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Ausgabe:

1956

Spalte:

381-384

Autor/Hrsg.:

Heubach, Joachim

Titel/Untertitel:

Kritische Bemerkungen zur Terminologie des ev. Pfarrerrechtes 1956

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 5'6

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die man auf Grund der deuteropaulinischen Anweisung l.Tim.
2, 12 für notwendig gehalten hat. b) Dieses Verbot ist in der
evangelischen Kirche längst durchbrochen, auch von denen, die
der Frau die Ordination meinen verweigern zu müssen: In der
Bibelstunde und im Kindergottesdienst wird öffentlich gelehrt
; auch der Christenlehre wird man den Charakter der Öffentlichkeit
nicht absprechen können; die nichtordinierte Vikarin
wird aber überall beauftragt. Bibelstunde und Kindergottesdienst
zu halten und katechetischen Unterricht zu erteilen.

4) Selbstverständlich wäre es ein triftiger Grund, Frauen
nicht mit der selbständigen Verwaltung eines Pfarramtes zu betrauen
, wenn sie den Anforderungen des Amtes auf Grund ihrer
körperlich-geistigen Konstitution nicht gewachsen wäre. Die Erfahrung
hat aber bewiesen, daß viele Frauen und Mädchen geistig
und körperlich wohl in der Lage sind, alle Pflichten eines Pfarrers
gut zu erfüllen.

5) Gesellschaftliche Vorurteile gegen weibliche Pfarrer, die
sich ohne Zweifel vielfach in unseren Gemeinden finden, dürfen
keine Kirchenleitung daran hindern, Frauen zu ordinieren. Denn
diese Vorurteile werden gute Theologinnen im Amt ebenso

schnell überwinden, wie gute Ärztinnen mit ähnlichen Vorurteilen
aufgeräumt haben.

6) Der Versuch, der Theologin die öffentliche Predigt zu gestatten
, aber die Verwaltung der Sakramente zu verbieten, sollte
als theologisch ganz unhaltbar endlich aufgegeben werden:
Predigt des Evangeliums und Darreichung der Sakramente ist im
evangelischen Predigtamt untrennbar miteinander verbunden;
eines kann ohne das andre nicht sein. Von einer besonderen
Weihe- oder Segensgewalt, die über der licentia concionandi
stünde, weiß unsre Kirche nichts, es sei denn, sie wäre in römische
Irrtümer zurückgesunken.

7) Der Pfarrer erhält mit der Ordination die Befugnis, ein
Pfarramt selbständig zu verwalten. Das Vikariat ist ein Durchgangsstadium
für den Theologen, dessen Ausbildung noch nicht
abgeschlossen ist. Eine vollausgebildete, examinierte und bewährte
Theologin ihr Leben lang im Vikariat, in einer untergeordneten,
unselbständigen Stellung zu belassen, aus dem einzigen Grunde,
weil sie eine Frau ist, ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.
Der Vikarinnen-Titel ist für die dem Amtsbruder gleichwertige
Theologin eine unverdiente Beleidigung.

Die im gegenwärtigen ev. Pfarrerrecht verwendete Terminologie
muß dem Wesen des Amtes (ministerium ecclesiasticum)
entsprechen, bzw. sie darf dem Wesen des Amtes der Kirche nicht
■widersprechen. Bei der Neukodifizierung des ev. Pfarrerrechtes und
des gesamten Verfassungsrechtes müssen ungenaue oder nicht eindeutig
zu verstehende Begriffe durch solche ersetzt werden, die
dem Wesen des Amtes und dem, was sie ausdrücken wollen und
sollen, wirklich entsprechen. Als Beispiele seien zwei im gegenwärtigen
ev. Pfarrerrecht verwendete Begriffe kritisch beleuchtet.

Kritische Bemerkungen zur Terminologie des ev. Pfarrerrechtes

Von Joachim H e u b a c h, Kiel

Die genannten Termini lassen also eine verschiedene Deutung
zu. Für den Theologen können sie bedeuten: „Träger" des
geistlichen Amtes ist einer, der mit dem Amt „beauftragt" ist.
Sie können aber auch so gedeutet werden: „Amtsträger" ist derjenige
, dem die spirituelle „Befähigung" zum Amtsvollzug „über-
rragen" worden ist.

Bei der Verwendung des Begriffes „Amtsträger" oder „Trä-
der des geistlichen Amtes" im gegenwärtigen ev. Pfarrerrecht, sowie
in der heutigen kirchlichen und theologischen Umgangssprache
, erhebt sich also die berechtigte Frage, welches theologische
Verständnis sich jeweils mit diesem Begriff verbindet. Steht etwa
das Amts- und Ordinationsverständnis Vilmars dahinter? Das
wird man gewiß weit von sich weisen! Trotzdem bzw. gerade
deswegen muß man bei der Neukodifizierung des Pfarrerrechtes
bezüglich dieser Begriffe ernst darauf hinweisen, daß die theologiegeschichtliche
Vergangenheit nicht außer Acht gelassen werden
darf. Jedenfalls ist hinsichtlich der genannten Begriffe die
Möglichkeit vorhanden, selbst mit der extremsten Amts- und Or-
dinationsanschauung sich diesem ev. Pfarrerrecht unterzuordnen,
bzw. es nach solchem Verständnis zu interpretieren.

