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Ausgabe:

1956

Spalte:

445-449

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Dix, Gregory

Titel/Untertitel:

Le ministère dans l'eglise ancienne 1956

Rezensent:

Kettler, Franz H.

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 7/8

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w e n t e r über das Corpus iuris und das Problem seiner christlichen
Beeinflussung. In K o 11 w i t z ens „coemeterium" erfährt
man alles Nötige übeT Anlage, Entwicklung und Verwaltung der
Katakomben. Das Wort selbst dürfte so alt sein wie die Anfänge
des christlichen Gemeindefriedhofs (um 200). Von K o 11 w i t z
ist auch Ph. Oppenheims t Artikel „columbarium" bearbeitet
. S ü h 1 i n g untersucht archäologische wie literarische
Zeugnisse für die Firmkapelle, das „consignatorium", und wirft
die Frage nach einem möglichen Zusammenhang auf, der zwischen
der christlichen Ölsalbung und der antiken Badekultur bestehen
könnte. Begriff und Stellung der „competentes" erläutert und
belegt B. B o 11 c. Das Kollektengebet („collecta") hat, wie B.
Capelle zeigt, keine antiken Parallelen und leitet sich von
dem gemeinsamen Stillgebet der Mönche her. Den Sinn der Formel
„contra votum" klärt S t u i b e r, während Rothenhäuslers
„conversio morum" nur eine philologische Quisquilie der
Regula Benedicti zum Gegenstand hat, die in diesem Werk
entbehrlich gewesen wäre. — Den theologisch interessantesten Artikel
hat ohne Zweifel Schlier beigesteuert. In dichter, eben
so vorsichtiger wie entschiedener Diktion vergleicht er zunächst
die differierende Vorstellung des „Corpus Christi" in Rm./'I. Cor.
einer- und Eph.-Col. andererseits, geht von hier aus zu den antik
-stoischen Parallelen und zur jüdischen Adamspekulation über
und verfolgt dann, ohne den Begriff des „Gnostischen" zu überspannen
, die klassische und die orientalische Entwicklungslinie
weiter in die alte Kirche hinein. Wer die Verwickeltheit des vielerörterten
Problems kennt und wer es kennenlernen will, sei auf
diese meisterhaft eindringliche Zusammenfassung nachdrücklich
hingewiesen.

Druckfehler: Sp. 234, Z. 25 v.o. lies xot/ir/z^Qia ; Sp. 253,
Z. 29 f.: „wurde 161 wie Caligula am 31. VIII., geboren;" Sp. 290,
Z. 25 v.u.: „AH" (statt „AI").

Heidelberg H. v. Campenhausen

D i x, Dom Gregory, O.S.B.: Le Ministere dans l'eglise ancienne (des
annecs 90 ä 410). Prcface de J. J. von Allmen. Traduction franfaisc
de A. laermann et R. Paquier. Neuchätel-Paris: Delachaux & Ntesrfle
1955. 139 S. gr. 8° = Bibliotheque theologique. sfr. 6.—.

Diese ursprünglich in englischer Sprache erschienene1 Studie
des angesehenen Patristikers Dix (f 1952), welcher zum anglo-
katholischen Flügel der Englischen Kirche gehörte, ist ganz anders
angelegt als das Buch von Campenhausen8. Dix verzichtet
auf gleichmäßige Behandlung des gesamten Materials, er geht
auch nicht in chronologischer Ordnung vor, sondern will 1) die
Struktur der Ämterordnung um 200 erhellen, weil die Quellen
nach seiner Ansicht erst um diese Zeit eine genauere Aufhellung
der Struktur ermöglichen. 2) sucht er die Grundlagen dieser
Struktur bis in die apostolische Zeit zurückzuverfolgen und 3)
geht er den Modifikationen der Ämterordnung nach, welche sich
infolge der Konstantinischen Wende bis zum Beginn des 5. Jhdts.
ergeben haben. Während des 3. Jhdts. soll die Struktur nach Dix
„fast" unverändert geblieben sein, auch während des 4. Jhdts.
sollen keine strukturellen, sondern nur „administrative" Veränderungen
erfolgt sein.

