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Ausgabe:

1956

Spalte:

433-437

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Noth, Martin

Titel/Untertitel:

Überlieferungsgeschichte des Pentateuch 1956

Rezensent:

Fichtner, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 7/8

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Ausdruck kommenden Auffassung vom Kultus aufzuzeigen, doch
eine wesentliche Förderung des Verständnisses seines Gegenstandes
dar. Zudem ist es gut gedruckt; Versehen wie y&qades statt
y&qaddes (S. 32), töräh'emet statt törat'emet t,a. 170) und
mimsäh statt nimsa (S. 175) sind selten.

Hall« Sa.ile Otto Ei 11 f eIdt

N o t h, Martin, Prof. D.: Überlicfcrungsgcschichtc des Pentateudi.

Stuttgart: Kohlhammer [1948]. VIII, 288 S. gr. 8°. DM21.—.

Die „Überlieferungsgeschichte des Pentateudi" ist eine
Fortführung der „Überlieferungsgeschichtlichen Studien", in denen
der Verf. 1943 das deuteronomistische und das chronistische
Geschichtswerk behandelt hat. In seinem neuen Werk kommt es
Noth darauf an, „Fragen zu stellen, die gestellt werden müssen
und deren Beantwortung versucht werden muß, mögen die Antworten
auch manchmal recht hypothetisch erscheinen" (Vorwort).
Noth betont denn auch wiederholt in seinem Buch den hypothetischen
Charakter seiner Thesen (S. 4. 67. 82. 170 u. ö.); besonders
wichtig ist ihm, daß sich „die Fragestellungen als sachgemäß
erweisen" (Vorwort).

Zunächst formuliert der Verf. die Aufgabe, die er sich gestellt
hat (S. 1—4) und bespricht in den Prolegomena die literar-
kritischen Voraussetzungen für seine Untersuchung (S. 4—44).
Der Hauptteil bemüht sich um die „Geschichte der Pentateuch-
überlieferung" und gibt zunächst eine „Analyse der Überlieferungselemente
" (S. 45—215), behandelt sodann das „Zusammenwachsen
der Themen und Einzelüberlieferungcn" (S. 216—246)
und schließlich die „literarischen Gestaltungen" (S. 247—271).
In einem Ausblick werden die geschichtlichen Konsequenzen aus
den überlieferungsgeschichtlichen Ergebnissen gezogen (S. 272—
280); ein ausführliches Verzeichnis der Bibelstellen beschließt
das Buch (S. 281—288).

Die Besprechung eines so umfassenden und in die Einzelheiten
gehenden Werkes wie des vorliegenden' kann sich nur die
Aufgabe stellen, einen Überblick über seinen Inhalt zu geben
und dann zur Hauptfrage und der Methode ihrer Beantwortung
Stellung zu nehmen. Eine gründliche Auseinandersetzung müßte
in die Erörterung der Einzelheiten eintreten und würde sich damit
zu einem zweiten Buch auswachsen.

Ziel des Nothsdien Werkes ist die Aufhellung der „vorliterarischen
Geschichte der Pentateuchüberlieferung" (S. 1). Schon Gunkel und
Greßmann haben versucht, in ihre Anfänge einzudringen, sind aber in
der Behandlung der Einzelstoffe stecken geblieben. Es gilt nach Noth,
neben den Sagen Stoffen die Sagen gestalten zu beachten, nach
ihrer „Herkunft, der ursprünglichen Bedeutung und den späteren Wandlungen
und deren Ursachen" zu fragen und das Verhältnis der zahlreichen
Gestalten zu den einzelnen Stoffen ins Auge zu fassen (S. 3). Die
Hauptaufgabe aber ist, die grundlegenden Themen zu ermitteln
, aus denen der Gesamtpentateuch erwachsen ist. und ihrer Ausgestaltung
nachzuspüren, um dadurch „das große Dokument des Glaubens
... in seinem wesentlichen Inhalt und seinen wichtigen Anliegen
geschichtlich zutreffend und damit sachgemäß zu verstehen" (S. 4).

