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Ausgabe:

1956

Spalte:

337-340

Autor/Hrsg.:

Maass, Fritz

Titel/Untertitel:

Zu den Qumran-Varianten der Bücher Samuel 1956

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 5/6

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2. In Kap. 5 6, 9—5 7, 13 begegnet eine erste prophetische
Rede, deren Logik und Tenor nur aus der Verschiedenheit der
Hörerschaft recht zu deuten ist. — Sie beginnt mit einem erklärenden
Wort zur religiösen Lage im Lande, das den Heimkehrern
begründen will, warum sie nur wenig Fromme unter den Eingesessenen
finden. Die Führer sind schuld, die stummen und heißhungrigen
Hunden gleichen (56, 9—57, 2). — Es folgt ein prophetischer
Angriff gegen heidnische Greuel, die unter den Alt-
judäern im Schwange gehen, weil diese sich vor dem schweigenden
Jahwe in Sicherheit wiegen. Gott aber deckt jetzt im Prophetenwort
die Schuld auf. Die Verheißung des Landerbes wird
nur den auf Jahwe Vertrauenden zugesprochen (v. 13).

3. Kap. 57, 14-21 (in der Reihenfolge: 14. 16a. 17-19.
15.—20/21 wohl Zusatz) enthält nach einer allgemeinen Aufforderung
, allen „Anstoß" aus dem Wege zu räumen, ein Wort der
Würdigung über den Weg des Volkes und wohl besonders der
Gola durch Gericht zum Heil für die Fernen und die Nahen, gerichtet
vor allem an die Altjudäer. Der Abschnitt gipfelt in einem
Leitwort für alle, Gott wohne bei Demütigen und Gebeugten
. Damit wird dem Volke eine Haltung gezeigt, ohne die neue
Gemeinschaft aus den disparaten Teilen nicht wachsen kann. Nur
Demut führt wieder zusammen.

4. Sollten die Abschnitte unter Nr. 2 und 3 eng zusammengehören
, dann wäre wohl ,.Anstoß" in 57, 14 auf die vorher genannten
Greuel zu beziehen. Die formale Entsprechung wäre
dann frappierend: am Anfang 56, 9—57, 2 ein Wort an die Gola
zum Verständnis der Lage der Einheimischen und am Schluß
5 7, 14 ff. ein Wort an die Einheimischen zur Würdigung des Weges
Gottes mit der Gola.

5. Kap. 5 8 (Fastenfrage) ist ein allgemein gültiges Wort der
Warnung vor Selbstgenügsamkeit in der Ausübung kultischer
Observanz mit einem echt prophetischem Hinweis auf die Pflicht
bruderschaftlicher Hilfe als auf das wahre Gottgefällige und als
Voraussetzung einer baldigen Heilung der Zeitnöte. Der Prophet
weckt als Erzieher die Verantwortung für den wahren „Gottesdienst
".

6. Auch Kap. 59 enthält prophetische Predigt, beginnend
mit der Abweisung einer Volksmeinung (Hand Jahwes ist zu
kurz v. 1) und schließend in v. 20 mit einer durch eine Bedingung
eingeschränkten Verheißung (Jahwe kommt als Erlöser für
Zion und für die vom Abfall Bekehrten in Jakob). - Sprach c. 5 8
vom wahren Willen Gottes, so c. 59 von den Sünden des Volkes,
die es von Jahwe scheiden und darum auch das Kommen des
Heils verhindern. Haben die Verse 3. 4. 7. 8. vielleicht mehr die
Sünden der Einheimischen im Auge, so ist in v. 12—14 der Beichtspiegel
durchaus für alle gültig formuliert. So mag der „Sie"-Stil
in v. 4. 7. 8 und der „Wir"-Stil in v. 12-14 mit Bedacht gewählt
sein. — Die These einer schon vollzogenen Scheidung zwischen
Volk und Gemeinde von Volz ist abzuweisen. Die Diktion
ist vielmehr gerade so, daß der Weg zur Gemeinde offen gehalten
wird bis zum Kommen des Erlösers.

7. Die Notlage in und um Zion ist offenbar der Prägestempel
für das Heilsbild in c. 60, gestaltet von einem Mann, der
die Not mit den Bewohnern Jerusalems teilte. — Der Zustand des
sittlichen und öffentlichen Lebens, in c. 59 unter dem Gesichtspunkt
der menschlichen Verantwortung stehend, erscheint hier
unter dem Gesichtspunkt von Gottes erlösendem Eingreifen. -

Es ist einleuchtend, daß in diesen Heilskapiteln die Rücksicht auf
die Differenzierung der Hörer zurücktritt.

8. In Kap. 61 legitimiert der Prophet seine Autorität als
Freudenbote für Trauernde mit den Begriffen Sendung, Salbung
und Geistbesitz, also mit Prädikaten auch messianischer Prägung
(v. 1). Das Moment der Trostverkündigung für Trauernde gibt
dieser Rede in ihren Aussagen und Bildern eine besonders persönliche
und innige Note. Aber in diesem Kap. eine „Innerlichkeit
" ganz besonderer Art zu finden, die es aus der Gemeinschaft
mit c. 60 und 61 löst (Volz), geht nicht an.