Der ganzen Arbeit von Dix liegt die Unterscheidung von
„konstitutioneller" und „administrativer" Entwicklung zugrunde,
welche aus der Methodik der englischen Verfassungsgeschichte
entnommen ist. Dix versteht unter „Constitution" die zugrundeliegende
Struktur, bestehend aus den wesentlichen „Funktionen"
(vor allen Dingen Apostolat, Emoxom) und diaxovla) und deren
Zusammenwirken, unter „administration" die Anpassung dieser
Struktur an die jeweilige geschichtliche Situation, wobei sich
die Funktionen in verschiedener Weise auf die vorhandenen Ämter
verteilen, aber auch neue Ämter entstehen und ältere Ämter
verschwinden können. Der Organismus der Funktionen kann aber
auch durch administrative Veränderungen (zumal durch Einflüsse
fremdartiger administrativer Momente) gehemmt und geschädigt

) The Ministry in the early church = The apostolic Ministrv.
Essays on the history and the doctrine of episcopaey, prepared under
the direction of K. E. Kirk. London: Hodder & Stoughton 1946.
S. 183—303.

2) Kirchl. Amt u. geistl. Vollmacht i. d. ersten 3 Jhdt., 1953.

werden. Die Unterscheidung zwischen constitutional und administrative
history ermöglicht Dix eine doppelgleisige Betrachtungsweise
: einerseits kann er eine Kontinuität deT Struktur von den Anfängen
bis zur gegenwärtigen anglikanischen Ämterordnung und
den Ämterordnungen der heutigen katholischen Kirchen behaupten
— darauf kommt es ihm in erster Linie an. Andererseits kann
er auch den einschneidenden geschichtlichen Veränderungen (weiche
sich ja nicht bestreiten lassen) bis zu einem gewissen Grade
gerecht werden, wobei er allerdings trotz seiner feinen Beobachtungsgabe
und souveränen StofFbeherrschung nicht ohne gewaltsame
Konstruktionen auskommt. Immerhin ist seine zügige
Darstellung, welche in ihrer gedrängten Fülle mancherlei neue
Perspektiven eröffnet, ungewöhnlich anregend, zumal das Ganze
von planvoll durchdachten Gedankengängen beherrscht wird,
welche letztlich auf die ökumenischen Probleme der Gegenwart
bezogen sind.

Der 1. Teil, welcher die ganze Zeit von ca. 160—314 umgreifen
soll, ist um eine Interpretation der Hippolytisdien Kirchenordnung (die
im folgenden von mir als HKO bezeichnet wird) herumgruppiert. Dix
ist überzeugt, daß die in der HKO geschilderten Gebräuche mindestens
schon im letzten Viertel des 2. Jhdts. in Rom geherrscht haben und
daß die Struktur der Ämterordnung zwischen 160 und 314 nur verschiedene
Akzentuierungen erfahren hat. Nach dem Weihegebet der HKO
sei eine Doppelfunktion des Bischofs festzustellen. Dieser repräsentiere
1) Gott gegenüber seiner Gemeinde (bes. als Inhaber der Ab-
solutions- u. Ordinationsgewalt23) und 2) habe er seine Gemeinde Gott
gegenüber zu vertreten (als ihr „hoher Priester"). Einerseits gehörten
Bisdiof und Gemeinde untrennbar zusammen, was in der Wahl des Bischofs
durch die Gemeinde und in der Unmöglichkeit eines Wechsels
des Bisdiofssitzes zum Ausdrude kam. Andererseits war der Bisdiof ein
alter Christus oder alter apostolus, er soll nach Dix in der HKO als
neues Mitglied des Apostelkollegiums, als ein in der Weihe von Gott
gesdiaffener Apostel, betrachtet worden sein. In Wirklidikeit enthält
das Weihgebet hinsichtlich dieses letzten Punktes nur die Vorstellung,
daß der Bisdiof das gleiche f^ytfiovixöv nrev/ia und die gleidie Binde-
und Lösegewalt wie die Apostel empfängt, von einem alter Christus
kann erst recht keine Rede sein. Der Gedanke der apostolischen
Sukzession (welcher im Weihgebet nicht ausdrücklich anklingt) soll
nach Dix eine neue und spätere Akzentuierung zu der aus der HKO erkennbaren
Struktur hinzugebracht haben (Akzentuierung des Übergangs
der apostolischen Gewalt vom Amtsvorgänger auf den Amtsnachfolger
statt der Akzentuierung der Weihe durch andere Bischöfe). Diese neue
Akzentuierung sei erst ca. 175 im Zusammenhang mit dem Kampf gegen
die Gnosis vorgenommen worden und habe die Kontinuität der
apostolisdien Lehrüberlieferung in den Vordergrund der Betrachtung des
Bischofsamtes gerückt. Deshalb sei das Weihgebet der HKO (in welchem
auch die Lehrgewalt des Bischofs zwar vorausgesetzt, aber nicht erwähnt
se>) noch vor dieser Zeit entstanden — eine völlig unhaltbare Konstruktion
, wie sidi gleich zeigen wird.

