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Ausgabe:

1956 Nr. 5

Spalte:

395-400

Autor/Hrsg.:

Philipp, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Die religiösen Triebkräfte der werdenden Aufklärung und der Philosoph Christian Wolff 1956

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 5 6

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Unicum ist, kann zu einer nüchternen Realistik in der Abgren- j „Werk" im theologischen Sinne sind, sondern daß Inspiration
zung des Öffenbarungsbegriffes verhelfen. und Offenbarungsmitteilung den Menschen überwältigen, der sich

dazu passiv erfahrend verhält.

' Dabei ist wichtig und interessant, daß die ursprünglichen reinen
Formen des Schamanismus und seiner Ekstasepraxis kein

Als Gründe, die zu einer besonderen Verehrung der Mutter
Jesu führten, kommen in Betracht:

1. die natürliche Anteilnahme an Maria, die sich schon in
jüngeren Schriften des Neuen Testamentes geltend macht: so allerdings
, daß hier einer Übersteigerung ein Riegel vorgeschoben
wird (Luk. 11, 28; Joh. 2, 4);

2. das Denken in Analogien: je mehr von den Christen
nach jüdischem Vorbilde die Schuld Evas am Sündenfalle betont
wurde, desto mehr stieg die Neigung, Maria einen Anteil am
Erlösungswerke zuzuschreiben (Justin, dann besonders Irenäus
usw.);

Die Entstehung der Madonnen-Verehrung

Von Johannes L e i p o 1 d t, Leipzig

3. die Hochschätzung der Askese, die Maria zur ewigen
Jungfrau machte, sie als Nonne vorstellte und ihr oft die Tracht
einer Nonne gab (sog. Protevangelium des Jakobus usw.);

4. die Neigung der Zeit, das Weibliche zu verehren: neben
vielen Göttern stehen Göttinnen; diese überragen in griechisch -
römischer Zeit öfters den männlichen Gott (Isis den Osiris) und
werden zu Allgottheiten (so nicht nur Isis, sondern auch Aphrodite
); der Zusammenhang zwischen Isis und Maria läßt sich archäologisch
, teilweise liturgisch erweisen.

Ausführlicheres hierüber in meinem Beitrag zum Handbuch der
Orientalistik.

Die Höhenlage der Isisreligion in zeitgeschichtlicher und neutestamentlicher Beleuchtung

Von Albrecht O e p k e f

(Dieser von dem Verstorbenen für den Theologentag vorgesehene
und Johannes Leipoldt zum 75. Geburtstag gewidmete Vortrag wurde
von E. Fascher, Berlin verlesen, welcher auch den nachfolgenden Auszug
verfertigt hat.)

Nachdem der Autor zu Eingang davor gewarnt hat, alle Mysterien
hinsichtlich ihrer Wirkung auf einen Generalnenner zu
bringen, weil nicht billige Typisierung, sondern sorgfältige Einzeluntersuchung
hier weiteT führt, wählt er als Beispiel gründlicher
Einzelanalyse die Isisreligion, über die wir hinsichtlich ihrer
Wanderungen und Wandlungen verhältnismäßig gut unterrichtet
sind, wenn auch aus der Antike entgegengesetzte Urteile über sie
überliefert werden.

Oepke stellt Buch 11 der Metamorphosen des Apulejus in
den Mittelpunkt seiner Betrachtung und zeichnet ein anschauliches
Bild von der geliebten Göttin und dem Ernst der Isisweihe,
nachdem er diesem Idealbild die kontrastierende Darstellung von
Erlebnissen mit den Bettelmönchen der Dea Syria (VIII 24—IX 10)
vorausgeschickt hat. Auf deren dunklem Hintergrunde hebt sich
das Isisbild so leuchtend ab, daß man mit Recht fragen muß, wie
sich denn der Inhalt dieses 11. Buches mit der im übrigen recht
frivolen Handlung der ersten 10 Bücher vertrage. Ist die so ergreifend
geschilderte Isisreligion bei dem Verfasser am Ende doch
nicht sehr in die Tiefe gegangen? Muß man nicht aufgrund von
Mitteilungen bei Plutarch, Josephus, Juvenal oder Ovid erhebliche
Abstriche machen? Oder sind solche Verdächtigungen mit
größter Vorsicht zu beurteilen, weil ja gegen die Christen ähnliche
Verdächtigungen erhoben wurden? In sorgfältiger Abwägung
dieser Gegensätze gewinnt Oepke einen Maßstab der Beurteilung
, indem er die Isisreligion mit der christlichen vergleicht
und dabei folgende Unterschiede feststellt: 1. Der Isisglaube ist
kein strenger Monotheismus, er wächst über einen synkretisti-
schen und teilweise pantheistischen Henotheismus nicht hinaus.