9. Kap. 62 ist nicht fern-eschatologisch, sondern aktuell-
eschatologisch zu interpretieren (gegen Volz). — Bestellung von

j Betern als mazkirim auf Jerusalems Mauern (v. 6) und Aufforde-
| rung, die Bahn zu bereiten und Steine wegzuräumen (v. 10), sind
Zeichen dafür, wie leidenschaftlich der Prophet für Zions Erhöhung
eintritt.

10. Die Vision von Jahwe als dem Keltertreter in c. 63, 1—6
ist zusammenzusehen mit c. 5 9, 16—20, wo Jahwe als Kriegsmann
seine Feinde zu treffen weiß. — In c. 63 ist Edom Repräsentant
der Kleinfeinde Judas in der Nachbarschaft, deren Besiegung Voraussetzung
ist für eine reale Erhöhung Zions. — Zum „Typus
der gottfeindlichen Macht" wird Edom wohl erst später (gegen
Volz, cf. Mal. 1, 4).

11. Kap. 65, mit dem Kern von c. 66 inhaltlich eng verbunden
, gehört wohl zu den jüngsten Tritojesaja-Zeugnissen. Aber
eine zeitliche Ansetzung in viel späteren Zeiträumen (Volz: im
hellenistischen Zeitalter) ist nicht zu empfehlen; die Datierung
nach den Afterkulten v. 3—5 und 11 ist viel zu unsicher. — Die
Frage nach Gericht und Heil erfüllt das Kapitel. Die Kultgreuel
verdienen Gericht, doch soll es sich nicht in einer Gesamtkatastrophe
auswirken, sondern Gott will um seiner Knechte willen
das Ganze nicht verderben. Damit dieser Satz bei dem untreuen
Teil nicht zu falscher Sicherheit führt, ist das verkündigte Heil
beschränkt auf ein Auswahlvolk („mein Volk, das nach mir fragt"
V« 10), das auch bezeichnet wird als „meine Knechte", „meine
Auserwählten". Eine Identifizierung mit einer gegenwärtigen
Größe findet nicht statt. Doch ist die prophetische Verkündigung
Entscheidungspredigt geworden.

12. Kap. 66, 1—4 ist wohl ein Wort zum Tempelbau, obwohl
in v. 3/4 nicht direkt davon die Rede ist. — Gott braucht
keinen Tempel zum Wohnen, und er sieht nicht auf frommes
Werk, sondern auf demütiges Herz (v. 1. 2). Ebenso ist Jahwe
ein Nebeneinander von Opferdienst und Menschentöten oder
Afterkult unerträglich (v. 3. 4).

13. In Kap. 66, 5-15 (in der Reihenfolge: 5.6.14.15.7
bis 13) zeigt sich die Situation der Spannung zwischen treuem
und untreuem Teil unverhüllt. Obwohl die Untreuen die Treuen
hassen und ächten (v. 5), nennt der Prophet sie „eure Brüder".
Andererseits müssen die „Feinde" Jahwes Zorn, seine „Knechte"
seine Hilfe erfahren. — Unversehens wird der Akt hereinbrechen,
der den Feinden Vergeltung (v. 6), Zion seine Kinder bringt
(v. 7—9). Die Trauernden finden an Zions mütterlicher Brust
Trost, eigentlich aber ist es Jahwe selber, der die Seinen wie eine
Mutter trösten wird (v. 10—13).

14. Diese prophetische Schrift ist später durch eine Klammer
(56, 2-8 und 66, 16-24) „gefaßt" worden. In dieser Klammer
macht sich sowohl eine universalistische wie eine kultisch-
nomistische Tendenz bemerkbar.

Zu den Qumran-Varianten der Bücher Samuel

Von F. M a a ß, Berlin

1. Die meisten und wichtigsten Samuel-Fragmente von : und kommentiert. Bruchstücke eines dritten Samuel-Manuskripts
Qumrän sind bereits veröffentlicht. Unter ihnen ist von heraus- aus der 4. Qumränhöhle, 4 Q S a m c, das einen ähnlichen Textragender
Bedeutung die Handschrift 4 Q S a m a, von der ein typ vertritt wie 4 QSäm a und b, sind noch nicht veröffentlicht.
Bruchstück mit zwei Kolumnen aus I. Samuel 1 und 2 erhalten

ist. Im Bull, of the American Schools of Oriental Research vom | Von geringerer Bedeutung als die Samuel-Fragmente aus der
Dez. 195 3 ist es von Frank M. Cross photographisch wiedergege- 4. Qumränhöhle sind die der e r s t e n aus I. Sam. 18 und II. Sani,
ben und besprochen (S. 12-26). Cross hat auch die Fragmente j 20. 21 und 23. Sie finden sich in dem Sammelband: Discoveries
des Manuskripts 4 QSam b aus I. Samuel 16. 19. 21 und 23 im in the Judean Desert, Part. I; Qumrän I; by D. Barthelemy.
Journal of Bibl. Lit. vom Sept. 1955 (S. 147-72) herausgegeben O.P., and J. T. Milik .. ., Oxford 1955.