Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1956 Nr. 4

Spalte:

243-245

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Mager, Friedrich

Titel/Untertitel:

Geschichte des Bauerntums und der Bodenkultur im Lande Mecklenburg 1956

Rezensent:

Holtz, Gottfried

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

243

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 4

244

der Leser widerspricht, wird er angeregt zu eigener Bemühung.
Rosenstodc glaubt, die Zukunft stehe dem offen, der realistisch
die Gegenwart sieht und sein Leben aus Gott zu führen versucht.

Künzelsau Friso Melzer

Otto, Gert: Gemeinde im Neuen Testament und ihre Bedeutung für
religionspädagogische Fragen.

Monatschrift für Pastoraltheologie 44, 1955 S. 342—3 58.
Salman, D. H.: Psychopathologie et anthropologie existentielle.
Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques 39, 1955 S. 413
bis 422.

Steffen, Uwe: Tiefenpsychologie und Theologie.

Monatsdirift für Pastoraltheologie 44, 1955 S. 416—450.
Tiling, Magdalene von: Wir und unsere Kinder.

Monatsdirift für Pastoraltheologie 44, 1955 S. 441—446.
W i 1 k i n s o n, John: The Theological Basis of Me'dicine.

Scottish Journal of Theology 8, 1955 S. 142—154.

RELIGIÖSE VOLKSKUNDE

Mager, Friedrich: Geschichte des Bauerntums und der Bodenkultur
im Lande Mecklenburg. Berlin: Akademie-Verlag 1955. 591 S. mit
Abb., 1 Kte. gr. 8°. = Deutsche Akademie der Wiss. zu Berlin.
Veröff. d. Hist. Kommission, Bd. 1. DM26.—; geb. 28 —.

Das landeskundlich bedeutsame Werk steht, wie fast alle
Untersuchungen seiner Art, zum theologischen Schrifttum nur in
loser Beziehung und liefert doch die exakten Unterlagen zur Beurteilung
von Vorgängen und Entwicklungen, die den Seelsorger
und kirchlichen Volkskundler beschäftigen. So dürfte unsere Aufmerksamkeit
begründet sein.

Das Buch handelt vom „Lande Mecklenburg". Da heute nicht
selbstverständlich ist, was man darunter zu verstehen hat, so sei
mitgeteilt, daß Mager den alten historischen Kleinstaat zuzüglich
des früheren Vorpommern und der Insel Rügen meint. Da es sich
also um mindestens zwei alte Territorien mit verschiedener geschichtlicher
Entwicklung handelt, war von vornherein eine gewisse
Uneinheitlichkeit zu erwarten. In der Regel wird denn
auch in besonderen Kapiteln die Entwicklung in Vorpommern
nachgetragen. Da das Buch für die Dorfgeistlichen und kirchlich
führenden Persönlichkeiten von Wert ist, wünschte man ihm Beachtung
über die Grenzen des alten Mecklenburg hinaus.

Der Hauptwert des Werkes liegt in der Zusammenfassung
weit verstreuter Forschungsberichte und ihrer Auswertung für
den Entwicklungsgang, den das Bauerntum und die Landwirtschaft
in beiden alten Territorien von der wendischen Zeit bis
zur Bodenreform nach 1946 genommen hat. Eine den wissenschaftlichen
Ansprüchen genügende Geschichte des Bauerntums
hier fehlte, darum kommt das gelungene Werk Magers einem
schmerzlich empfundenen Bedürfnis entgegen. Nicht das Gleiche
dürfte von der Geschichte der Landwirtschaft gelten, die schon
umfangmäßig mit der Sozial-, Rechts- und Zeitgeschichte nicht
mitkommt und die wegen ihrer — berechtigten — Parteinahme
für das Bauerntum die Wirtschaftsgeschichte der Großbetriebe
vernachlässigt. Das ganze Werk ist mit einer lebhaften, zum Teil
leidenschaftlichen Anteilnahme am geschichtlichen Schicksal des
Bauerntums geschrieben, so daß von selbst die Darstellung der
Leibeigenschaft einschließlich ihrer Vor- und Nachgeschichte zum
Höhepunkt wird. Nicht unerwähnt bleibe, daß volkskundliche
Themen wie Bauernhaus und Bauerntracht ihre gebührende Berücksichtigung
finden. Wer um die Ratlosigkeit von Pfarrern weiß,
welche die Geschichte ihres Kirchspiels erarbeiten möchten und
die Voraussetzungen des soziologischen und agrarischen Werdens
nicht kennen, begrüßt lebhaft das reichhaltige und solide gearbeitete
Buch.

Die Bedeutung der Kirche, die durch ihre reiche Landausstattung
von Anfang an am agrarischen Schicksal teilnimmt, tritt
allerdings nicht genügend deutlich hervor; einige Hinweise auf
das gute Leben unter dem Krummstab und Stimmen geistlicher
Kritik am trostlosen ländlichen Schulwesen sind ungefähr alles,
was gebracht wird. Hier war negativ wie positiv mehr zu bieten.
Auch die Stifter und Verwalter großer Kirchenländereien sind am
Elend des Bauernlegens beteiligt gewesen, wie umgekehrt nicht

wenige Pfarrer den Kampf um die Beseitigung der Leibeigenschaft
in vorderer Front mitgeführt haben.

