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Ausgabe:

1956

Spalte:

341-344

Autor/Hrsg.:

Albertz, Martin

Titel/Untertitel:

Kerygma und Theologie im Neuen Testament 1956

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 5/6

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noch genauer feststellen. In Lev. 7, 18 heißt es im Zusammenhang
mit Bestimmungen über das Essen des Opferfleisches: „Wenn
aber noch am dritten Tage von dem Fleisch seines Schlachtopfers
gegessen wird, so wird es nicht wohlgefällig angenommen (Nb
MST1), dem, der es darbringt, wird es nicht angerechnet (ncrr .S&
es wird blss sein." Hier stehen also FiSTI und ;cn in Parallele:
daß etwas „wohlgefällig" ist, heißt, daß es dem Darbringer „angerechnet
" wird. Der Ausdruck n^n gehört also in den Bereich
der priesterlichen Anrechnungstheologie hinein4.

Dieses Anrechnen geschieht auf Grund bestimmter, genau
festgelegter kultischer Tatbestände. Ein rite vollzogenes Opfer
wird dem Darbringer angerechnet. Der Priester vollzieht den deklaratorischen
Akt, der Voraussetzung der Anrechnung ist, indem
er die vorgeschriebene Formel spricht: ksin Tfxf (Lev. I, 13.
17), jr>ri tmsa (2, 6. 15) usw. Entsprechend lauten die negativen
Formulierungen: stltt M»& (Lev. 13, 15 u. ö.) u. ä.5. Eine solche
Formel findet sich auch für das am dritten Tage gegessene Opferfleisch
: Nin bl*t (Lev. 19, 7), und es wird hinzugefügt: PIX1??. «5-

Diesen Sitz des Ausdrucks n^i in der priesterlichen Anrechnungstheologie
wird man auch für die Erklärung deT entsprechenden
prophetischen Aussagen berücksichtigen müssen. Am deutlichsten
ist das in dem jüngsten Beleg Mal. 1, 13: Hier ist die
mangelnde kultische Qualität des Opfertieres Anlaß zu der Frage
Jahwes: „Kann ich das von eurer Hand wohlgefällig annehmen
?"". In Jer. 6, 20 heißt es: "pX'pb {6 Drrmb'r Dieser knappe
Satz ist ein ins Negative gewendetes priesterliches Votum, das
die Anrechnung des Opfers zusagt. Hier ist also im Namen Jahwes
die Anrechnung verweigert. Gerade bei Jeremia wird auch
der theologische Ort dieser Aussagen deutlich. Man wird sie im
Zusammenhang mit seiner Polemik gegen die falsche Sicherheit
sehen müssen, wie sie besonders in der Tempelrede Kap. 7 zum

4) Vgl. dazu v.Rad, ThLZ 76, 1951, 129 ff.

6) Zu diesen Formeln vgl. Rendtorff, a. a. O. 74 (f.

6) Vgl. auch Mal. 1, 10; 2, 13.

Ausdruck kommt. Dort das Vertrauen auf den Tempel als objektive
Garantie der Heilsgegenwart Jahwes — hier das Sich-Ver-
lassen auf das rite dargebrachte Opfer als Gewährleistung des
„Wohlgefallens" Jahwes. Dieser Zusammenhang wird auch In
Jer. 14, 12 ganz deutlich, wo der Prophet auf Jahwes schroffes
31p ■'SO-'N hin das Volk mit dem Hinweis auf die Sicherheitspredigt
der Nebiim zu entschuldigen versucht. — Entsprechend wird
man Hos. 8, 13 (= Jer. 14, 10), Am. 5. 22 und Mi. 6, 7 zu verstehen
haben.

Mit njtl geht in der prophetischen Kultpolemik der Ausdruck
ysn parallel. In Mal. 1, 10 stehen beide im synonymen
Parallelismus7. In Hos. 6, 68 und vor allem in Jes. 1,11 ist der
gleiche Sinn dieses Ausdrucks deutlich. In der letzten Stelle weist
auch die Wendung n^ti rOTW in V. 13, die wie eine priesterliche

[ deklaratorische Formel aussieht, auf kultische Terminologie in
dem Abschnitt 1, 10-17 hin.

Die Propheten wenden sich also gegen ein falsches Verständnis
der priesterlichen Anrechnungstheologie, das ein rite vollzogenes
Opfer auf Grund des priesterlichen Anrechnungsvotums
als Garantie für ein einwandfreies Verhältnis zu Jahwe ansieht.
Gegenüber dem im Charakter der Kultsprache begründeten unpersönlichen
oder passivischen Sprachgebrauch der priesterlichen
Aussagen rr!T yat"} rTJCT usw.) heben sie dabei das Ich Jahwes
hervor. Darüber, ob jemand vor Jahwe „Wohlgefallen" findet,
entscheidet er selbst, und er kann auch zu bestimmten Zeiten
durch einen Propheten sagen lassen, daß er überhaupt nicht bereit
sei, Opfer „zum Wohlgefallen" anzunehmen".

