseits des Zaunes" dargestellt, in dem G. das „Jenseits" selbst
finden möchte. Damit entfallen also die konkreten Voraussetzungen
für die Spekulationen darüber, daß die „Vordergründigkeit
des Balustradenzaunes" die „Hintergründigkeit des paradisi-
schen Jenseits" deutlich mache (S. 130). Mögen in den von G.
als Parallelen angezogenen römischen Katakombenmalereien wirklich
Zäune mit dahinter liegenden Gärten erscheinen, in Pees ist
davon nichts zu sehen. Die „Paradoxie des christlichen Janus-
tores" (S. 124), das beim Hereintragen des Leichnams das Tor
des Todes darstellen soll, bei der Auferstehung aber als Ausgang
des Grabes das Tor zum Paradies, hat erst G. der Eingangstüre
aufgebürdet, nicht aber der Urheber der Grabmalereien in Pees.

Auf die Innenwand der Nische sind eine Henkelkanne gemalt
und ein Becher; bekanntlich ersetzen solche gemalten oder
gemeißelten Gegenstände an den Gräbern die entsprechenden realen
, da sie nicht ein Opfer von Grabräubern werden und daher
länger die dem Toten zugedachte Weinspende sichern. Diese
Henkelkanne ist für G. ein „vas sacrum" (S. 122) und hat „eu-
charistischen Charakter" (S. 123); der Umstand, daß von den
beiden eucharistischen Elementen nur das Symbol des Blutes zur
Darstellung komme, legt für G. nahe, sogar eine „Märtyrerbeziehung
" zu suchen (S. 123). Für die Prädizierung von Kanne und
Becher als „Weingefäße des Abendmahles" (S. 132) hätte G. doch
mindestens einen archäologischen Beleg beibringen müssen, daß
der eucharistische Kelch jemals auch nur annähernd die Gestalt
einer solchen einhenkeligen, enghalsigen Kanne gezeigt hat, und
einen liturgiegeschichtlichen dafür, daß die Kommunikanten den
eucharistischen Wein in einen Becher empfingen und nicht unmittelbar
in den Mund. Auch die beiden Weinstöcke, welche das
die Nische umgebende Bogenfeld füllen, klären nicht „eindeutig"
den „eucharistischen Charakter des vas sacrum" (S. 122). Im Gegenteil
: der Weinstock hat dionysisch-sepulkralen Charakter und
ist als konventionell verwendeter Grabschmuck Jahrhunderte hindurch
bis in die christliche Zeit hinein nachweisbar.

Ob nun wirklich „die römische Tradition" in der Gruft von
Pees „zu einer letzten Synthese gelangt" ist (S. 132), mögen jetzt
die Kunsthistoriker entscheiden; daß sie hier auch „zu einer religiösen
Eigenständigkeit" gekommen sei, will dem Theologen
nicht eingehen. G. hat in der Grabkammer von Pees eine „christianisierte
altgriechische Paradeisos-Vorstellung" (S. 118) entdeckt
. Eine „altgriechische Paradeisos-Vorstellung" ist für die Religionsgeschichte
ein Novum, und worin ihre Christianisierung
bestehen soll, bleibt unerfindlich; denn aus der von G. gebotenen
Beschreibung und den beigegebenen Abbildungen ergibt sich nicht
der geringste Anhaltspunkt für die Annahme eines christlichen
Charakters dieser Grabanlage.

Wenn „Theologie- und Kirchengeschichte erneut zu einem
Fundament der kunstgeschichtlichen Forschung" geworden sein
sollen (S. 13), dann muß der Theologe gestehen, daß ihm auf diesem
haltlosen Treibeis nicht wohl ist.

R. Egger, „Aus der Spätantike Österreichs" (S. 139—143)
und H. Vetters, „Ein spätantikes Dorf in Bulgarien" (S. 145—149)
vermitteln einen Eindruck außerstädtischer Lebensverhältnisse der
ausgehenden Antike.

G. Bovini, „II ritratto sui sareofagi paleocristiani quäle pre-
zioso sussidio della loro cronologia" (S. 151—155) legt seine Datierungsmethode
dar, die er in „Sareofagi paleocristiani" (1949)
in großem Stil praktiziert hat.

F. Benoit, „Sarcophages chretiens d'Arles et de Marseille"
(S. 157—166) will die Werkstätten der Provence nach Marmorarten
unterscheiden.

R. Delbrueck, „Zwei christliche Elfenbeine des 5. Jahrhunderts
" (S. 167—188) und J. Porcher, „Les ivoires byzantins et
l'enluminure limousine ä la fin du Xe siecle" (S. 189—192) erweisen
aufs neue die räumliche und zeitliche Reichweite der byzantinischen
Kultur in Spätantike und Frühmittelalter.

