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Ausgabe:

1956

Spalte:

333-334

Autor/Hrsg.:

Fichtner, Johannes

Titel/Untertitel:

Die theologische Bedeutung etymologischer Ätiologien im AT 1956

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Seite 1

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333

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 5/6

334

die Größe des noch unausgegrabenen Südfeldes der Qumrän-
terrasse deutlich.

Die Qumränterrasse selbst durchmaß ich von Süden her,
einmal in einem Überblick selbst, dann in einem Seitenblick von
Osten auf die von Süden nach Norden sich hinziehende Ostmauer
, die im spitzen Winkel auf die Ostmauer der Zentralanlage
aufläuft. Als Zentralanlage bezeichne ich die von R. de
Vaux im Grundriß veröffentlichte Bauanlage RB LXI (1954) Ta-
felV. VI. Die von Lankester Harding veröffentlichte Grundrißzeichnung
der Siedlung vermittelt einen Eindruck ihres Umfangs
nach dem jetzigen Grabungsstand. Gegenüber dem Grabungsstand
von 1953 ist jetzt im Süden ein Quartier sichtbar geworden
, das als beherrschenden Raum den Speisesaal von 22 m
Länge zeigt, dem im Norden zwei Zisternen (davon eine mit
einer Treppe) von etwa zwei Drittel seiner Länge vorgelagert
sind. Südöstlich von dem genannten Speisesaal befindet sich
ebenfalls eine große Zisterne. In der gleichen südöstlichen Richtung
befindet sich das Töpferquartier mit zwei Brennöfen und
Becken zum Schlämmen und Waschen des Tons. Kleinere Räume
ebenda mögen gleichfalls für handwerkliche Zwecke gedient haben
. De Vaux bezeichnet diese Töpfereianlage als die vollständigste
und am besten erhaltene Anlage dieser Art, die es in Palästina
gibt. Proben der Töpferkunst von Qumran ergeben nicht
nur die zahlreichen Scherben, sondern vor allem der südlich des
Speisesaals gelegene kleinere Raum mit zwei Säulenstümpfen, in
dem etwa tausend Stück Geschirr gefunden worden sind, darunter
mehr als 700 Schalen. Das Geschirr war noch nach den einzelnen
Arten geordnet. De Vaux nennt jarres, cruches, terrines,
asiettes, bols et gobelets.

In dem quartier industriel (im Nordwesten der ganzen Anlage
) lassen sich unterscheiden mehrere Handwerksbetriebe, so

eine Bäckerei, ein Mühlenbetrieb, von dem eine steinerne Mühle
noch in situ belassen worden ist, während ein anderes gut erhaltenes
Mühlenexemplar im Rockefeller-Museum in Jerusalem
ausgestellt worden ist. Eine andere Anlage, die durch kreisrunde,
etwa meterhohe Tonröhren auffällt, wird von Lankester Har-

| ding als Behälter für Getreide bezeichnet (Abb. 15). Auch einen
Schmelzofen glaubt Harding nachweisen zu können (Abb. 14).
Es liegt nahe anzunehmen, daß alle lebenswichtigen Handwerke
in dem Kloster vertreten gewesen sind. Lediglich hinsichtlich des
Geldes ist die Siedlung von der Umwelt abhängig gewesen, wie
die zahlreichen Münzfunde beweisen. So spricht de Vaux von
mehr als 150 neu gefundenen Münzen, während Lankester Harding
von 563 Silbermünzen berichtet, die in drei kleinen Töpfen
im Fußboden eines Raumes im quartier industriel nah bei einer
Tür gefunden wurden. Es handelt sich um tyrische Silbermünzen

! aus der Zeit 135-9 v. Chr.

Wichtig ist ferner, daß die Spuren des Erdbebens, das die
Siedlung 31 v. Chr. zum Teil zerstört hat, sich auch in den an-

I deren freigelegten Quartieren nachweisen lassen. Die neuen Ausgrabungen
haben außerdem einen Überblick über das Zisternen-

I System der Siedlung gegeben. Lankester Harding spricht von
zwölf großen Zisternen, unter denen sich auch eine kreisrunde
befindet. Hardings Ausführungen darf noch ein bisher ungeklärter
Umstand entnommen werden, nämlich die Auffindung von
Krügen, die mit Tierknochen gefüllt waren. Es handelt sich um
Knochen von Schafen und Ziegen. Die Ursache der Aufbewahrung
dieser tierischen Gebeine bleibt vorläufig ungeklärt. Hier
werden vielleicht die außerbiblischen Texte Erklärungsmöglichkeiten
bieten. Die von de Vaux seinerzeit vorgenommene Datierung
der einzelnen Siedlungsperioden ist durch die neuen
Funde nur bestätigt worden.

