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Ausgabe: | 1956 |
Spalte: | 238-239 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Hillerdal, Gunnar |
Titel/Untertitel: | Gehorsam gegen Gott und Menschen 1956 |
Rezensent: | Schott, Erdmann |
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«fern Liedern abgewinnen läßt, daß Luther wie kaum ein anderer
die unlösbare Verbindung der Passion mit allem, was sonst das
Neue Testament über Jesus Christus zu sagen hat, nicht aus den
Augen verliert. Der Gekreuzigte ist der Auferstandene, und der
Auferstandene ist der Gekreuzigte. Es ist kein Zufall, daß die
Jesuiten Luthers Lieder mehr als seine Schriften und Reden gefürchtet
haben, daß diese Lieder „in Häusern und Werkstätten,
auf Märkten, Gassen und Feldern gesungen wurden", und daß sich
deshalb die Gegner mühten, ihm hier den Rang abzulaufen,
wie es der hallesche Stiftspropst Michael Vehe mit seinem „New
Gesangbüchlein geystlicher Lieder" zuerst — freilich umsonst —
versucht hat. Immerhin: Luther hat die vorreformatorische Tradition
wohl verdrängt, aber nicht beendigt. Nach 50 Jahren haben
s'e die Katholiken wieder aufgenommen, nachdem sie Einzelgänger
im evangelischen Lager wie Caspar Löner, Enthusiasten
wie Münzer, Reußner, ein Freund Kaspar Schwenckfeldts, Triller,
aber auch die Böhmischen Brüder (Weiße, Herbert u. a.) mit ihrer
leidbetonenden Dichtung „in einer schmalen Unterströmung"
fortgesetzt hatten.
Je weiter der Leser dem Verfasser auf seinem Wege folgt,
umso deutlicher heben sich die verschiedenen Arten der Sicht des
Leidens Christi im Kirchenlied voneinander ab. Kein Wunder, daß
es im Blick auf den ganzen Lauf der Dinge nicht an Übergängen
fehlt, daß Ausnahmen die Regel bestätigen! Kein Zweifel, daß
den „Passionsgegenständen", nicht nur den Wunden, auch dem
Kreuz, den Marterwerkzeugen (Dornenkrone, Rohr, Essig, Galle,
Myrrhe, Speer, Holz), die mit Christi Leib in Berührung gekommen
sind, ja auch deren Bildern Heilkräfte zugeschrieben werden,
daß nicht nur im Mittelalter die Verehrung in Anbetung „ausartet
"! Um so notwendiger ist das Ringen um eine Klärung des
Gefälles, wie es sich B. von der ersten bis zur letzten Seite seines
Buches angelegen sein läßt. Er scheut keine Mühe, dem Lauf der
Dinge auf den Grund, den letzten Grund zu kommen. Er unterrichtet
, er übt den Leser in der Kunst des Vergleichs. Er lehrt ihn
Schritt für Schritt fragen: Wer sagt das? Wem gilt das? (Dem
Dichter selbst? Dem Einzelnen? Der Gemeinde? Dem Herrn?)
Was wird gesagt? Und — wie oft ist das noch wichtiger/ — was
wird nicht gesagt? Ich denke u. a. an die Fehlanzeigen im Blick
auf die „Reaktionen", vor allem an Lk. 23, 28, an das danach
dem Menschen verwehrte Mitleid, das er selbst im Blick auf das
Leiden Christi empfindet und in andern zu wecken sucht. Warum
ist es so und nicht anders? Warum ist es hier anders als dort?
B. führt uns nach einem Blick auf die „Ansätze" in zwei Welten:
die unio mystica, an deren Ende die Wundenschwärmerei, die
erotische Ausweitung des Sieben-Blutvergießungs-Typus, das
masochistische Wühlen in Christi Schmerzen steht, und allem Pathologischen
gegenüber die Verschmelzung von Reue und Freude,
die der Passion und der Auferstehung entspricht, der Blick für
die eigene persönliche Schuld und das Wunder der Versöhnung.
Schon die Inhaltsangabe (S. 4 f.) ist eine Hilfe für alle, die sehen,
einsehen möchten, was hier zu Buche kommt. Die Bibel gibt uns
das Maß, an dem sich alles, was zum Kirchenlied gehört, messen
lassen muß: Der Anteil der Romanen, der Deutschen, der Konfessionen
, des Naturalismus, der (sinnlichen) Mystik, der Stile.
Das letzte Kapitel ist ein Glanzstück der Arbeit, ein Muster vergleichender
Liederkunde.
Wie reich ist das Buch an guten Analysen! Wir können nur
dankbar sein, daß die Dichter selbst so reichlich zu Worte kommen
, nacheinander, miteinander, in einer Synopse, wie sie S. 70
bis 75 zu finden ist, daß immer wieder die Summe gezogen wird,
daß uns die großen Linien nicht aus dem Blick, daß auch die kleinen
und kleinsten Striche im Bilde zu ihrem Recht kommen, daß
die Akzente ihre Stellen finden, daß die horizontale und die vertikale
Sicht sich ergänzen, daß der Anteil der Väter und der Brüder
, auch der feindlichen Brüder in diesem Bilde sichtbar wird. -
1A breche ab und frage nur noch, ob sich der Leser in dem großen
Garten, durch den uns B. führt, nicht leichter zurechtfände,
wenn ihm ein Register, eine Auswahl der Namen und Sachen,
die hier vorkommen, helfen würde, und ob dieses anregende
Buch die Leser, auf die es Anspruch hat, nicht eher erreichte, wenn
es nicht nur als „Dissertation" zu haben wäre.