Aus der literarkritischen Analyse, die jeweils den Bestand der
Quellen im Anschluß an ihre Behandlung bietet (P: S. 17—19, J: S. 29
—35 und E: S. 38 f.), sei nur einiges Bedeutsame hervorgehoben. Wie
nach früheren Arbeiten von M. Noth zu erwarten, begrenzt er den Pentateudi
auf die Bücher Gen. bis Num., zu denen er einige Stücke aus
Deut. 31—34 hinzunimmt (S. 5 f.). Er hält den Priesterkodex für ein
Erzählungswerk (S. 7), das „später zur literarischen Grundlage der Pen-
tateuchcrzählung gemacht worden ist" (S. 11). Der Redaktor habe dabei
die P-Erzählung fast vollständig aufgenommen (vgl. aber S. 13 unten!),
während er die alten Quellen oft stark beschnitt, wodurch u. a. auch die
Darstellung der Besetzung des Westiordanlandes verloren gegangen sei
(S. 16). Besonders bemerkenswert ist, daß der Verf. für J und E eine
gemeinsame Grundlage (,.G") annimmt, „aus der sie — voneinander
unabhängig - den Kernbestand ihres Inhalts geschöpft haben" (S. 4l);
G habe ihnen in fester Gestalt entweder bereits schriftlich fixiert oder
in ausgeprägter mündlicher Form vorgelegen und müsse schon die Haupt-
und z.T. auch die Unterthemen der Pentateuchüberlieferung enthalten
haben (S. 42). Bei der Aussonderung der Quellen J und E zeigt der
Verf. eine bemerkenswerte Skepsis im Blick auf die Verwendbarkeit der
bisher üblichen Argumente der Quellenscheidung (S. 20 f.); es bleibt
für ihn im wesentlichen die Tatsache der gleichen Stoffe oder Erzählungselemente
in verschiedener Fassung und der Gottesnamenwcchsel.

') Die Besprechung, die mir 1952 übertragen wurde, kann leider
erst jetzt erscheinen, da ich in den letzten Jahren durch mancherlei
schweres persönliches Geschick in meiner Arbeit erheblich behindert war.

Die erhaltenen Stoffmassen reichten auch nicht aus, die beiden Quellen
einigermaßen vollständig zu rekonstruieren (S. 24), da offenbar viel Erzählungsgut
— besonders des Elohistenl — ausgeschieden worden sei.
Im Zweifelsfalle habe man sich jedenfalls eher für Zugehörigkeit zu J
als zu E zu entscheiden, da J die literarische Grundlage von JE bilde
(S. 28). Unterquelien wie J1 (bzw. L) und V, E1 und EJ lehnt Noth —
ebenso wie von Rads PA und PB (S. 9) — ab, stellt aber für J und E
erhebliches Sondergut fest. In den sehr zurückhaltenden Andeutungen
über das Altersverhältnis der Quellen (S. 40, Anm. 143) äußert er die
Annahme, daß E „im ganzen ein früheres Stadium der Übcrlieferungs-
geschichte repräsentiert als J", und erwägt seine schriftliche Fixierung
in der davidisch-salomonischen Zeit (vgl. auch S. 248 f.) und überraschenderweise
seine mögliche Herkunft aus dem Süden (S. 61,
Anm. 179 und S. 2491).

Nachdem der Verf. die literarkritischen Grundlagen gelegt hat,
kann er nun an die Analyse der Überlieferungselemente gehen. Er hebt
unter den „geschichtlichen Voraussetzungen der Überlieferungsbildung"
die gesamtisraelitisdie Orientierung der Überlieferung hervor, grenzt
das produktive Stadium der Pentateudigeschichte durch Landnahme und
Staatenbildung ab und handelt dann von den Hauptthemen und
ihrer Herkunft (S. 50—67). In überlieferungsgeschichtlicher Folge sind
es die Themen: Herausführung aus Ägypten, Hineinführung in das palästinische
Kulturland, Verheißung an die Erzväter, Führung durch die
Wüste und schließlich Offenbarung am Sinai. Bei dem letzten Thema
liegen die Dinge insofern besonders kompliziert, als es nach Noth über-
lieferungsgeschichtlich auffallend spät in Erscheinung tritt, andererseits
aber als fester Bestandteil des sog. Bundeserneuerungsfestes ein Stück
ältester uns noch erhaltener Überlieferung im AT ist (vgl. S. 63—66).
Die ersten drei Hauptthemen sollen im Kreise der mittelpalästinischen
Stämme überliefert, die beiden letzten im Süden weiterentwickelt worden
sein, wobei der Verf. es für wahrscheinlich hält, „daß man sich bei
allen israelitischen Stämmen die wichtigen Ereignisse der Vorzeit
ungefähr in dieser durch die bestimmten zentralen Stämme festgelegten
Weise erzählte" (S. 61).

