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Ausgabe:

1956

Spalte:

17-24

Autor/Hrsg.:

Müller, Alfred Dedo

Titel/Untertitel:

Das Weltbild als theologisches Begegnungsproblem 1956

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log, Präfation, Sanctus, anbetendes Schweigen, Einsetzungsbe-
richt, Anamnese (mit Präsentation der Elemente), Geistepiklese
als bloßes Gebet, „Amen" der Gemeinde; Maranatha und Benedictas
, qui venit, Herrengebet; Worte zur Brotbrechung und zur
Elevation des Kelches, Inklinationsgebet, Kommunion der Litur-
gen, Einladung, Kommunion der Gläubigen; kurzes Schlußgebet,
Gesang der Doxologie durch die Gemeinde, Segen, Amen der
Gemeinde (oder des Chors). Auch zum Stundengebet, zur Taufe,
zur Trauung, zur Totenfeier, zum Kindergottesdienst liefert
Paquier Beiträge, die dem heutigen ,.ökumenischen" Liturgismus
entsprechen. Erstaunlich, daß er die These verteidigt: Für den
Menschen, erst recht für den Christen, gibt es nur eine „inkar-
nierte Spiritualität". Und dem reformierten „Biblizismus" in der

Liturgie setzt Paquier die Ansicht entgegen: Die Notizen des
NT von liturgischen Dingen sind Hinweise auf eine tatsächlich
geübte reichere Liturgie. (Vgl. dazu Gregory Dix, The Shape
of the Liturgy, London 1945, und W.Hahn, Gottesdienst und
Opfer Christi, Göttingen 1951.)

Die besprochenen „Grenzsetzungen" sind allesamt „akademisch
", ob sie nun den mittelalterlichen Choral, den Canon
Missae oder die reformierte Predigt- und Abendmahlsliturgie
betreffen. Aber sie entstammen alle dem gleichen übergreifenden
Gedanken: Man muß Liturgisches liturgiewissenschaftlich anfas-
j sen, nicht dogmatisch oder juristisch — was aber nicht gegen die
Dogmatik oder das Kirchenrecht gerichtet ist, sondern dem Suum
cuique nachhelfen will.

Das Weltbild als theologisches Begegnungsproblem

Eine grundsätzliche Betrachtung zu Otto Dilschneider: „Das christliche Weltbild"1

Von Alfred Dedo Müller, Leipzig

Es gibt Probleme, die sich der wissenschaftlichen Bemühung
ganzer Generationen versagen, so daß es geradezu vermessen erscheinen
kann, sie lösen zu wollen und die doch zugleich im wahrsten
und bedrohlichsten Sinn des Wortes so existenziell sind, daß
es einfach ein Gebot der Menschlichkeit und Barmherzigkeit ist,
jeder Versuchung zur Resignation zu widerstehen. Das Weltbild-
problem steht unter diesen Fragen ganz obenan. Es geht keines-

Verharmlosung wird von dem Bewußtsein getragen, daß die
Evangelische Kirche und Theologie hier vor eine Aufgabe von
grundsätzlicher Bedeutung für Kirche und Welt gestellt sind, für
die ihnen alle Traditionen fehlen. „In der Idee einer Evangelischen
Akademie prägt sich die Idee der Universalität des christlichen
Glaubens schlechthin aus" (99). „Wer von der Basis des
christlichen Glaubens aus ein Weltbild formen will, muß sich die

Wegs nur den wissenschaftlich beteiligten Zeitgenossen an, son- Frage vorlegen, ob das Volumen seiner Giaubenserkenntnis dafür

dem reicht in alle Lebensbereiche und Lebensentscheidungen hin
ein. Es bildet nicht nur den Hintergrund für die Fragen der per
sönlichen Lebensgestaltung, etwa des Liebeslebens, sondern es
prägt auch irgendwie alle Probleme der sozialen und politischen
Lebensordnung.

Diese Allgegenwärtigkeit hängt einfach damit zusammen,

ausreichend ist" (99). Das macht eine rückhaltlose theologische
Selbstbesinnung und Selbstkritik nötig
. Eine Theologie, die der in einer Evangelischen Akademie gestellten
Aufgabe gewachsen sein soll, muß alles umfassen, was in
den Anfängen der dialektischen Theologie an „echten reformato-
rischen Kräften", „die unser Jahrhundert entscheidend befruchtet
daß das Weltbildproblem ja nur die konzentrierteste Zusammen- j haben" (27), aufgebrochen ist. Sie muß die Erfahrungen des Kir-
fassung und der symbolische Ausdruck für die totale Ratio- I chenkampfes 1933—1945 in sich aufnehmen, und sie muß das
nalisierung und Verwissenschaftlichung un- ..ökumenische Ereignis" alseinen der „wichtigsten Impulse der
seres gesamten Daseins- und Weltverständnisses ist. neueren Kirchengeschichte" ernst nehmen und nach allen Seiten

