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Ausgabe:

1956

Spalte:

389-392

Autor/Hrsg.:

Wagner, Heinz

Titel/Untertitel:

Differenzierung und Strukturierung als Gegenwartsaufgabe der Katechetik 1956

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389

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 5/6

390

Verstehen, kritisches Eindringen in die Glaubensbindungen des
Du und „unbedingte Hilfsbereitschaft"2.

II. Welche Rolle spielt das Amtsbewußtsein
in dem so verstandenen Seelsorgegespräch
?

1) Die positive Bedeutung des echten
Amtsbewußtseins: Echtes Amtsbewußtsein hilft dem
Seelsorger zur Gestaltung seiner Persönlichkeit im Sinne einer
Repräsentatio Christi, und das umsomehr, als er sich die Fülle der
Gehalte des Amtes Christi existentiell aneignet, so daß eine Art
Fleischwerdung des Amtes in individueller Gestalt geschieht. Voraussetzung
dabei ist, daß er die Güter des Amtes Christi als
Gnade empfängt. „Sei immer zuerst Gottes Kind, dann Gottes
Knecht"!3 Dieses Wort scheint der Schlüssel für die Möglichkeit
zu sein, sich durch die Amtsvollmacht nicht belasten, sondern beschenken
zu lassen. Hier heißt es immer zuerst: ich darf Nachfolger
im Amte Christi sein. Welch eine Hilfe für das Selbstvertrauen
, vor allem für den jungen Pfarrer! Bedrückung und Angst
im Erleben des eigenen Ungenügens können abgeworfen werden.
Wer sich „erlösen läßt zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes
" wird sich seines Amtes freuen und den Gipfel der Freude in
der Verwaltung der Sakramente erfahren. Die Vollmacht, Vergebung
zusprechen zu können, zwingt zur Einübung in die eigene
Empfangsfähigkeit der Gnade und hilft somit eigene Schuldgefühle
, Hemmungen und Anfechtungen zur Resignation zu überwinden
. Die als Begnadung erfahrene Amtsvollmacht sprengt

a) Nichts ist menschlich verständlicher als das Gefühl der
Belastung angesichts der Größe der im Amt enthaltenen Forderungen
. Besonders der Gewissenhafte empfindet das eigene Un-
genügen. Das verstärkt seine Hemmungen und Ängste und führt
zu Mißerfolgen. Der Forderungscharakter des Amtes wird verabsolutiert
, so daß man es nicht mehr erträgt und — meist auf dem
Wege der Verdrängung - die Flucht aus ihm ergreift. Nun entsteht
die Gefahr eines unechten Pathos rein welthafter Kameradschaftlichkeit
. Es kann zur „Verwechslung der Seelsorge mit gutmütiger
Freundlichkeit"5 kommen. Die Angst, zu geistlich werden
zu können, lähmt den Mut zur Verkündigung; Haltung, Wortwahl
und Ton im Gespräch werden leicht formlos, trivial, distanzlos
. - Hinsichtlich der seelischen Wurzeln dieser Haltung sei nur
gesagt, daß Menschen dieses Typs zu viel aus eigener Kraft zu
leisten versuchen, weil sie sich zuerst als Gottes Knecht empfinden
. Das unbewußte Gottesbild eines Forderers und Richters verdunkelt
die Wirklichkeit Gottes. Für den Partner, der
sich nach der Verkörperung von Überalltäglichem sehnt, ist diese
Haltung enttäuschend. Die Unsicherheit des Seelsorgers befreit
ihn nicht aus der eigenen Unsicherheit. Er macht die Verkündigung
der Vergebungsbotschaft nicht glaubhaft. Und seine Selbstbefangenheit
hindert ihn am Verstehen. So wird der Therapeut,
der wenigstens Sachkenntnis hat. bevorzugt.

b) Störungen des Selbstgefühls spielen auch bei der Rettung
in das Amtsbewußtsein eine Rolle. Die im Amt enthaltene
Würde und Vollmacht werden zur Gefahr. Sie erscheinen
dem Unsicheren als Rettung. Er verdrängt den Menschen in sich

Grenzen und weckt Kräfte, über die man nicht verfügt. Wer die j und rettet sich in das Amt, indem er sich unbewußt mit ihm

Gotteskindschaft im Amtsbewußtsein lebt, dem wird die Ver-
anwortung nicht zur bedrückenden Belastung. Die sonst quälenden
Forderungen werden als Hilfe zur Selbstzucht und Heiligung
erfahren. Dabei bleibt alles frei von Verdrängungen und Verkrampfung
. So ist das in der Kindschaft erlebte Amtsbewußtsein
ein in „geheiligter Natürlichkeit" gelebtes Amtsbewußtsein. Es
erleichtert rechte Begegnung. Die Demut zwingt zur Solidarität
mit dem Sünder und uneingeschränkter Bereitschaft zum Verste-

