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Ausgabe:

1956

Spalte:

455-456

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Schätti, Karl

Titel/Untertitel:

Erasmus von Rotterdam und die Römische Kurie 1956

Rezensent:

Stupperich, Robert

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 7/8

456

diese „für Unterriditszwedce bestimmte Ausgabe" (S. 1) zweifellos
eine Lücke. Da die Auswahl „vor allem vom sprachlichen Gesichtspunkt
" (S. 1) getroffen ist und „der Einführung in Luthers
Schriftsprache" dienen will, wird sie besonders dem Studenten
der deutschen Philologie von Nutzen sein. Nahezu alle Seiten
des Lutherschen Schaffens sind — chronologisch geordnet (1516
—1545) — in knappen, doch einigermaßen ausreichenden Proben
vertreten: der Brief, die Predigt, Vorrede, Auslegung, Flug- und
Streitschrift, das Kirchenlied, auch Stücke der Äsop-Bearbeitung
und Bibelübersetzung sowie des Kleinen Katechismus. „Fast überall
sind die betreffenden Erstdrucke zugrunde gelegt" (S. 1), doch
erfreulicherweise in einigen Fällen handschriftliche Vorlage und
Druck nebeneinander geboten, bei den Bibelausschnitten natürlich
die Fassungen von 1522 und 1546 (NT) bzw. 1524 und 1545
(AT), wobei ein Lesartenverzeichnis die hauptsächlichen Wandlungen
des Textes und den Zeitpunkt der Korrekturen angibt.
Interessant und nützlich ist die Gegenüberstellung der Weihnachtspostille
(Luk. 2, 1—14, vom Frühjahr 1522) und der entsprechenden
Fassung des Neuen Testaments (September 1522).
Den Stücken sind jeweils knappe Einleitungen vorangestellt,
welche die Entstehung darlegen und einige bibliographische Hinweise
geben, oft allerdings nur einen Verweis auf die Angaben
in der Weimarer Ausgabe. Zum Abschnitt „Luthers Bibelübersetzung
" nachzutragen wäre etwa der wichtige Aufsatz von
H.-F. Rosenfeld „Luther, Erasmus und wir, eine quellenkritische
Betrachtung zu Luthers Übersetzung des Neuen Testamentes
", Forschungen und Fortschritte 29, Berlin 1955, 313 ff
Daß auf sprachliche Erläuterungen verzichtet wurde, „um in diesem
Punkte dem Unterrichtenden oder dem Selbststudium nicht
vorzugreifen" (S. 2), mag mancher bedauern; immerhin ist eingangs
(S. 4) auf lexikalische und grammatische Hilfsmittel verwiesen
. Ein Wunsch sei noch für eine Neuauflage des nützlichen
Büchleins angemeldet: den Bibelausschnitten einige Fassungen
späterer Drucke hinzuzufügen, um die modernisierenden Veränderungen
und allmählichen Anpassungen des Lutherdeutsch an
den Stand der neueTen Schriftsprache erkennen zu lassen.

Daß vorliegende Ausgabe — ebenso wie die jüngst von K.
B i s c h o f f1 und L. E. S c h m i t ts herausgegebenen Texte —
im Universitätsbetrieb ihre Dienste zu tun vermag, scheint mir
sicher, weniger jedoch, ob sie auch unseren Studenten zugute
kommen wird oder auf den westlichen Bereich unseres Vaterlandes
beschränkt bleibt.

*) Martin Luther, Von der Freiheit eines Christenmensdien, hrsg.
v. L. E. Schmitt, 2. Aufl., Halle 1953.

*) Martin Luther, Sendbrief vom Dolmetschen, hrsg. v. K. Bischoff,
Halle 1951 (mit Proben verschiedener Bibelübersetzungen).

Berlin Johannes Erben

S c h ä 11 i, Karl, Dr. phil.: Erasmus von Rotterdam und die Römische
Kurie. Basel u. Stuttgart: Helbing & Lichtenhahn 19 54. 169 S. gr. 8°
= Basler Beiträge z. Geschiditswiss., hrsg. v. E. Bonjour u. W. Kaegi,
Bd. 48. sfr. 10.55. ^Vo^ l^Vv

Die Erasmus-Literatur der letzten zwei Jahrzehnte ist nicht
sonderlich reich. Sehen wir von den biographischen Versuchen
ab, so ist die Zahl der Spezialuntersuchungen für Erasmus im
deutschen Sprachgebiet gering zu nennen. Aber auch die außerdeutsche
Forschung hat nicht viel in die Waagschale zu werfen.
Jeder neuen Erasmus-Arbeit wird daher die nötige Aufmerksamkeit
entgegengebracht.

Erasmus-Arbeiten sind immer umfassend. Sie setzen nicht
nur die Kenntnis des ganzen Erasmus, sondern auch der weitverzweigten
Beziehungen, in denen Erasmus gestanden hat, voraus.
Die Sorge, daß der Verfasser der vorliegenden Untersuchung diese
Voraussetzungen nicht erfüllte, ist überflüssig. Seine Arbeit ist
bei aller Weite des Themas eine anerkennenswerte Leistung. Sie
ist ebenso gut fundiert wie lebendig und anschaulich in der Darstellung
. Der Verf. bemüht sich, den durch sein Thema gegebenen
weiten Rahmen voll auszufüllen, wobei er freilich manches voraussetzen
muß und anderes nur kurz streifen kann. Gerade an
der Verknüpfung mit der Umwelt läßt er es bisweilen fehlen.
Andererseits wird die eigene Auffassung des Erasmus an einigen
Stellen nicht deutlich genug herausgearbeitet. Wenn der Verfasser
den Ertrag der holländischen Erasmus-Forschung stärker berücksichtigte
, wäre das Bild nach dieser Seite hin leicht zu vervollständigen
gewesen.

