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1956

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

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Neuerscheinungen

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Theologisdie Literaturzeitung 1956 Nr. 4

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schied: der Nodus ist aus Gold, der Fuß aus vergoldetem Silber. Dann
wendet sich Verf. dem Deckel zu, einer ursprünglich ganz schmucklosen
goldenen Halbkugel mit ausladendem Rand. Ein dreibogigcs Guckloch
erlaubte, die in der Schale geborgene Reliquie zu sehen, der zu Ehren
das weltliche Prunkgefäß zu einem Reliquiar umgearbeitet wurde durch
Zufügung des neuen Fußes, des Nodus und des Deckels. Auf diesem
Deckel liegt nun ein aus acht Platten bestehender Kronreif, im Wechsel
mit Lilien und Kreuzen (von diesen sind zwei arg verstümmelt) überhöht
; außerdem sind die Bügel einer Krone auf den Deckel montiert.
Wie stets, geht auch hier eine überaus genaue Untersuchung der Technik
und des Schmuckes der Goldschmiedearbeiten an Reif und Bügeln
voraus. Die Ergebnisse sind überraschend und werfen neues Licht auf
die Frage nach der Bedeutung der Krone. Es ist nämlich bislang umstritten
, ob es sich bei ihr um die Weihgabe einer wirklich benutzten
Krone oder um die Neuanfertigung eines kronenähnlichen Schmuckes
für das Reliquiar handele. Zunächst weist Verf. nach, daß Kronreif und
Kronbügel nicht von einer Krone stammen können, denn sie unterscheiden
sich durch kleine, aber wesentliche technische und ornamentale
Züge (z. B. die Verwendung von Filigranarkaturen ist bei beiden ganz
unterschiedlich!); außerdem sind am Reif keinerlei Spuren einer ehemaligen
Verbindung mit den Bügeln festzustellen. Weiter macht Verf.
mindestens sehr wahrscheinlich — ein exakter Nachweis wird sich kaum
je führen lassen 1 —, daß die Beschädigungen des Kronreifes schon vor
seiner Montierung auf das Reliquiar entstanden; Beweismittel sind ihm
die alten Verstärkungen der Lilien und Kreuze und deren technischer
Befund. Außerdem sind die heute auffallenden großen Steine nachträglich
über die teilweise erhaltenen Fassungen älterer kleinerer Steine
gesetzt. Ihre Fassungen aber passen durchaus noch in die Zeit der Umgestaltung
des weltlichen Prunkgefäßes in ein Reliquiar. Weiter sind
die Kronbügel recht ungeschickt auf den Deckel montiert, so daß das
Guckloch genau in seiner Mitte überschnitten wird. Das läßt nicht gerade
an eine Arbeit ad hoc denken, die dann doch reichlich unsorgfältig
und nicht der Würde des Stückes angemessen durchgeführt worden
wäre. Diese und noch viele andere, hier nicht aufzuführende Gründe veranlassen
den Verf., sich der These Olle Källströms anzuschließen, die
Krone sei eine Weihgabe, d. h. sie sei vor ihrer Aufbringung auf das
Reliquiar wirklich als Herrschaftszeichen benutzt worden. Es wird sehr
schwer für die Gegner dieser — dem Rez. durchaus einleuchtenden —
These sein, die Begründung des Verfs. zu widerlegen I Was die zeitliche
Ansetzung von Kronreif und Kronbügel anlangt, so weist Verf. sie der
ersten Hälfte des 13. Jhdts. zu, auch hier wieder durchaus überzeugend.
Er hält den Kronreif für eine Arbeit, auf Bestellung Friedrichs II. entstanden
, was auch einige technische Absonderlichkeiten erklären würde,
so die rötliche Tingierung des Goldes, eine sarazenische Gewohnheit,
und die Verwendung eines Intaglios mit kufischer Inschrift. Die Bügel
würden dann zu einer gleichzeitigen Frauenkrone gleicher Herkunft gehören
. Eine kurze Auseinandersetzung mit Josef Decr wird noch eingeschoben
, der die Stockholmer Krone als ein Exemplar der offiziellen
Form der deutschen Kaiserkrone nannte (Die abendländische Kaiserkrone
des Mittelalters, 1949), wobei er Reif und Bügel als zusammengehörig
ansah. Diese These wird durch Verfs. Ergebnisse fraglich. Ort der Umgestaltung
des Prunkgefäßes zum Reliquiar dürfte nach Verfs. Annahme
Westdeutschland gewesen sein: „Am Rhein und an der Maas entstanden
die großen, prunkvollen Reliquienschreine, deren Kunstart Fuß und
Deckelschmuck des Stockholmer Reliquiars nahestehen" (S. 100).

