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Ausgabe:

1956

Spalte:

452-453

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Forster, Karl

Titel/Untertitel:

Die Verteidigung der Lehre des Heiligen Thomas von der Gottesschau durch Johannes Capreolus 1956

Rezensent:

Landgraf, Artur Michael

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451

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 7/8

452

Spörl, Johannes: Augustinus — Schöpfer einer Staatslehre?

Hist. Jahrb. 74, 1955 S. 62—78.
Straub, Johannes: Augustins Sorge um die regeneratio imperii. Das

Imperium Romanum als civitas terrena.

Hist. Jahrb. 73, 1954 S. 36—60.
— Palingenesia. Bemerkungen zu einem Papyrus (P. Lond. 878) aus der

Zeit des Licinius.

Hist. Jahrb. 74, 1955 S. 653—661.
V e n, Paul van den: Erreurs de methode dans la correction conjectu-

rale des textes byzantins.

Byzantion XXIV, 1954 S. 19—45.
Vis eher, Lukas: Die Rechtfertigung der Schriftstellerei in der Alten
Kirche.

Theologische Zeitschrift 12. 1956 S. 320—336.

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

H a u b s t, Rudolf, Priv.-Doz.: Studien zu Nikolaus von Kues und Johannes
Wenck. Aus Handsdiriften der vatikanischen Bibliothek. Münster
: Aschendorff [1955]. XII, 143 S. gr. 8° = Beiträge zur Geschichte
der Philosophie und Theologie des Mittelalters. Texte u. Untersuch.
Bd. XXXVIII, 1. Kart. DM 9.80.

Diese sehr fleißige und nach vielen Richtungen hin ergebnisreiche
Studie erwuchs aus einer Bestandsaufnahme dessen, „was
die Hss. der Vatikanischen Bibliothek über Nikolaus von Kues
enthalten" (Teil I), eine Arbeit, die der Heidelberger Cusanus-
Edition, an der der Vf. als Editior der Cusanus-Predigten beteiligt
ist, zugute kommen sollte.

Von hier aus wurde Vf. auch zu einer Aufnahme des in den
Codices Palatini der Vatikana erhaltenen Schrifttums von Johannes
Wenck, dem Gegner des Cusanus, geführt (Teil II), über den
er bereits früher eine Studie in den Rech, de Theol. anc. et med.
veröffentlicht hatte.

Schließlich entwirft er auf Grund des in Teil II gesichteten
Materials in Teil III eine Skizze von der geistigen Persönlichkeit
Wencks, die den durch seinen unglücklichen Angriff auf die docta
ignorantia des Cusanus und durch dessen Replik stark kompromittierten
Heidelberger Theologen so gut es geht zu rehabilitieren
sucht.

Der Wert, den diese Arbeit allein durch die teilweise minutiöse
Durchprüfung von mehr als 50 vatikanischen Hss. des 15.
Jhdts. unter Heranziehung von fast ebensovielen Hss. anderer
europäischer Bibliotheken darstellt, leuchtet dem Sachkundigen
ohne weiteres ein. In zahlreichen Fällen vermag H. anderweitig
bereits gedruckte Texte aus diesen Hss. auf Grund richtigerer
Lesung zu korrigieren. Manche bisher ungedruckte, für die Person
der Vff., für die Zeitgeschichte und für die Kontroversen um
das Basler Konzil hochinteressante Einzeltexte druckt er ab. Vor
allem gelingt es ihm, zahlreiche Texte lokal und chronologisch
zu fixieren, ihre Vff. mit mehr oder weniger Sicherheit festzustellen
und den Weg zu verfolgen, den manche dieser Hss. von
ihrem Ursprung bis in die Vatikana gegangen sind. Wieviel Licht
dadurch auf wissenschafts- und theologiegeschichtliche, kirchen-
und weltpolitische Zuammenhänge und auf die vita mancher bedeutenden
Gestalt des 15. Jhdts. fällt, zeigt die große Zahl umfangreicher
Anmerkungen, in denen unter Verwertung einer erstaunlichen
Fülle von einschlägigen Untersuchungen sich die Wissenschafts
-, Universitäts-, Konzils- und Papstgeschichte des mittleren
15. Saekulums vor uns ausbreitet. Ein Blick auf das angehängte
Verzeichnis der behandelten Personen bestätigt das.

Eine besonders hervorzuhebende Leistung ist die Analyse
des Cod. Vat. Pal. 600, der das Fundament für H.s Wenck-Deu-
tung abgibt. Wer die Mühen der Analyse solcher Hss. kennt, die
als Konzept gedient haben und durch Nachträge, Einschübe, Tilgungen
, Umstellungen usw. jede Ordnung und Übersichtlichkeit
verloren haben, wird der hier erbrachten Leistung die Anerkennung
nicht versagen.

Die Wenck-Darstellung selbst (Teil III) ist auf zwei Thesen
aufgebaut, die aus dem reichen Material abstrahiert wurden.

