Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1956

Spalte:

343-346

Autor/Hrsg.:

Friedrich, Gerhard

Titel/Untertitel:

Lohmeyers These über das paulinische Briefpräskript kritisch beleuchtet 1956

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

343

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 5'6

344

des noch nicht erschienenen Halbbandes II/2 geht Albertz insbesondere
auf den Schlußabschnitt des ganzen Werkes ein: Die Botschaft
und die sie begleitende Theologie. Die Botschaft ist das
primäre, die sie von Anfang an begleitende Theologie das sekundäre
Moment. Diese Theologie entsteht unmittelbar mit der Verkündigung
, weil die Taten Gottes, die der Verkündigung zu
Grunde liegen, von Anfang an den Zweifel des vernünftigen
Menschen hervorrufen, den Anstoß des frommen Menschen, ja,
die besondere Versuchung für den Christus und seine Gemeinde
bilden und schließlich im 3. Jahrhundert, nach Entstehung des
Neuen Testamentes, den Totalangriff der philologischen und
philosophischen Wissenschaft des Porphyrius auf sich ziehen.

Die Theologie besteht deshalb zunächst in der Antikritik
gegen die Kritik: in Zeugenbeweis, Schriftbeweis, Beweis des

I Geistes und der Kraft, Geschichtsbeweis und — im Neuen Testa-
I ment ganz selten — im Rückgriff auf die Vernunft. Die urchristliche
Theologie besinnt sich positiv auf ihr Fundament in der
Botschaft, auf die Zuverlässigkeit des Wortes Gottes, auf Jesus
Christus als die Wahrheit; sieht ihr Recht zur Kritik in der radikalen
Kritik, die Jesus Christus und sein Geist ausüben, und
den Grund ihrer Freiheit zum neuen Denken in der weiterführenden
Erkenntnis des heiligen Geistes. Für die sachliche Ausgestaltung
der Theologie übernimmt das Neue Testament drei Formen
aus der jüdischen Tradition, die zugleich in der umgebenden religiösen
Welt ihre Entsprechung hat: die Weisheit der Torheit
Gottes, die antirabbinische Schriftgelehrsamkeit und die anti-
gnostische Gnosis, deren Abgrenzungen vom Spätjudentum kurz
skizziert werden.

Die erste Begegnung zwischen Paulus und Kephas Gal. 1,18

Von Otto Bauernfeind, Tübingen

Der erzählende Teil des Galaterbriefs (Kap. lb u. 2) soll , Trifft diese Annahme zu, dann stellen die Verse 1, 18-20
nach verbreiteter Auffassung den Beweis für den göttlichen Ur- j also nicht den qualvollen Versuch dar, eine Lücke in einem Alisprung
des paulinischen Evangeliums und Auftrages (1, 11 f.) er- [ bibeweis zu überbrücken. Das bedeutet aber, daß es sich 1, 15-24
bringen. Der Abschnitt 1, 15—24 würde dann innerhalb dieses i auch nicht um einen Alibibeweis, ja überhaupt in dem gesamten
größeren Zusammenhanges einen einleitenden Alibibeweis bil- j erzählenden Abschnitt nicht um einen Beweis für den 1, 11 f. be-
den: Paulus kann Evangelium und Auftrag gar nicht von Men- j haupteten göttlichen Ursprung des paulinischen Evangeliums und

Auftrages handelt. Paulus will hier vielmehr überall im Sinne
von 1, 10 zeigen, daß er als Xqiotov Öovlos niemals „den
Menschen gefällig" sein durfte, selbst den Uraposteln und Kephas
nicht, obwohl die Versuchung dazu im Verkehr mit diesen
Männern größer gewesen wäre, als irgendwo sonst. Daß er nicht
die Absicht hatte, sich um die Gunst des Kephas zu bewerben,
deutet Paulus durch die überlegte Wahl des Wortes iaroQrjam
an; daß für die anderen Apostel Entsprechendes gilt, unterstreicht
er durch die feierliche Versicherung v. 20. Die gleiche Haltung
hat er dann auch bei dem Apostelkonzil (2, 6. 9) und in Antiochien
unter Beweis gestellt.

Die zusammenfassende Schlußfolgerung aus dem erzählenden
Briefteil, die ja zwar nur ergänzt werden kann, aber doch
ergänzt werden muß, würde demnach etwa so lauten: „Also entfällt
vollends alles das, was man in Galatien dem Apostel argwöhnisch
unterstellt hat, nämlich das Trachten nach Menschengunst
und Massenerfolgen bilde das geheime eigentliche Grundmotiv
, aus dem heraus Paulus so geflissentlich darauf bedacht
sei, den für oberflächliche Gemüter abschreckenden Ernst der
Gesetzesbefolgung aus dem Gesichtskreis der werdenden Heidenchristen
fernzuhalten, ja dies Grundmotiv nötige ihn dann in
verhängnisvoller Folgerichtigkeit dazu, sogar auch denjenigen
Heidenchristen die Übernahme der Beschneidung zu wehren, die
an sich dazu willig wären." Daß seine Motive in Wahrheit vielmehr
im Wesen des Evangeliums selbst begründet sind, zeigt
Paulus dann in der Wiedergabe der antiochenischen Rede und im
zweiten Briefhauptteil.

