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Ausgabe:

1956 Nr. 4

Spalte:

235-236

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Smend, Friedrich

Titel/Untertitel:

Goethes Verhältnis zu Bach 1956

Rezensent:

Blankenburg, Walter

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235

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 4

236

Niemeier, Gottfried: Die Darstellung und Deutung von Welt und
Mens* in der modernen Bildnerei als Frage an die Kirche.
Monatschrift für Pastoraltheologie 44, 1955 S. 434—441.

O nasch, Konrad: Die Ikone der Gottesmutter von Vladimir in der
Staatlichen Tret'jakov-Galerie zu Moskau.

Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-
Wittenberg. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 5, 1955
S. 51—61.

[P a r a m e n t i k] Grundfragen evangelischer Paramentik. Vorträge,
gehalten während des Paramententages im Kloster St. Marienberg
25.-27. 6. 54. Hrsg. v. d. Marienberger Vereinigung f. evang. Paramentik
. Kassel: Stauda 195 5. 71 S., 1 Taf. 8°. DM3.80.

P a v a n, M.: Su una presunta comunitä cristiana ad Emona intomo
al 100 d. C.

Rivista di Archeologia Cristiana XXXI, 1955 S. 102—104.

Stassinopoulo, E.: Scoperte archeologiche in Grecia.
Rivista di Archeologia Cristiana XXXI, 1955 S. 101 — 102.

S y d o w, J.: Untersuchungen über die frühen Kirchenbauten in Regensburg
.

Rivista di Archeologia Cristiana XXXI, 1955 S. 75-96.
Wessel, Klaus: Neue Funde und Untersuchungen zum Frühchristlichen
Kirchenbau in Deutschland.

Wissenschaftliche Zeitschrift der Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Greifswald. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 4,
1954/55 S. 345—365.

KIRCHENMUSIK

S m e n d, Friedrich: Goethes Verhältnis zu Bach. Berlin u. Darmstadt:
Merseburger [1955]. 46 S. gr. 8°. DM3.80.

In der vorliegenden Schrift ist es erstmals unternommen,
dem Entstehungszusammenhang von dem oft zitierten und gedeuteten
Goethewort über Bach nachzugehen („Ich sprach mir's
aus: als wenn die ewige Harmonie sidi mit sich selbst unterhielte
, wie sich's etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung
, möchte zugetragen haben. So bewegte sich's auch in meinem
Innern, und es war mir, als wenn ich weder Ohren, am wenigsten
Augen, und weiter keine übrigen Sinne besäße noch
brauchte"). Das Ergebnis ist überraschend: Goethe kommt zu
seinem Wort nicht auf Grund unmittelbarer musikalischer Eindrücke
von Bachs Musik, sondern durch briefliche Belehrung von
Seiten Zelters. Seine Berührung mit Bachscher Musik ist (im Unterschied
zu der mit Mozart) immer nur sehr spärlich gewesen
und hat nach 1820 fast völlig aufgehört. Gerade aber aus dieser
Zeit, nämlich aus dem Jahre 1827, stammt das berühmte Wort
über Bach. In der Klarlegung von dessen geschichtlichen Zusammenhängen
sowie überhaupt von Goethes Beschäftigung mit
Bachs Musik liegt das besondere Verdienst des Verfassers, denn
allen diesen Dingen ist mit solcher Gründlichkeit bisher nirgends
nachgegangen worden. Eine andere Frage ist, ob Smends Interpretation
dieses Goethewortes, das er ganz und gar vom romantischen
Musikverständnis her begreift, da es lediglich Zelters Anschauungen
dichterisch in Worte fasse und also am Wesen von
Bachs Kunst vorübergehe, wirklich richtig ist. Wiewohl es gewiß
zutrifft, daß Bachs Musik sehr wenig in Goethes Lebensbereich gelegen
hat, so sagt jenes zitierte Wort u. E. dennoch deutlich und
ausdrücklich, daß der Dichter mit ihm eigene, wenn auch sicherlich
weiter zurückliegende Eindrücke und Erfahrungen wiedergibt und
nicht lediglich die Zelters. Ist ein solcher Ursprung dieses doch auf
alle Fälle höchst geistvollen Wortes, wie ihn Smend annimmt,
an sich schon unwahrscheinlich, so fragt man sich zudem, warum
hier nicht Goethes Erinnerung an das Wohltemperierte Klavier,
aus dem dem Dichter der Berkaer Bademeister Schütz in den Jahren
vor 1820 zuweilen vorspielte, mitbestimmend gewesen sein
soll. Um ganz sicher in der Interpretation dieses Wortes zu gehen,
müßte vor allem noch geklärt werden, ob Goethe mit ihm bewußt
und nachweislich an ein Wort aus Hegels „Vorlesung über die
Philosophie der Weltgeschichte" anknüpft oder ob es sich hier nur
um eine zufällig verwandte Formulierung handelt. Auf diesen
Zusammenhang hat H. G. Gadamer in seinem Vortrag „Bach und
Weimar" (Weimar 1946 S. 13 ff.) hingewiesen. Das ist Smend
durchaus bekannt, aber er mißt dieser Feststellung keine Bedeutung
bei. Daß Hegel mit Bachs Musik wenig anzufangen wußte,
wie Smend vermerkt, ist doch wohl keinesfalls ein Beweis dafür,