Zu dem Grundbestand der Themenerzählung trat dann nach Noth
„allerlei ausgestaltender Zuwachs" hinzu, durch den der thematisch gegebene
Rahmen mit Erzählungsstoffen aufgefüllt wurde (S. 67 ff.). Als
derartige Stoffe bezeichnet er etwa Plagen und Passahfeier, Landnahmeepisoden
, Bileam — gegen den der Druckfehlerteufel in Anm. 223 einen
Seitenhieb führt (lies Seitentrieb!) —, Jakob vor Sichern und im Ostjordanland
(S. 86—111!), Isaak und Abraham und schließlich Stoffe, die
die Wüstenwanderung betreffen (S. 127—160), zu denen auch „Bund
und Abfall am Sinai" gehören. Der Zuwachs erfolgte entweder „auf
Grund verschiedener Einzelüberlieferungen und Überlieferungskomplexe
", die einem der großen Themen zuzugehören schienen, oder „auf
Grund der Vorstellungen und Interessen" des weiterbildenden Kreises
(S. 67). Besonders eigenständig sind dabei Noths Ausführungen über
die Jakobtradition (der ostjordanische Jakob — viel „weltlicher" alt
sein westjordanisches Urbild! — in seiner sekundären Gestaltung „ein
die Gesamtheit und ihr Leben charakterisierender Typ" S. 99).

Auf fast 50 Seiten behandelt Noth das ihm besonders wichtige
Thema der „menschlichen Gestalten der Pentateucherzählung", wobei
er sich nach dem vorangegangenen Abschnitt auf Gestalten im Umkreis
der „Erzväter" und Mose und seine Umgebung beschränken kann
(S. 160—206). Man spürt hier freilich deutlich, wie unsicher der Boden
ist, der bearbeitet wird, und wie vieles Hypothese bleibt. Konstruktion
und Phantasie müssen immer wieder eingesetzt werden, und von den
meisten Gestalten bleibt zuletzt im Blick auf die hinter der Überlieferung
stehende geschichtliche Wirklichkeit wenig oder nichts übrig.

Die damit ausführlich behandelten Erzählungsstoffe (S. 67—206)
untersucht der Verf. am Ende des ersten Hauptteiles auf ihre Eigenart
und konstatiert in aller „Vielzahl und Vielfalt ihrer Elemente" doch
letztlich eine ziemlich starke sachliche Einheitlichkeit. Die Stoffe heben
sich nach ihrer Eigenart und Herkunft von den großen Pentateuchthe-
men deutlich ab. Diese seien als Inhalte von Glaubensbekenntnissen
auf dem Boden des kultischen Lebens entstanden (S. 207),
während jene allerlei bemerkenswerte — z. T. fremdartige — Erscheinungen
aus der Umwelt der im Kulturland seßhaft gewordenen Stämme
zum Inhalt hätten und sich in ihnen daher die „gegenwärtige Wirklichkeit
des alltäglichen Lebens" der Kulturstämme widerspiegelt
(S. 213). Der Bereich des Alltäglichen sei freilich nicht pro-
fanisiert, weil zu ihm auch das kultische Leben und vor allem „der
Glaube an den Gott Israels" als den Herrn alles Geschehens, der Gehorsam
und Treue fordert, gehöre (S. 214), so daß letztlich das Zeugnis
von den großen Taten Gottes an Israel die Grundlage auch aller
dieser Stoffe bilde (S. 215). Nicht unerwähnt soll Noths These bleiben
, daß bei der Bildung der Erzählungsstoffe auch „das Element des
geschichtlich Einmaligen" (S. 213), d.h. bestimmte geschichtliche Gestalten
und Ereignisse hie und da eine Rolle gespielt hätten, wenn auch
diese Einzelheiten „nicht beweisen können, daß die Pentateuchthemen
durch einen Vorrat von geschichtlichen Nachrichten aufgefüllt worden
wären" (S. 214).