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1956

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Neues Testament

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 7/8

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und eine „Jünger-Quelle" scheiden zu können, die sich bei weitgehender
stofflicher Parallelität doch auch charakteristisch unterscheiden. Die
„Z w ö 1 f e r q u e 11 e" berichtet von letztem Mahl, Verhaftung und
Kreuzigung als Ereignissen vor dem Passahfest (der Absicht der Gegner
14,2 entsprechend), von nur einem Gebetsgang in Gethsemane
ohne Mitteilung der Gebetsworte, weiß vielleicht nichts vom Kuß des
Judas, auch nichts von einem ausgeführten Verhör Jesu, allenfalls von
seiner schweigenden Weigerung bei einer Sitzung des Synhedriums am
Morgen nach der Verhaftung, berichtet jedoch die (einmalige) Verleugnung
des Petrus vor dieser Begebenheit. Sie legt wert auf den Anklagepunkt
,,König der Juden", kennt keine „Gewohnheit" des Pilatus,
einen Gefangenen freizugeben, enthielt aber vielleicht die Nachricht von
einem Verhör vor Herodes. Das Interesse an den Nebenfiguren (s. o.)
bekundet sich in den Namen Rufus und Alexander. Im ganzen scheint
die Zwölferquelle an der Historie als solcher interessiert zu sein, während
die „J ü n g e r q u e 11 e" mehr das theologische Interesse verrät.
So versteht sie das letzte Mahl als Passahmahl des Neuen Bundes
(gleichzeitig mit der jüdischen Feier) und berichtet seine geheimnisvolle
Vorbereitung. Nach dem wörtlich gebrachten Gebet in Gethsemane
habe Jesus die Flucht erwogen (14, 42). Die (ebenfalls nur einmalige)
Verleugnung des Petrus war vor der (nächtlichen) Verhandlung des
Synhedriums berichtet, das Verhör vor Herodes fehlte. Die Quelle enthielt
die Verbindung der Anklage mit der Tempelweissagung und legte
wert darauf, daß in der Leidensgeschichte sich die Prophetie des Alten
Bundes erfülle. Jesus ist als Messias gekreuzigt worden, nicht als König
der Juden. Die Auferstehungs-Überlieferung ist durch den Wegbruch des
ursprünglichen Mk.-Schlusses so verstümmelt, daß über die Quellen
wenig zu erheben ist. l.Kor. 15,5 könnte das (verkürzte?) Ende der
Zwölferquelle darstellen.

Alles in allem ist das Buch ein höchst energischer Versuch,
einzudringen in das Niemandsland zwischen den ersten Niederschlägen
der Tradition und den uns vorliegenden Evangelien.
Das muß zugegeben werden, auch wenn man feststellen muß, daß
der Vf. in einer gewissen Animosität gegen die formgeschichtlichc
Methode befangen ist. Wo immer er es zu können glaubt, sucht
er ihren Vertretern Inkonsequenz in der Anwendung der eigenen
Grundsätze und grobe Unwahrscheinlichkeiten nachzuweisen —
in einzelnen Fällen nicht ganz ohne Recht. Er beginnt sein Buch
mit der Prognose, er werde den entschlossenen Formkritikern
wahrscheinlich als Häretiker erscheinen. Das dürfte jedoch irrig
sein. Immer ist zugegeben worden, daß die anfänglichen, kleinsten
Traditionseinheiten nicht mit einem Schlage zum Mk.-Evangelium
oder zur Logienquelle zusammengeschossen sind, sondern
einen stufenreichen Weg fortschreitender Sammlung durchlaufen
haben. So finden sich denn auch gar nicht selten Stellen, an denen
K. sich auf Bultmann oder Dibelius beruft.

Der Rezensent gesteht, daß ihm trotz aller Eindrücklichkeit K f," i '956,S' 4tZ'6/

der Ausführungen von K. doch fast auf jeder Seite Bedenken gekommen
und geblieben sind. Davon können hier nur wenige Beispiele
gegeben werden. Das Wichtigste: die Quellen, die K. nachweisen
zu können glaubt, haben nur einen sehr fragwürdigen
„Sitz im Leben". K. nennt sie „tracts" (Traktate), kürzere Sammlungen
, die nicht ohne Aufsicht der großen Gemeinden zu Jerusalem
und Antiochia zustandekamen, welche die reisenden Evangelisten
schriftlich oder als feste mündliche Tradition mit sidi
führten, um der notwendig sofort bei ihrer Verkündigung auftretenden
Frage genugtun zu können, um wen es sich bei diesem
Jesus von Nazareth eigentlich gehandelt habe. Indessen, wie soll
man sich dann das Zustandekommen eines „book of localized
miracles" vorstellen? Denn was als weiteres Merkmal dieser
Quelle genannt wird, daß jede der drei Heilungen mit „einiger
Schwierigkeit" verknüpft war (das eine Mal muß Jesus einen
zweiten Anlauf nehmen, das andere Mal wollen Umstehende den
Bittenden zum Schweigen bringen), ist gewaltsame Konstruktion.
So müßte man denn der Urchristenheit eine geradezu formanalytische
Arbeit zutrauen, wenn sie nach solchen Gesichtspunkten
eine Sammlung geschaffen hätte. Ein weiterer Anstoß liegt in gewissen
Datierungsversuchen. Das Vorkommen der Herodianer in
der Streitgeschichten-Quelle soll z. B. beweisen, daß diese Quelle
in die Zeit vor 44 n. Chr., dem Todesjahr des Herodes, hinaufreiche
; denn niemand habe danach noch eine politische Erwartung
an diese Dynastie knüpfen können. Als ob mit dem Tode des
Herodes sofort sein und seiner Parteigänger Gedächtnis im Bewußtsein
der Nachwelt hätte verschwinden müssen! Die reichlich
beigegebenen Beispiele für Quellenbearbeitung in der antiken
Historiographie sind zweifellos sehr dankenswert und erhellen

in der Tat manchen Vorgang. Aber sie haben augenscheinlich auch
dem Mißverständnis Vorschub geleistet, sich die Arbeit der
Evangelisten von Anfang an in analoger Weise vorzustellen. Obwohl
K. auch thematisch bestimmte, ja sogar unter Stichwortanknüpfung
entstandene Sammlungen herauszuarbeiten sucht, hat
er die rabbinische Tradition, die dieser Weise am nächsten käme,
fast gänzlich unbeachtet gelassen. Eine Auseinandersetzung mit
Hirschs und Helmbolds Arbeiten auf gleichem Felde fehlt gänzlich
.

Dennoch könnten von diesem Buch, gerade weil es eine gewisse
Einseitigkeit an sich trägt, neue Impulse zur Erforschung
der unmittelbaren Vorgeschichte unserer Evangelien ausgehen.
Daß hier noch vieles zu klären ist, kann keinem Zweifel unterliegen
.

Be,l,cl _ Heinrich Oreeven

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