Halle/Saale Paul Qabfiel
Das K 1 u g - sehe Gesangbuch 1 533. Nach dem einzigen erhaltenen
Exemplar der Lutherhalle zu Wittenberg ergänzt und hrsg. v. Konrad
Ameln. Kassel: Bärenreiter-Verlag 1954. 36 S. u. 180 Doppelseiten
16°. DM 15.—.
Fünf Umstände rechtfertigen diesen für die hymnologische
Forschung bedeutsamen Nachdruck: daß die Ausgabe 1 5 33 —
2. Auflage des bis heute verschollenen Klugschen Gesangbuches
von 1529 — erst 1932 wieder ans Licht getreten ist, daß es sich
bei dem Exemplar der Lutherhalle um ein Unikum handelt, daß
die Ausgabe die älteste und zuverlässigste Quelle für zahlreiche
Lieder der Reformation ist, daß offenbar Luther persönlich die
Auswahl der Lieder getroffen hat, und daß es sich um das früheste
illustrierte Gesangbuch handelt, das wir kennen. Konrad Ameln,
der zwei fehlende Blätter an Hand der 3. Auflage von 1535
ergänzt hat, steuert ein instruktives Geleitwort bei, in dem auch
die durch den Fund neu gestellten hymnologischen Aufgaben angedeutet
werden.
Berlin _ Oskar Söhngen
Bucholz, Friedrich: Gedanken zur Aufgabe der Liturgie anläßlich
des Agendenentwurfs für die Evangelische Kirche der Union.
Monatschrift für Pastoraltheologie 44, 1955 S. 495—507.
Capelle, B.: L'evolution du Qui pridie de la messe romaine.
Recherches de Theologie ancienne et medievale 22, 1955 S. 5—16.
Dürig, Walter: Liturgiegeschichtliche Erkenntnisse aus wenig beachteten
Zeitschriftenaufsätzen. Ein Forschungsbericht aus Anlaß des
goldenen Professjubiläums von P. DDr. Alban D o 1 d, Beuron.
Theologische Revue 50, 1954 Sp. 41—50.
Harbsmeier, Götz: Gottesdienst und Geschichte.
Theologische Rundschau 23, 1955 S. 68—91.
Renwart, L.: A propos de la simplification des rubriques.
Nouvelle Revue Theologique 87, 1955 S. 1086—1093.
S ö h n g e n, Oskar: Wiedergewonnene Mitte? Die Rolle der Kirchenmusik
in der modernen Musik.
Verlag Carl Merseburger, Berlin und Darmstadt.
SYSTEMATISCHE THEOLOGIE
Hillerda 1, Gunnar: Gehorsam gegen Gott und Menschen. Luthers
Lehre von der Obrigkeit und die moderne evangelische Staatsethik.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1955. 320 S. gr. 8°. DM 18.— ;
Lw. DM 21.-.
H. setzt sich ein doppeltes Ziel. Er will einerseits eine Übersicht
über die wichtigsten Fragen und Probleme der theologischen
Staatsethik geben, die in den letzten beiden Jahrzehnten Gegenstand
lebhafter Diskussion waren und gegenwärtig noch sind,
und . . . beabsichtigt andererseits einen eigenen Beitrag zu liefern,
indem . .. (er) die einzelnen Fragestellungen und vorgelegten
Lösungsversuche einer kritischen Prüfung unterzieht. In besonderer
Weise gilt die Überprüfung dem neuen Versuch einer christo-
logischen Begründung der Staatsethik. . ."(11). H. geht dabei so
vor, daß er zunächst Luthers Lehre vom weltlichen Regiment,
weiterhin einerseits die Regimentslehre der Lutheraner W. Eiert,
P. Althaus und Fr. Gogarten und andererseits die christologische
Staatsethik der reformierten Denker K. Barth, A. de Quervain
und J. EUul darstellt. Sodann unternimmt H. eine kritische Prüfung
der Exegese der entscheidenden Schriftstellen, auf die sich
die beiden gegensätzlichen Gruppen berufen. Ergebnis: die
christologische Begründung von Recht und Staat kann durch die
Einzelexegese nicht gestützt werden. Die Texte werden von den
Vertretern der christologischen Staatsethik mehr oder weniger
gewaltsam umgedeutet. „Mit dieser Feststellung soll jedoch nicht
die christologische Begründung der Ethik abgewiesen werden"
(227). Es muß vielmehr jetzt noch die Christologie und das Gesamtschriftverständnis
untersucht werden, das für die beiden
Theologengruppen entscheidend ist und ihre Einzelexegese prä-
judiziert. Auch hierbei kommt H. zur Ablehnung der christologischen
Staatsethik, weil mit ihren Grundvoraussetzungen die
Blickrichtung der biblischen Texte nicht zusammenstimmt.
Schließlich skizziert H. seine eigene Auffassung der Prinzipien
einer evangelischen Staatsethik unter dem leitenden Gesichtspunkt
: Gesetz und Evangelium. Allerdings rückt er von Eiert,
Althaus und Gogarten ab, weil diese im Unterschied zu Luther