Die Arbeit ist nach den fünf Pontifikaten, die Erasmus erlebt
hat, gegliedert. Der Verf. weiß die schwierige Lage des Erasmus
gegenüber der Kurie und sein Verhandlungsgeschick ins rechte
Licht zu setzen. Der Verf. betont sein Bestreben, nicht außerhalb
der Kirche zu stehen, kennzeichnet auch seine Bemühungen,
den Bruch zwischen Wittenberg und Rom zu verhindern. In seinen
Augen konnte eine Verurteilung Luthers, an dem ihm nichts
lag, eine solche der Litterae nach sich ziehen. Wenn Erasmus sich
für die Tradition einsetzt, so setzt er sich für die Freiheit und den
Freiheitscharakter der philosophia christiana ein. Weil er für den
Frieden ist, muß er für die Kirche eintreten. Seine verzweifelten
Bemühungen in der Kampfsituation der 20er Jahre und seine
weitgehenden Ausgleichsversuche werden gut herausgearbeitet.
Ohne auf die antilutherischen Schriften des Erasmus näher einzugehen
, allein aus seiner kirchenpolitischen Stellung heraus, bestimmt
der Verf. die kirchliche Haltung des großen Heimatlosen.
Erasmus wird als Anfänger jener Reformkreise hingestellt, die
zu Contarini führen. Diese ungeschützte These kann nicht richtig
sein. Das zeigt ein Vergleich der theologischen Grundgedanken
auf den ersten Blick. Im übrigen sind die Einigungsbestrebungen
der Reformationszeit durchaus auf Erasmus zurückzuführen.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: die vorliegende Arbeit
hat ihre großen Vorzüge. Umso bedauerlicher sind einige
Schönheitsfehler. Auffallend ist, daß der Verf. beim Novum
Instrumentum immer nur von der neuen lateinischen Übersetzung
spricht, ohne die Edition des griechischen Textes auch nur mit
einem Wort zu erwähnen (S. 54 ff. u. ö.). Nicht weniger seltsam
wirkt die Behauptung, daß „Melanchthon dem Kaiser die Con-
fessio Augustana überreicht" habe (S. 142).

Münster/Westf. R. Stupperich

Calvin, Johannes: Unterricht in der christlichen Religion. Institutio
Christianae Religionis deutsch. Nach der letzten Ausgabe übers, u.
bearb. von Otto Weber. Mit Registerband: Bibelstellen- u. Be-
griffsverzeichnis, bearb. v. Dieter Linz. Neukirchen/Moers: Verlag
d. Buchhandl. d. Erziehungsvereins 1955. XXXVI, 1057 S. u. 99 S.
gr. 8°. DM 36.-.

Otto Webers deutsche Übersetzung der Institutio Calvins
von 1559, wegen ihrer Sorgfalt, guten Lesbarkeit und übersichtlichen
Anordnung genugsam bekannt, ist erfreulicherweise nun
in neuer Auflage erschienen. Die vorliegende Ausgabe, sonst ein
unveränderter Abdruck der dreibändigen früheren Auflage, unterscheidet
sich von dieser dadurch, daß ein kleinerer, aber gut
lesbarer Druck gewählt und so die Zusammenfassung in e i n e m
Buch von 1057 Seiten nebst 99 Seiten Register ermöglicht wurde.
(Die Überschriften zu den einzelnen Paragraphen wurden aus
Raumgründen an den Rand gesetzt.) So liegt das große dogmatische
Hauptwerk des Reformators zum ersten Mal vollständig in
einem Band gebunden in deutscher Sprache vor, ohne unhandlich
oder unübersichtlich zu sein.

Angesichts der immer noch relativ geringen Calvin-Kenntnis
im deutschen Bereich ist dem Werk weite Verbreitung, vor allem
auch unter den Studenten, zu wünschen, — in der Hoffnung allerdings
, daß es das lateinische Original nicht ersetzen, sondern zu
ihm wie überhaupt zu den Schriften Calvins den Zugang weiter
erschließen möchte.

Bonn W. Kreck

J u d, L.: Katechismen. Bearbeitet von Prof. D. Dr. Oskar Farncr.
Zürich: Niehans 1955. 376 S. kl. 8° = Veröff. d. Rosa Ritter-Zweifel-
Stiftung, hrsg. v. Dr. Robert Ritter-Zweifel. Religiöse Reihe.

Es ist ein bemerkenswertes Zeichen für die gegenwärtige
geistige Haltung Zürichs, daß eine Stiftung errichtet wird mit
dem Zweck, „der Gegenwart den Geist der Reformationszeit
durch entsprechende Veröffentlichungen näher zu bringen". Während
eine historische Reihe Chroniken, Briefe und Abhandlungen
in Originaltexten bringen wird, soll die für breitere Kreise bestimmte
religiöse Reihe reformatorische Schriften in der Sprache
der Gegenwart vermitteln.