Treffend ist als Titel- und Umschlagbild das Trierer Porträt
der Kaisermutter Helena (?) gewählt worden, das Th. Kempf in

mühsamer Zusammensetzarbeit aus zahlreichen kleinen Fragmenten
zu einem großen Teil wiedergewinnen konnte. Auch das Bild der
Spätantike kann nur aus unzähligen Einzelstücken zusammengestellt
werden, die zunächst in spezialisierten „Magazinen" wie
dem vorliegenden gesammelt und gesichtet werden müssen. Es
bedarf noch vieler Vorarbeiten, bis weitere Lücken sich schließen
und die Physiognomie jener Epoche auch für die Theologie- und
Kirchengeschichte klarer zu Tage treten kann.

Bonn Eduard Stommel

Strasser, Ernst: Niedersachsen — schöne Kirchen. Hannover: Schlüter
[1954]. 68 S. m. 53 Fotos, 16 Zeichng., 1 Lageskizze. 8°. Lw.
DM 6.-.

Die populäre Veröffentlichung des Superintendenten und
Schloßpredigers Lic. E. Strasser ist ein dankenswerter Beitrag zur
kirchlichen Heimatkunde Niedersachsens. Er vermittelt trotz bescheidenen
Umfangs einen ebenso anschaulichen wie beglückenden
Eindruck von der Fülle kirchlicher Bauten und Kunstwerke aus
einem Zeitraum von 1000 Jahren, die der Zerstörung des Bombenkrieges
entgangen oder durch eine meisterhafte Denkmalpflege,
z. T. unter Beseitigung störenden Beiwerks, uns aufs neue geschenkt
worden sind. Der in historischen und künstlerischen Fragen
kundige Theologe verbindet mit gut ausgewählten Bildbeispielen
kurze Beschreibungen, Episoden aus der Geschichte und
hier und dort auch Prinzipienfragen der kirchlichen Kunst, die jedoch
über die völlig unzulängliche Stellungnahme der evangelischen
Theologie zu künstlerischer Gestaltung nicht hinausführen.
Aufgrund der Bilder wird man den Urteilen des Verfassers nicht
immer beipflichten können. Z. B. ist der hölzerne Glockenturm
der Kirche von Egestorf nicht, wie er meint, schlank, sondern
höchstens vollschlank. Auch auf stilistischem und symbolischem
Gebiet ist manches nicht richtig gesehen. Grundsätzlich muß die
sehr häufige Verwendung von Begriffen, wie „Schmücken", „Verzieren
" und dergl. bedauert werden. Gerade einer weiteren Allgemeinheit
, die noch völlig in ästhetischen Mißverständnissen
kultisch-symbolischer Formbildung befangen ist, sollte in aller
Deutlichkeit gesagt werden, daß die künstlerische Verkörperung
des Heiligen mit Dekoration nichts zu tun hat.

Die Bilder mittelalterlicher Bauten und Kunstwerke, unter
denen man die bedeutende romanische Kirche des Stiftes Fischbeck
vermißt, erwecken den gänzlich überzeugenden Eindruck großer
vollbrachter Gestaltung, gleichviel, ob das äußere Ausmaß der
Kultbauten groß oder gering ist. Aber die wenigen Beispiele kirchlicher
Nachkriegsbauten erwecken den resignierten Eindruck, daß
die Gnade des Vollbringens der heutigen kirchlichen Kunst bis auf
wenige Ausnahmen nicht mehr gegeben ist. Die Christuskirche in
Wolfsburg von Gerhard Langmaack ist zweifellos ein Werk, das
der Beachtung und Stellungnahme wert ist. Aber das Bild des Kirchensaales
der reformierten Gemeinde in Nordhorn ist durchaus ein
Gegenbeispiel zum Titel des Buches, denn dieser Raum ist weder
kirchlich, noch schön, sondern nur völlig belanglos.

Das sympathische Büchlein, dem Landesbischof D. Dr. Lilje
ein Geleitwort auf den Weg gegeben hat, ist zwar keine Antwort
auf wissenschaftliche Fragestellungen, aber eine wertvolle Gabe
für die Heimatliebe der niedersächsischen Gemeinden. Die typographische
Gestaltung und Ausstattung des Werkes ist recht erfreulich
.

Münster P. Oirkon

Lücken, Gottfried von: Zu römischen Hochzeitssarkophagen.

Das Altertum 2, 1956 S. 28—38.
Schweizer, Julius: Zur Frage der Restauration von Gotteshäusern

in zwinglischem Gebiet.

Theologische Zeitschrift 12, 1956 S. 237—252.
Sedlmayr, Hans: Die Grenzen der Stilgeschichte und die Kunst des
19. Jahrhunderts.

Hist. Jahrb. 74, 1955 S. 394-404.
U n g e r, E.: Apotropäische Ziegelmarken in Mecklenburgischen Backsteinkirchen
und Babylonischen Bauten.

Wissenschaftliche Zeitschrift der Ernst Moritz Arndt - Universität
Greifswald. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe IV,
1954/55 S. 103—108.