Wie sich im Ganzen das Verhältnis des Paulus zu den Jeru-
saleme'rn nach dem Abschluß der 2, 11 ff. berichteten Auseinandersetzung
gestaltet haben mag, darüber läßt der Galaterbrief
verschiedene Vermutungen zu; daß in der nachantiochenischen
Zeit aber auf seinem Erinnerungsbild an die erste Begegnung mit
Kephas irgendwie ein Schatten — sei es auch nur der Schatten der
Bedeutungslosigkeit — gelegen hätte, kann weder aus dem Galaterbrief
noch aus anderen Quellen erschlossen werden.

Der Vortrag erscheint vollständig in der Zeitschrift für die Neu-
testamentliche Wissenschaft.

sehen, d. h. von den dafür allein in Betracht kommenden Uraposteln
empfangen haben; denn während der langen Zeit bis zum
Apostelkonzil (2, 1 ff.) hatte er mit den Uraposteln so gut wie
gar keine Verbindung. Sein erster Aufenthalt bei Jerusalemischen
Christen wäre dann zwar 1, 18 ff. gewissenhaft als formale Lücke
im Alibi notiert, aber eben als eine nur formale, nur scheinbare
Lücke; daß die damals erfolgte Fühlungnahme mit Kephas wenig
bedeutet hat und den Beweis darum in Wahrheit nicht entkräften
kann, käme mehrfach zum Ausdruck: 1) Es handelte sich um nicht
mehr als um ein bloßes ioTogfjoai Krq>äv ; 2) der Aufenthalt
in Jerusalem dauerte nur 15 Tage; 3) nur Jakobus, aber keiner
der anderen Apostel wohnte dem Gespräch bei.

Diesem Verständnis der Verse 1, 18-20 ist jedoch entgegenzuhalten
, daß (l) das zurückhaltende Wort iaroQrjoai nur die
Absicht eingrenzt (und gegen übertriebene Vorstellungen abschirmt
), mit der Paulus nach Jerusalem gegangen war. Daß schon
deshalb auch dem Ergebnis des Jerusalemer Aufenthalts nur eine
geringe Bedeutung zukomme, kann weder aus der Wahl des Wortes
iarogrjaui noch (2) aus der Mitteilung über die Dauer des
Aufenthaltes erschlossen werden; denn daß hier auf einem gar
nicht ausgesprochenen „nur" vor der Zahl 15 ein starker Ton
liegen solle, dafür kann weder ein Vergleich mit den vorher und
nachher genannten längeren Zeiträumen noch sonst ein stichhaltiger
Grund geltend gemacht werden. Und aus dem Hinweis (3)
schließlich, daß die beiden einflußreichsten Männer der Jerusalemer
Gemeinde seine einzigen Gesprächspartner waren, konnte
und kann niemand ein abfälliges Urteil des Paulus über das Gewicht
der Begegnung ableiten. Für die falsche Vorstellung, die
er bestreitet, kam auf die Absicht (1) des Paulus und auf die Anzahl
(3) der von ihm erreichten Persönlichkeiten offenbar mehr
an als auf die sachliche Bedeutung des Gesprächs. Welche falsche
Vorstellung das aber gewesen sein könnte, ist nicht aus 1, 11 f.
zu entnehmen, sondern aus 1, 10: dem schmiegsamen und zugleich
von starkem Geltungstrieb bestimmten Heidenapostel gehe
es um das ävftQojJiotg dgioxeiv, um ein Maximum an Anerkennung
und an guten Beziehungen.

Lohmeyers These über das paulinische Briefpräskript kritisch beleuchtet

Von Gerhard Friedrich, Erlangen

Stil gehalten ist, während sich im zweiten die persönliche Ausdrucksweise
von „Ihr" und „Wir", „Euch" und „Unser" findet.
Dieses entspreche dem vorderasiatischen Briefstil. Der Briefgruß
des Paulus sei eine liturgische Formel, durch die der urchristliche
Gottesdienst eingeleitet wurde. Als Beweis für die
Richtigkeit seiner These führt Lohmeyer an, daß der Segens-

Es ist das Verdienst von E. Lohmeyer gewesen, in seinem bekannten
Aufsatz über „Probleme paulinischer Theologie" in der
ZNW 1927 auf das vorderasiatische Briefformular aufmerksam
gemacht zu haben. Während das Briefpräskript im Griechischen
nur aus einem Satz besteht, habe es bei Paulus zwei Teile, von
denen der erste wie im griechischen Brief im unpersönlichen Er-