7) So auch Ps. 51, 18.

8) Vgl. 2. Sam. 1 5, 22.

) In späterer Zeit hat die Anrechnungstheologie in zwei Richtungen
ihre Fortsetzung gefunden: in der Hoffnung, daß Jahwe in der
kommenden Heilszeit wieder Opfer „zum Wohlgefallen" annehmen
werde (Hes. 20, 40 f.; Jes. 56, 7; 60,7; Ps. 51,21), und in der spiri-
tualisierten Form, daß Jahwe Gebete anstelle von Opfern wohlgefällig
annehmen soll (Ps. 19, 15; 119,108, vgl. auch Ps. 69, 14).

Erwägungen :

Von Ernst W ü r t

Das Referat sucht die Gattung dieses meist den sog. „geistlichen
Liedern" zugerechneten Psalms neu zu bestimmen. Dabei
wird der Ausgangspunkt im 2. Teil (V. 19—24) genommen. Er
ist nicht störender Anhang, wie viele Exegeten meinen, sondern
in ihm liegt der Schlüssel zum Verständnis des ganzen Psalms,
da in ihm das konkrete Anliegen des Beters ausgesprochen wird:
Er bittet um ein Verfahren gegen sich selbst, durch das er offenbar
die Haltlosigkeit einer gegen ihn erhobenen Beschuldigung
nachgewiesen haben möchte (V. 23 f.). Aus V. 19-22 geht hervor
, daß der Beter der Gemeinschaft mit Jahwe feindlichen Menschen
verdächtigt wurde, ja sogar — V. 24 — des Götzendienstes.
Da nicht erkennbar ist, ob auf V. 24 wirklich ein Ordal folgte,

zu Psalm 139

h w e i n, Marburg

wird man den 2. Teil am besten als eine Art Reinigungseid oder
Unschuldsbeteuerung anzusehen haben.

Der 1. Teil (V. 1—18) hat die Aufgabe, auf diese Unschuldsbeteuerung
vorzubereiten, indem er dem zur Verantwortung Gerufenen
deutlich macht, wie er ganz von Gott durchschaut und
von ihm unentrinnbar umschlossen sein Leben führt.

Die viel diskutierte religionsgeschichtliche Parallele Athar-
yaveda IV, 16, von der Ps. 139 nicht abhängig ist, ist in einer
ähnlichen Situation beheimatet, woraus sich die Verwandtschaft
der Aussagen über Gottes Allwissenheit und Allgegenwart erklärt
.

(Erscheint in Vetus Testamentum.)

NEVTESTAMENTL1CHE SEKTION

(Leitung: J. Jeremias /Göttingen)

Kerygma und Theologie im Neuen Testament

Von Martin A 1 b e r t z, Berlin

Der Referent war aufgefordert worden, „einige markante Stellungen nach der neutestamentlichen Theologie im we-
Grundlinien" seines im Erscheinen begriffenen Werkes „Bot- sentlichen stehenbleiben, setzt Albertz zunächst auseinander, daß
schaft des Neuen Testamentes", vorzutragen. Da Band I jetzt j künftig als Gegenstand der Disziplin grundleglich die Entfaltung

auch in der DDR vorliegt, gibt der Ref. keinen Bericht über diesen
Band, sondern stellt nur die revolutionäre Frage an die Kollegen
: „Ist „Entstehung, Sammlung und Überlieferung der
Schriften des Neuen Testaments", wie Wilhelm Michaelis
die Aufgabe der Einleitung umschreibt, ohne „Entstehung, Sammlung
und Überlieferung" der Botschaft historisch und theologisch
sachgemäß zu erfassen? Im Anschluß an Uli und im Ge-

der Botschaft des Neuen Testaments sein müsse; er macht
auf den Kompromißcharakter der Darstellung der neutestamentlichen
Theologie bei Bultmann aufmerksam und verteidigt die
Entfaltung der Botschaft von ihrer Einheit aus. Er begründet,
weshalb die Entfaltung der Botschaft selbst sachgemäß triadisch
von 2. Kor. 13, 13 ausgehen muß und ein von der heutigen Theologie
und Kirche abweichendes Denken vom Eschatos aus fordert

gensatz zu Stauffer und Bultmann, die bei den alten Frage- (Luk. 12, 31, Phil. 3, 20. 21, Joh. 5, 25). Unter Beiseitelassung