Treffend ist dagegen die Beobachtung von Dix, daß das Gebet der
HKO für die P r e s b y t e r-Weihe auf eine synagogale Grundlage zurückgehen
und deshalb besonders alt sein muß. Hier wird nämlich nicht
um den Geist der Apostel gebeten, sondern um den Geist, welchen Moses
empfangen und an die Presbyter des AT übermittelt hat. Dix hat
'm 2. Teil seiner Arbeit mit Recht betont, daß die ganze Institution
des Presbyterkollegiums weitgehend aus dem synagogalen Gebrauch
übernommen ist, und er hat auch bemerkt, daß der ganze Inhalt des
Gebets für die Presbyterweihe mit dem andersartigen Gebet für die Bischofsweihe
in Spannung steht, einschließlich der regierenden Funktion,
welche hier dem Bischof und dort der Presbyter-Ratsversammlung zu-
gesprodien wird. Aber er hat nicht die nötigen Schlüsse daraus gezogen.
In den meisten Textzeugen der HKO finden sich bekanntlich Spuren
davon, daß in der HKO ursprünglich das gleiche Gebet für die Bischofsund
Presbyterweihe vorgeschrieben war3. Dieses kann natürlich nur das

Ja) Dabei übersieht Dix, daß d. Passus üb. die Ordinationsgewalt
des Bischofs (öiö övai xkr/oow; xaia 16 ngoozaypiä oov) erst nachträglich
in das Gebet f. d. Bischofsweihe eingesdioben ist, nämlich zw. d.
reguläre Sündenvergebungsgewalt u. d. Binde- u. Lösegewalt. Die Ordinationsgewalt
fehlt hier in Test. dorn. u. Can. Hipp. Die Binde- und
Lösegewalt ist trotz Can. Hipp. u. gegen Dix nicht als Exorzismusgewalt,
sondern wie im Brief d. Gem. v. Lyon (Eus. V, 2, 5) als Gewalt zur Vergebung
von Todsünden zu interpretieren.

3) 8, 1. Ausg. v. Dix, London 1937. S. 13.Der Lösungsversuch von
Turner (JThSt 16, 1915. S. 542—547), welchem außer Dix (vgl. bes.
Ausg. S. 80 f.) auch z.B. Karl Müller (ZNW 28, 1929. S. 273 f.) und
H.Elfers (Die KO Hippolyts. 1938. S. 13 ff.) gefolgt sind, ist unhaltbar
, weil dann bei der Presbyterweihe l) die Bitte um den hl. Geist
doppelt ausgesprochen würde und 2) der Anfang des Gebetes mit dem
Schluß desselben inhaltlich konkurrieren würde. Der Lösungsversuch