Die synkretistische Gottesidee wirkt, mit dem biblischen Gott
verglichen, verschwommen und kraftlos.

2. Auch in der Isisreligion gibt es Offenbarung, aber sie ist
nicht geschichtlich verankert wie beim Christentum in Jesu Kreuz
und Auferstehung. Ihre Weihe als freiwilliges Sterben hat nicht
entfernt den Sinn von Römer 6; denn das Wort Sünde fehlt so
gut wie ganz und das Ergebnis dieser Weihe ist zutiefst eine Verlängerung
des diesseitigen Lebens.

3. Träume finden sich in der Isisreligion in beängstigendem
Maße, aber der Unterschied gegenüber den im Neuen Testament
sparsam vorkommenden Träumen, die theorematisch und nicht
allegorisch sind und der Sache Gottes dienen, ist deutlich.

4. Die Grenzen zwischen Gottheit und Mensch sind fließend.
Ziel der Weihe ist die Vergottung des Menschen, welche ex opere
operato wirkt — ein im Neuen Testament unmöglicher Gedanke.

5. Eigenartig ist auch die in Stufen aufsteigende Wiederholung
der Weihe, während es im Neuen Testament nur e i n
Evangelium gibt.

6. Die Isisreligion darf nicht als Vorläuferin des Christentums
angesehen werden. Sie ist seine Konkurrentin und insofern
gefährlich, als sie bei all ihren edlen Zügen den natürlichen Begierden
des Menschen weit entgegenkam.

7. Daß Religionen sich auf der Höhe befinden und wieder
absinken können, lehrt auch die Isisreligion beispielhaft. Gegen
Ende der römischen Republik stand sie im schlechten Rufe, im
3. Jahrhundert steht Isis in Italien auf der Höhe der Macht. Noch
394 wurde ein offizielles Isisfest gefeiert. Der Isistempel auf
Philai wurde erst 560 geschlossen. Die Auseinandersetzung zwischen
Christentum und Isisreligion muß sich im großen und ganzen
im Stillen abgespielt haben, da die Quellen darüber wenig
berichten; doch ist kein Zweifel, daß das Christentum, als es
Reichsreligion geworden war, auch zur Gewalt gegriffen hat.

Die religiösen Triebkräfte der werdenden Aufklärung und der Philosoph Christian Wolff

Von Wolfgang Philipp, Marburg

Die Aufklärung ist ein noch relativ unerforschtes Gebiet;
mit anderen hat Paul Hazard vorausgesetzt, daß man insbesondere
in ihrer Werdeperiode noch mit „Entdeckungen" rechnen
müsse. Das Werden der deutschen Aufklärung steht herkömmlich
unter dem Kennwort ,,Wolffianismus" — er soll die erste
„Stufe" der Aufklärung (neben den weiteren: Neologie und Rationalismus
) darstellen. Das bedeutet formal: die werdende
Aufklärung betrachtet Vernunft und Offenbarung als Brennpunkte
einer Ellipse, inhaltlich: ihre Frömmigkeit ist „Natürliche
Theologie", sie beweist Gottes Existenz und Eigenschaften
aus der Natur, ätiologisch: der Inaugurator dieser Aufklärungsreligion
ist der Zeitphilosoph Christian Wolff.

Die Einsichtnahme der zeitgenössischen Quellen in ihrer
Breite wie der neuesten (ausländischen) Literatur zwingt zu einer
Überprüfung dieser Vorstellung, zwingt dazu, die Frage nach
Wolff und seinem System zunächst zurückzustellen. Die klassische
Glaubenshaltung der werdenden Aufklärung ist nicht „Natürliche
Theologie" im Sinne der modernen Debatte, auch nicht (apriorische
) „Theologia Naturalis", sondern (aposteriorische) spezifische
Physikotheologie — d. h. eine eigentümliche Wunder-
Theologie, der die Mirabilia der Schöpfung zu Reflektoren der
göttlichen Lichtherrlichkeit (Doxa) werden und die eine spezifische
Doxologie darüber anstimmt. Nicht um eine vorübergehende
„Stufe" handelt es sich, die vereinzelt scheinbare Kuriosa