Es wäre an der Zeit, das Material zu sammeln. Zwei Fälle findet
man in G. L. Kosegartens „Briefen eines Schiffbrüchigen" (im zweiten
Teil der Rhapsodien); dort die vielsagende Anklage wegen ausgebliebener
Antworten der Gutsherrschaften: „......während mir noch

nie ein König, ein Fürst, ein wahrhaft Großer und Edler unseres Volkes
eine Antwort schuldig blieb" (H. Franck, G. L. Kosegarten, 1887,
S. 189 f.). Uber patrimoniale Gerichtsbarkeit einiger Landpfarrer auf
Rügen bis 1806, vgl. meinen Aufsatz „Pastoratgerichte" in der
Wissenschaftlichen Zeitschrift der Universität Rostock, Sonderheft
1955/56 (Festschrift Schlesinger), S. 143 ff.; dort auch einiges Material
über Freikauf aus der Leibeigenschaft im Sagarder Pastorat.
Ebensowenig wie die durchlaufende Verbindung der Dorfpfarren mit
dem Schicksal des Bauerntums tritt der Anteil der Dorfpfarrer an der
Hebung der Landwirtsdiaft hervor, worüber ein reiches Material der
Bearbeitung harrt. Daß schon der S. 118 erwähnte Johannes Colerus
die letzte Zeit seines Lebens in Meddenburg verbracht hat, ist Mager
wohl entgangen. Verfehlt dürften die Ausführungen über die relativ
großen Eigenwirtschaften der Klöster sein (S. 59), die Mager mit dem
Mangel an bäuerlichen Zuwanderern erklären will. Für die weiten Gebiete
der Zisterzienserklöster trifft die Annahme nicht zu, weil die
Ordensregel die Eigenwirtschaft der Mönche auf den Grangien gebot,
weswegen gelegentlich der frühe Aufkauf ganzer Dörfer und ihre
Niederlegung geschehen konnten; darüber vgl. Werner Wittich, Der
religiöse Gehalt der Kolonisation des ostelbischen Deutschland, Jahrb.
f. Nationalökonomie und Statistik, 1936, S. 641 ff., — ein wichtiger
Beitrag, der Mager entgangen zu sein scheint. Was also auf Dobbertiner
Klostergebiet, einer Benediktinergründung, möglich war, trifft für Doberan
, Dargun, Neukloster, Eldena nicht zu.

Audi im profangeschichtlichen Bereich stellen sich gelegentlich Fragen
und Wünsche ein. Schon die Inanspruchnahme von Otto Vitense,
Geschichte von Mecklenburg, 1920, als Autorität für die Sozial- und
Agrarverfassung der Wendenzeit geht zu weit, — hier ist das oft
schwache Buch überfordert. In Werner Wittich und Heinrich Felix Schmid
(Ztschr. d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung
, 1924, 1926, 1927) hätten kenntnissreiche Gewährsmänner zur
Verfügung gestanden. Den Ausführungen über die Bedeutung des Römischen
Rechtes auf die Ausbildung der Leibeigenschaft (S. 161 ff.)
wünschte man stärkere Konturen; hier hätte Gustav Aubin, Der Einfluß
der Rezeption des römischen Rechts auf den deutschen Bauernstand
(Jahrb. f. Nationalökonomie u. Statistik, 1912, S. 721 ff.), gute
Dienste tun können. Daß F. Curschmann, Matrikelkarten von Vorpommern
1692/98, I.Teil 1948/50, nicht genutzt ist, dürfte ein Manko sein
(Vgl. Gertrud Schröder-Lembke, Entstehung und Verbreitung der
Mehrfelderwirtschaft in Norddeutschland, Ztschr. f. Agrargeschte II.
S. 123 ff.)1. Zweifeln möchten wir, ob die Frage der Restgermanen auf
ostdeutschem Boden nach der Völkerwanderung wirklidi „schon längst"
negativ entschieden ist (S. 17). Durch Erwin Wienecke, Untersuchungen
zur Religion der Westslaven, 1940, dürfte von der Religionsgeschidite
her die alte Sicherheit erschüttert sein, in jedem Fall für Rügen (Wienecke
S. 300 ff.).

Das sind — gesehen auf das Gesamtwerk — nur wenige kritische
Anstände, die den Dank an den Verfasser für sein reiches
Werk nicht mindern können, das den Weg vor allem in die
Dorfpfarrämter nehmen möchte. Es löst die längst vergriffenen
Werke der Böhlau, Fuchs (Carl Johannes), Maybaum (Heinz) u. a.
ab und faßt das Ergebnis einer nun schon viele Jahrzehnte umfassenden
großen Diskussion glücklich zusammen.

Endlich vermerken wir, daß dem Buch dadurch, daß es eine
leidenschaftliche Apologie des Bauerntums und der Kleinlandwirtschaft
ist, eine unmittelbare politische Gegenwartsbedeutung
zukommt. Was in Schlußkapiteln mit dem Schwergewicht des geographischen
Fachurteils über Aushagerung und Vergiftung der
Böden, über Raubbau an den Wasser- und Waldreserven und den
Mooren des Landes, über die schon begonnene Versteppung u. a.
ausgeführt wird, ist in hohem Grade alarmierend und sollte siebenmal
überprüft werden, bevor unter der Herrschaft des Traktors
zur genossenschaftlichen Großwirtschaft übergegangen wird.

') Ich werde soeben aufmerksam auf E. R u b o w, Die historische
Geographie in Greifswald und die Arbeiten am Schwedischen Matrikelwerk
(Wissenschaftl. Ztsdir. der Ernst Moritz Arndt-Universität Greifswald
, Jahrg. IV 1954/55, Mathematisch-naturwissenschaftliche Reihe
Nr. 6/7 S. 644), wo man liest: „Immer wieder hat Prof. Mager seine
Schüler auf die unschätzbare Quelle hingewiesen und ist dabei, sie für
eine größere Arbeit auszuwerten". Damit verliert das oben Gesagte an
Gewicht. Wir werden mit Spannung der neuen Arbeit Magers entgegensehen
.