Schließlich sei die Frage gestellt: warum werden die genannten
Termini überhaupt im ev. Pfarrerrecht und kirchlichen Sprachgebrauch
verwendet? Sie sind weder alt noch umschreiben sie
typisch die Sache, die mit ihnen ausgedrückt werden soll. Es ist
doch ungleich zutreffender statt dessen zu sagen: der „Pfarrer"
(Pastor), „Propst" (Dekan, Superintendent), „Bischof"; oder allgemein
: der „Diener im Amt der Kirche".

1. Der „Amts träger" oder „Träger des geistlichen
Amte s".

Dieser Begriff ist sowohl im Pfarrerrecht als auch im sonstigen
theologischen und kirchlichen Sprachgebrauch geläufig geworden1
. Aber was soll mit ihm ausgedrückt werden? „Trägt"
der Ordinierte das ministerium ecclesiasticum? Oder will der
Terminus nur besagen: der Ordinierte ist ein mit dem Amt „Beauftragter
"? Wird so auch der Ausdruck verstanden, daß die Ordination
die „Übertragung" des geistlichen Amtes sei, gleichsam
nur die „Beauftragung"? Denkt man an die letzte große Amtsdebatte
im 19. Jhdt., so ist diese Terminologie keineswegs „eindeutig
". Mit Bedacht verweise ich auf Vilmar2. Er verwendet
sehr häufig die Begriffe „Amtsträger", „Träger des geistlichen
Amtes" und „Übertragung des geistlichen Amtes" und bei ihm
haben sie eine theologisch ganz bestimmte Bedeutung3. Für Vil-
mar ist der Ordinierte dadurch zum „geistlichen" Amt „befähigt ,
weil ihm bei der Ordination durch die Handauflegung von Person
zu Person das „Vermögen" zum Amt (von ihm auch genannt
die Amts-,,gäbe", -„gewalt", -„potestät", -„vollmacht") mitgeteilt
, d. h. „über-tragen" worden ist. Nunmehr „trägt" der Ordinierte
diesen spirituellen „Besitz". Er ist charakteristisch für
Vilmars Amts- und Ordinationsverständnis. Der Ordinierte ist
in dem bestimmten Wortsinne „Träger" des „geistlichen" Amtes.
Als „Amtsträger" ist er der „Geistträger".

') Z.B. Verf. d. schleswig-holsteinischen Landeskirche v. 30. 9. 1922.
I 51 i bayrisches Pfarrerrecht, s. Neuere Rechtsquellen für die Ev.-Luth.
Kirche in Bayern, hrsg. v. G.-A. Vischer. München 1950. S. 108 ff. u.a.;
vgl. auch die häufige Verwendung des Begriffes im Begleitwort von Chr.
Mahrenholz zur Agende Bd. IV der VELKD, Kleine Ausgabe, Neuen-
dettelsau 1951, S. 1 87 ff.

*) Vgl. zu Vilmars Amts- u. Ordinationsverständnis meine Habil.-
Abhandlung. Die Ordination zum Amt der Kirche, in: Arbeiten z.
Gesch. u. Theol. des Luthertums. Bd. 2. Berlin 1956. S. 29 ff.

') Die Begriffe finden sich z.B. in folgenden Sohriften: Die Lehre
vom gcistl. Amt. Marburg-Leipzig 1870, S. 65, 66, 72, 73; Dogmatik,
2. Teil, Gütersloh 1874, S. 277 f.; 281; Die Theologie der Tatsachen
wider die Theologie der Rhetorik, 4. Aufl., Gütersloh 1876, S. 87.
Ferner verweise ich auf eine Ordinationsrcde Vilmars, zitiert bei Karl
Wicke, Vilmars Zeugnis von der Kirche, Gütersloh 1937, S. 147.

2- Der „Dienst am Wort und Sakramen t".

Dieser Ausdruck findet sich in mehreren Rechtsformulierungen
des heutigen Pfarrerrechtes*. Auch im Begleitwort zur Agende
IV der VELKD kommt er vor5 und scheint sich ebenfalls im
kirchlichen Sprachgebrauch einzubürgern*. Bemüht man sich aber,
diesen Ausdruck zu verstehen, so befindet man sich in einiger

*) Z.B. Braunschweig Kirch. Verf. v. 23.1.1922, § 9, Abs. 1;
Schleswig-Holstein Kirch. Verf. v. 30.9. 1922, § 51. (Der berufsmäßige
Dienst am Wort und Sakrament, sowie die geistliche Führung der Gemeinde
steht den Trägern des geistlichen Amtes zu); ferner neuerdings
Hessen-Nassau Kirch. Ordng. v. 17.3.1949, Art. 16, Abs. 2; Rheinland
Kirch. Ordng. v. 2.5. 1952, Art. 57, Abs. 1. 2. 4. 5; Westfalen
Kirch. Ordng. v. 1. 12. 1953, Art. 215 u. 216.

6) Hier spricht Chr. Mahrenholz von dem „Stand zum pfarramtlichen
Dienst verpflichteter Amtsträger" (a.a.O., S. 195) als der „Gemeinschaft
der zum Dienst am Wort und Sakrament Verpfliditetcn"
(S. 196). Vgl. auch Vilmar, Die Lehre vom geistl. Amt, S. 67.

*) Bes. sei hierzu hingewiesen auf den soeben von W. Andersen
verfaßten Artikel „Amt, geistliches" im Ev. Kirchenlexikon, Göttingen
1955 ff., l. Lieferung, Sp. 109.