Die theologische Bedeutung etymologischer Ätiologien im AT

Von Johannes F i c h t n e r, Bethel

Das Referat beschränkt sich auf die Vorkommen etymologischer
Ätiologien in den historischen Büchern des AT und innerhalb
dieser auf die Stellen, an denen ausdrücklich eine Benennung
erfolgt.

In einem ersten Teil wird eine Übersicht über die Vorkommen
gegeben. In überwiegendem Maße finden sich die etymologischen
Ätiologien in den Büchern Gen., Exod. und Num. (etwa
60), in geringerem Maße in der Darstellung der Landnahme und
der vorstaatlichen Zeit (etwa 10 in Jos., Jud., 1. Sam. und
1. Chron.) und verschwindend wenig in dem Bericht von der
Königszeit (6 Belege in 2. Sam., l.u. 2. Kön. und 2. Chron.).
Die etymologische Ätiologie hat also eine besondere Affinität
zur Sage, in der sie eine starke Aussagekraft besitzt.

Ein zweiter Teil untersucht die etymologischen Ätiologien
formgeschichtlich und stellt zwei Hauptformen heraus. Die erste
Formel hat das Schema: „und er (sie) nannte seinen (ihren) Namen
so und so; denn er (sie) sagte .... (und nun folgt die etymologische
Ätiologie). Während diese Formel bei der Benennung
von Personen und örtlichkeiten verwendet wird, erscheint die
zweite fast ausschließlich bei Ortsbenennungen. Auf einen Bericht
von einem Ereignis, das sich an einer bestimmten Stätte zugetragen
haben soll, folgt die Namennennung für diese Stätte in der
Form: „daher nannte er (bzw. nennt man) den Namen dieses Ortes
so und so . . . (gelegentlich noch ergänzt durch eine Begründung
, die der ersten Formel entspricht). Aus den formgeschichtlichen
Ergebnissen werden Folgerungen für das Wesen etymologischer
Ätiologien gezogen, die dann im dritten Teil durch inhaltliche
Erörterungen weitergeführt werden.

Dieser Teil beschäftigt sich zunächst mit dem Subjekt der
Namengebung (Gott, einzelne bestimmte Menschen, das unbestimmte
„man"). Danach wird das Verhältnis der Personen-Na-
men-Ätiologien zu den Ortsnamen-Ätiologien behandelt und den
Anlässen zur Bildung etymologischer Ätiologien nachgegangen.
Dabei wird für die Ortsnamen deutlich gemacht, daß es sich überwiegend
um Stätten handelt, die nach der alttestamentlichen Tradition
eine besondere Bedeutung in der Geschichte des Gottesvolkes
gehabt haben.

Zuletzt wird die Frage nach der theologischen Bedeutung der
etymologischen Ätiologien aufgeworfen und festgestellt, daß sie
— bei aller Verschiedenheit ihrer Herkunft! — in ihrer gegenwärtigen
Verwendung fest eingebaut erscheinen in den heilsgeschichtlichen
Zusammenhang der Erwählung und Führung Israels.
Nicht die mit ihnen gemeinten Orte und Gestalten werden dabei
verherrlicht, sondern Gottes Heiligkeit (in Gericht und Gnade)
verkündigt. Erwägungen über die Verwendbarkeit und Bedeutung
der Ätiologien in der christlichen Verkündigung beschließen das
Referat. Es wird in erweiterter Form unter dem Titel „Die etymologischen
Ätiologien in den Namengebungen der geschichtlichen
Bücher des AT" im Vetus Testamentum erscheinen.

Bei kaum einem anderen alttestamentlichen Buch sind literarische
und theologische Fragen so eng miteinander verknüpft
wie beim Buche Hiob, in dem der seltene Fall vorliegt, daß es
sich im Grundbestand um eine planvoll angelegte Komposition
handelt, die trotz allen verarbeiteten Materials eine ganz eigene
Schöpfung des Hiobdichtcrs darstellt. Da die Urteile der Exegeten
aber weit auseinandergehen, besonders in der Frage nach dem

Vorgeschichte und Komposition des Buches Hiob

Von Georg F o h r e r, Wien

Verhältnis von Rahmenerzählung und Gedicht, ist es nötig, nach
neuen Anhaltspunkten zu suchen, die ein eindeutigeres Ergebnis
ermöglichen.

1. Den grundlegenden Ausgangspunkt bildet 42, 11 mit der
Notiz vom Besuch der Verwandten und Bekannten Hiobs. Mit
A. Alt ist daran festzuhalten, daß der Besuch der Bezeigung des
Beileids und der ersten Hilfeleistung für den vom Unglück Be-