identifiziert. Das Amtsbewußtsein führt so zu Unechtheit. Das
unbewußte Bild eines Gottes, der sich im ersten und dritten Artikel
oder nur im dritten erschöpft, steht dahinter und wirkt
auch als Leitbild. Die Flucht i n das Amtsbewußtsein enthält die
Gefahr, „hochgeistlich", zu ernst, zu pathetisch oder gar pharisäisch
vor dem Du zu stehen. Im Hochgefühl der Amtsvollmacht
wird das Gegenüber zu früh theologisch angeredet ohne
Rücksicht auf seine seelische Aufnahmefähigkeit. Die psycholo-

hen; das Bewußtsein, höchste Würde zu repräsentieren, hilft zu , gische Diagnose, wie die Zurüstung auf den Empfang des Worder
ebenso notwendigen Distanz dem Du gegenüber. —Die
Wirkungen auf den Partner ergeben sich unmittelbar
. Ihm wird etwas spürbar von der Geistesmacht, die das Amt
repräsentiert; das verleiht Geborgenheit und rückt zugleich in
Distanz. Die Distanz wird jedoch nicht zur Kluft, weil ihm ein
Mensch als Bruder begegnet. Will der Amtsträger nichts anderes
sein „als ein durchscheinendes Glas, das die Bilder und Gnaden
Gottes rein und unverstört durch sich leuchten machen möchte' ,
dann führt er am ehesten zum Gesprächsziel: er gibt Glaubenshilfe.

2) Die Grenze des Amtsbewußtseins. Je
weniger sich das Amtsbewußtsein mit der Gotteskindschaft verbindet
, desto leichter löst es sich aus der Ganzheit der Struktur.
Es wird für das Ganze gesetzt. Hier erweist sich seine Grenze,
denn das Amtsbewußtsein allein tut es nicht. Das Amtsbewußtsein
enthält anscheinend Gefahren, die zu seiner Isolierung verführen
.

3) Die Gefahren des Amtsbewußtseins.
Zwei typische Gefahren seien gegenübergestellt: Die Gefahr, das
Amtsbewußtsein als Belastung zu erfahren und
die Gefahr, es als Erhöhung zu erleben. Im ersten Fall entsteht
die Gefahr der Flucht aus dem Amtsbewußtsein, im
zweiten Fall die Gefahr der Rettung in das Amtsbewußtsein.

5) Ebenda. S. 329.

3) Daniel Schäfer: Im Dienst der Seelsorge S. 169.

*) Albredit Goes, Von Mensch zu Mensch, Fischer, 1952, S. 19 f.

tes werden vergessen. Die Amtsvollmacht kann dabei suggestiv
mißbraucht werden. — Dieses überwertige Amtsbewußtsein verhindert
die partnerische Beziehung von Person zu Person, denn
der Partner begegnet zuerst. dem Amtsträger. Die notwendige
Distanz wird zur Kluft; so bleiben Schuld und Glaubenszweifel
unausgesprochen. Das autoritative Gewicht des Seelsorgers lähmt
den Mut zur Besserung und Ne-uwerdung. Sein Pathos stößt den
Partner ab. Er meint, daß ihm Unannehmbares aufoktroyiert
wird.

Diese typischen Formen des Amtsbewußtseins erscheinen in
der Wirklichkeit in feinen Abstufungen und vielfältigen Kombinationen
. Das Amtsbewußtsein ist nicht nur Ausdrude eines
bestimmten Amtsverständnisses, in dem einzelne Seiten des Amtes
überbewertet werden können, sondern zugleich Spiegel eines
individuellen Selbstverständnisses, das ein einmalig geprägtes
Gottesbild einschließt. Als solches kann es ebenso Gefäß der
Gnade wie Einbruchsstelle dämonischer Mächte sein. Je deutlicher
sich der Amtsträger bewußt ist, daß es nie vollkommen sein
kann, desto weniger wird es ihm zur Gefahr. Er wird sich dessen
getrösten, die Wahrheit des Pauluswortes darzuleben, die auch
dem Partner nur Segen bringen kann: „Wir haben solchen Schatz
in irdenen Gefäßen, auf daß die überschwengliche Kraft sei Gottes
und nicht von uns" (2. Kor. 4, 7).

5) Erich Schieck, Der Christ als Seelsorger. Furche Berlin, 1936,
S. 16.

Differenzierung und Strukturierung als Gegenwartsaufgabe der Katechetik

Von Heinz Wagner, Halle-Leipzig

Der Aufbau einer kirch eigenen Unterweisung des Experimentes trägt. Es fehlt ihm weithin Ordnung und Syste-

in der DDR nach 1945 ist eine beachtenswerte organisatorische, matik. Die Praktische Theologie ist wohl diesem weitgespann-

personelle, finanzielle und pädagogische Leistung. Bei aller An- ten Arbeitsgebiet wegweisenden Dienst schuldig,

erkennung dieser Bemühungen kann aber nicht übersehen werden, Bei der Sichtung der katechetischen Veranstaltungen stoßen

daß der kirchliche Unterricht noch Züge der Improvisation und [ wir auf eine erstaunliche Vielfalt der Unterweisungsformen, die