daß Goethe nicht in Hegels „reinen Genauigkeit der ideellen Strukturen
" ein Analogon zu Bachs Musik sehen konnte. Und ist nicht
Goethe in seiner Gesamterscheinung in vielem Hegel verwandter
als der Musiker und Komponist Zelter, so daß er im Unterschied
zu diesem in Bachs Werk etwas von den kosmischen Ordnungskräften
in der Weltschöpfung ahnen konnte, wofür Zelter schwerlich
in diesem Maße ein Organ hatte? Nicht nur Musikwissenschaftler
, sondern auch Theologen haben sich doch wohl nicht so
sehr zu Unrecht, wie es Smend erscheint, immer wiedeT mit diesem
Goethewort befaßt (man denke an K. Barth, A. Köberle und jüngst
A. D. Müller in seiner Predigt beim Leipziger Bachfest 1955,
vgl. „Musik und Kirche", 25. Jhg., 1955, S. 225 ff.). Nach wie
vor möchte Friedrich Smend, unbestritten einer der besten Bachkenner
der Gegenwart, Bach lediglich vom Luthertum her begreifen
. Doch wir kommen nicht darum herum, uns von Bachs
Werk her das Problem der natürlichen Theologie in der Kunst
stellen zu lassen. Alles in allem: So wertvoll Smends Untersuchungen
über die historischen Zusammenhänge von Goethes Beschäftigung
mit Bach und überhaupt über das Verhältnis des Dichters
zu dessen Musik sind, über die Richtigkeit der Interpretation
des zur Frage stehenden Zitates ist sicher noch nicht das
letzte Wort gesprochen.

Schlüchtern Walter Blankenburg

Bub, Douglas Frederick: Das Leiden Christi als Motiv im deutschen
Kirchenliede der Reformation und des Frühbarock. Inauguraldissertation
d. Philos. Fakultät I der Universität Bern. Bern 18: R. H.
B. Berthoud 1951. 159 S. gr. 8°.

Unter diesem Titel hat der Verfasser, der fast zwei Jahre
Lektor für deutsche Sprache an der Temple University in Philadelphia
war, im Jahre 1950 der Philosophischen Fakultät I der
Universität Bern eine Dissertation vorgelegt. Sein Lehrer Fritz
Strich-Bern, unter dessen Augen die Arbeit gewachsen ist, hat ihn
zu den Fragen geführt, um die es in diesem Buche geht. In 5 Kapiteln
beschreibt er nach einem Vorwort die Behandlung der Passion
in der Bibel, die Entwicklung des Passionsliedes zwischen
Bibel und Reformation, die deutsche Passionsdichtung im Zeichen
Luthers, spätreformatorische und frühbarocke Passionsdichtung (das
katholische Kirchenlied, das lutherische Kirchenlied, die Beziehungen
zwischen der lutherischen und der katholischen Passionsdichtung
, die Behandlung der seelischen Leiden), stilistische Unterschiede
zwischen reformatorischer und frühbarocker Passions-
Behandlung. In einem Nachwort sind die Ergebnisse der Untersuchung
zusammengefaßt. Ein Lieder-Verzeichnis mit 284 Nummern
, eine Bibliographie, 66 Anmerkungen und ein Lebenslauf
des Verfassers sind hinzugefügt.

Nach einem Blick auf das, was dem Neuen und dem Alten
Testament (u.a. Ps. 22, Jes. 53, Sach. 12,10) über das Leiden
Christi, seinen Sinn zu entnehmen ist, folgt ein Vorspiel, in dem
die biblischen Hymnen, die lateinischen Passionslieder vom 4. bis
zum 12. Jahrhundert, deutsche Passionslieder vom 9. bis zum
12. Jahrhundert, das 13. Jh. mit dem deutschen Naturalismus und
der romanischen Mystik (Arnulf von Löwen!) und endlich die
deutschen Passionslieder zwischen 1300 und 1520 vernehmlich
werden. Augenfällig ist „das überwiegende Interesse der mittelalterlichen
Passionsdichtung für die physischen Leiden" (Mißhandlung
, Angreifen, Stoßen, Binden, Geißelung, Schläge, Niederwerfen
, die Wunden, das Blut, die grausamen Werkzeuge),
die „den Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit bilden", in
deren Darstellung die zeitlichen und konfessionellen Unterschiede
am klarsten zutage treten. Die Folge ist, daß die seelischen
Leiden (Todesangst, Verlassenheit, Erniedrigung, Kränkung,
Verspottung, Mitleid mit seinen Übeltätern, mit seiner Mutter,
seine Verzweiflung) bis zum 13. Jh. kaum vorkommen und danach
bis zur Reformation in weniger als der Hälfte der Passionslieder
eine Rolle spielen.

Mit alledem ist der Leser an das Thema der Arbeit herangeführt
: Das Leiden Christi als Motiv im deutschen Kirchenliede
der Reformation und des Frühbarock. Noch ganz anders als Gregor
d. Gr. im 6. Jh. greift Luther mit seinen Liedern auf die Bibel
zurück. Es ist deshalb kein Zufall, daß sich das, was Luther
auch in seinen Liedern vom Gekreuzigten zu sagen hat, nicht
nur den beiden eigentlichen Passionsliedern, sondern noch 19 an-