Erstens: Wencks Fehlgriff mit seiner Ignota litteratura erkläre
sich nicht nur aus seinem Verhaftetsein in den schulmäßigen
Betrieb der Universitätswissenschaft, die gegen die paradoxalen

Eskapaden eines Außenseiters den Rohrstock des Schulmeisters gebraucht
, sondern aus seinem Engagement in der Bekämpfung der
beghardischen Ketzerei und aus seiner Parteinahme für den Kon-
ziliarismus gegen Eugen IV. In Nikolaus von Kues habe Wenck
einen Parteigänger der Ketzer und des Papstes bekämpft, was
beides ihm sogar unter gewissen Voraussetzungen, die H. schildert
, als nahezu identisch erscheinen mußte. Daher Wencks fataler,
auf ihn selbst zurückfallender Eifer.

Zweitens versucht H. eine geistige Entwicklung Wencks nachzuzeichnen
, die aus ihm später einen Geistesverwandten des Cusanus
gemacht habe. Aus einem zwischen den Schulgegensätzen
sich im wesentlichen neutral haltenden (freilich antinominalisti-
schen) Vertreter der soliden aristotelisch-scholastischen Traditionen
sei er später ein Mann geworden, der in den Strom des spätscholastischen
Neuplatonismus, also in die von ihm bekämpfte
Theologie des Nikolaus von Kues, sowie des Meister Eckhart,
selbst hineingeraten ist. H.s Hinweise auf Wencks Dionysius-
Kommentar (nur der zur Himml. Hierarchie ist 1455 fertig geworden
), die dabei vorzugsweise benutzten Dionysius-Kommentare
Alberts, Eriugenas und Hugos von St. Viktor, die Kritik an
Aristoteles als dem „blinden Philosophen", die Übernahme der
areopagitischen negativen Theologie — das alles sind ja kräftige
Argumente für diese These. Nimmt man hinzu, daß Wenck, wie
H. eindringlich zeigt, ein dezidierter Bibeltheologe war oder doch
sein wollte, der die Schrift über alle Philosophie stellte, und daß
er dem Eifer der Humanisten für die alten Sprachen weiter h n-
des Verständnis entgegenbrachte, so steht mit einem Male ein
merkwürdig zwiespältiger Wenck vor uns; ein Wenck, der sich als
Bekämpfer Eckharts und des Cusanus eine fatale Berühmtheit erworben
hat und in Wirklichkeit selbst ein Vertreter ihrer besten
und zukunftsträchtigsten Gedanken gewesen ist. (Daß die genannten
Züge sehr genau auch auf Eckhart zutreffen, habe ich in
meiner Eckhartskizze in den Studien der Luther-Akademie NF 1
1953 zu zeigen versucht.)

Es kann nicht wundernehmen, daß ein so widersprüchliches
Bild auch durch das von H. aufgestellte Entwicklungsschema von
einem früheren zu einem späteren Wenck hin nicht gänzlich widerspruchlos
wird. Denn, wie H. selbst S. 106 f. zeigt, gibt es Probleme
, bei denen Wenck den umgekehrten Stellungswechsel von
einem „albertistischen" zu einem thomistisch (-aristotelischen)
Standpunkt vornimmt. Die Rechnung geht also nicht glatt auf,
und es wird noch genauer Nachprüfung bedürfen, ob dieses interessante
Bild eines späten Neuplatonikers und Frühhumanisten
Wenck sich halten läßt.

Rottock K. Weiß

Forst er, Karl, Dr.: Die Verteidigung der Lehre des heiligen Thomas
von der Gottesschau durch Johannes Capreolus. Von der Theologischen
Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München preisgekrönte
Schrift. München: Zink 1955. XVI, 407 S. gr. 8° = Münchener Theologische
Studien. II. Syst. Abt. Bd. 9. DM 26.—.

Die Bedeutung des theologischen Lebenswerkes des hl. Thomas
von Aquin ist schon im 13. Jahrhundert erfaßt worden, so
daß z. B. innerhalb seines Ordens, desjenigen der Dominikaner
nämlich, man alsbald seine Lehre als Richtschnur für die Theologie
nahm, die somit mehr und mehr in seinem Gefolge zu bleiben
sich bemühte, sie aber auch weiterzuentwickeln und Dunkelheiten
derselben zu klären suchte. Dies konnte nicht verhindern, daß
seine Lehre von außen auch angegriffen wurde, woraus Schrift
und Gegenschrift entstanden. Im beginnenden 15. Jahrhundert
war es das besondere Bemühen des Johannes Capreolus, den man
deshalb auch als den „Princeps Thomistarum" bezeichnet hat,
die Lehre des Heiligen noch einmal in Schutz zu nehmen. Zu diesem
Zweck hat er seine Defensiones theologicae Divi Thomae
Aquinatis geschrieben, in denen er sich hauptsächlich gegen Wilhelm
Ware, Aureolus, Durandus, Scotus, Wilhelm von Ockham,
Johannes de Ripa und Gregor von Rimini wandte.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich nun mit der thomasischen
Lehre von der Gottesschau, wie sie von Capreolus verstanden
und gegenüber den Angriffen von Thomasgegnern verteidigt
wird. Dabei geht es um die thomasische Lehre von der
visio beatifica als Wesen und Substanz der beatitudo formalis; um
das Wesen der beatitudo formalis als Akt des Intellektes und