In der Einrichtung der Evangelischen Akademien ist die Evan- ™ durchdenken. Aber sie darf nichts von einer bloßen kirchli-
gelische Kirche aus der jahrhundertelangen Resignation dieser ™en ..Restauration", einer bloßen „Wiederherstellung des Sta-
Problematik gegenüber herausgetreten. Es hat vorher gewiß nicht j tus <IU° m Kirche und Theologie", einer bloßen „Wiederaufrich-
an Einzelbemühungen gefehlt, der aus dem unaufhaltsamen Vor- j tunS der Bekenntnisgrenzen des 16. Jahrhunderts", einer un-
dringen des wissenschaftlichen Weltbildes entstandenen Beunru- evangelisch verstandenen „Bindung an die Tradition" erwar-
higung und Gefährdung des Glaubens apologetisch entgegenzu- j ff", ^, 7 Jauter Gefahren, von denen D die Kirche seit 1945
wirken. Hier in der Akademie wird dieser Lage zuerst grund- , gedroht sieht, insofern sich in ihr eine „schon längst erkennbare
sätzlich und institutionell begegnet. Einen anderen Sinn kann die : ^ontenbildung vollzog und „der Lutherische Konfessionalis-
gewagte, aber sichtlich aus der Not geborene Inanspruchnahme ' mus und „die dialektisch-reformierte Theologie feste kirchen-
des Akademiebegriffes gar nicht haben. Man mag ihn so laien- j Politische Positioner, gegeneinander bezogen (12). Im besonde-
haft verstehen wie möglich. Es liegt auf der Hand, daß er für die I r.en..nab= die dialektische Theologie nach hoffnungsvollen
hier angebotene diagnostische und therapeutische Hilfe wissen- ' A"™n?en.™ e,ner Theologie der „totalen solation (26 ff.) der
schaftlichen Rang beansprucht, daß sie also nicht nur praktisch -Entwirklichung una Denatunerung des Lebens (30) entwickelt

wirksam, sondern wahr sein will. Die daraus für die Träger der
Akademiearbeit, die Direktoren und Mitarbeiter, die Kuratorien

.die jedwede Beziehung zu Welt, Mensch und Kultur verlieren
mußte" (29). Das „genuine Luthertum" beruft sich dem gegengrammatisch
-nachdrücklich zum Ausdruck

I

und Kirchenleitungen, sich ergebende Frage ist nun die, ob sie «her zwar mit Recht auf die größere lutherische Weltaufgeschlos-
eigentlich wissen, worauf sie sich hier eingelassen haben. Das ist ; !?nhe* (")■ Aber es gilt doch zu sehen, daß das theologische
die Frage, mit der Otto Dilschneider sich in seinem Buch „Das ! Konzept Luthers und das der dialektischen Theologie dieselben
christliche Weltbild", (Gütersloh 1951, 324 S.') beschäftigt. Der ™fur!n ™b«n Es Seht hier Wle &°\ um elne -Jndiv'dua-
Untertitel „Grundlagen und Wirklichkeit einer evangelischen ''^tische Heilslehre , um „das persönliche Heil des einzelnen Men-
Akademie" bringt diesen praktischen Bezug seiner Arbeit pro- - sch.e" • Lum ':SuJnde/ B"£e «nd Erlösung (31). So ist eine spe-

Zinsen abendländische Iheologie entstanden, die „die kosmologi-
schen Probleme nicht mit umgreift" (3 3). Helfen kann nur die
Erkenntnis, daß „der Heilsraum des biblischen Schrifttums weit
größer ist als in der Überlieferung eines Augustin und Luther"
D. sieht die Evangelischen Akademien Deutschlands „de ; (33) Es reicht nicht aus, ,.die Stilform abendländischen Christen-
Gefahr ausgesetzt, yo ksmiss.onarische Einrichtungen auf höhere tums jm ^ ^ ^ ^

Ebene zu werden (99). Sein leidenschaftlich vorgetragenes zuführen„ („} Das hießc*>>dic KIuft zwiSchen der Glaubens-

*jrundanliegen ist demgegenüber die Klarung der theo- ...___.. / — . . ,^Tii j. jj

1 „ ■ 6 66 ■ , &, , . ... Situation des Christen im 16. Jahrhundert und der geistesge-
»ogischen Voraussetzungen der Akademiearbeit. c„u; j...1-j. c-. ..• j /~i_ ■ ^ • -~ i l. l j i-.
r>» c i i i , . . ii • . ! j.- scnichtlichen Situation des Christen im 20. Jahrhundert verken-
wer Kamp! gegen eine drohende apo ogetisch-vo ksmissionansche . „ , ,, , , , , . ..
--r b 6 nen(32). Heute ist der Durchbruch „von der konfessionellen Ver-

*) Dilschneider, Otto A.: Das christliche Weltbild. Grund- engung zur Universalität der paulinischen Botschaft" gefordert

lagen und Wirklichkeit einer evangelischen Akademie. Gütersloh: Ber- (69 ff.). In ihr ist „das Schicksal des Menschen" nicht „aus dem

telsmann i95i. 324 S. gr. 8°. Lw. DM 19.20. Kosmos herausgelöst und isoliert betrachtet", sondern „das Er-

) Die im Text ohne Titelangabe in Klammer gesetzten Ziffern be- lösungswerk Gottes" vollzieht sich „in einem großen geschichts-
ziehen sich immer hierauf.