Auch in diesem 2. Teil sind Gedankengang und Beweisführung
in nahezu jeder Hinsicht befriedigend und überzeugend.
Auch hier fällt so manche Frucht nebenbei ab, so z. B. die Äußerungen
zum Deckel des Goslarer Evangeliares, die sich durch die
ganze Untersuchung des Fußes des Stockholmer Evangeliares hinziehen
. Nur an ganz wenigen Punkten wird man hier kleine, unbedeutende
Korrekturen anbringen dürfen.

So scheint es mir fraglich, ob man für die Deesis der byzantinischen
Ikonographie den stehenden Christus mit solcher Sicherheit behaupten
kann, wie Verf. dies tut (S. 62); die Deesis ist Mittelteil der Weltgerichtsdarstellung
, und gerade dort sitzt m. E. Christus meist; man
vgL z. B. die Weltgerichtsdarstellung in Torcello und, als isolierte
Deesis, das Triptychon von Harbaville im Louvre, wobei das Mosaik
den thronenden Christus in der Mandorla, auf Regenbogen sitzend,
zeigt, das Elfenbeinwerk dagegen einen Thron als Sitz Christi und den
Weltenrichter in einem ähnlichen Gestus wie der Stockholmer Reliquiar-
Fuß. Außerdem ist in der westeuropäischen Kunst dieses Motiv des in
der Mandorla thronenden Christus weit älter und durch ältere Beispiele
zu belegen, als Verf. (S. 62) dies tut: es kommt z.B. schon auf dem
Pemmo-Altar in San Martino zu Cividale (langobardisch) und auf einem
Flügel des Tuotilo-Diptychons in St. Gallen (um 900) vor, weitere Beispiele
aus karolingischer Zeit ließen sich in reicher Zahl anführen. Weiter
gehen die Darstellungen Christi, der auf Löwen und Basilisken tritt,
auf dem Buchdeckel aus Genoels-EIderen und dem Lorscher Stück im
Museo Cristiano des Vatikan auf spätantike Vorbilder in Ravenna
(Baptisterium der Orthodoxen und Erzbischöfliche Kapelle) zurück und
darüber hinaus in die spätrömische Kaisersymbolik in der Münzglyptik.

Sie beziehen sich auf Ps. 91, 13 und haben nichts zu tun mit dem Stehen
des Johannes auf einem König (so Verf. S. 63). Dieses ikonogra-
phische Problem bedürfte der neuen Durcharbeitung. Freilich, diese nicht
ganz einwandfreien Aussagen sind für die Beweisführung nur am Rande
erwähnt, sie können in ihrer Widerlegung oder Anzweifelung die Ergebnisse
nicht beeinträchtigen. Nur der Exaktheit halber wurden sie
erwähnt.

Der dritte Teil schließlich ist eher ein Nachtrag, wenn auch
mit recht gewichtigem und wichtigem Inhalt. Er behandelt die geschnittenen
Steine am Reliquiar, zunächst und am ausführlichsten
den Intaglio mit dem Wagen. Dieser Abschnitt wächst sich beinahe
zu einer knappen Geschichte der spätantiken und frühmittelalterlichen
Gemmenschnitzerei aus, voller wichtiger und richtiger
Hinweise und Erkenntnisse. Auch hier können die Ergebnisse
nicht aufgezählt werden; der Intaglio am Reliquiar wird mit überzeugenden
Gründen und Beweisen in die späte Antike gesetzt
und mit einem Stockholmer spätrömischen Sarkophagrelief in Verbindung
gebracht, das das gleiche Thema verbildlicht. Eine ganze
Gruppe von Gemmen findet damit ihre ansprechende zeitliche
Ansetzung. Ein Fragezeichen möchte ich hier nur hinsichtlich der
Berliner Anbetung setzen, die Verf. (S. 117) für östlich hält. Das
überzeugt mich keinesfalls. Die anderen Steine werden nur sehr
summarisch, im Anschluß an Hans Wentzel, beschrieben und eingeordnet
. Der Intaglio mit dem jugendlichen Kopf mit den leeren
Augenhöhlen wird nicht ganz befriedigend erklärt, man wird da
aber kaum mehr mit Sicherheit aussagen können.

Die Untersuchung ist durch einen gesonderten Tafelteil mit
z.T. ganz hervorragenden Detailaufnahmen bereichert, auf denen
man auch ohne Autopsie des Originales die Arbeit des Verfs. stets
gut verfolgen und beurteilen kann. Weitere, recht gut wiedergegebene
Abbildungen sind in den Textteil eingefügt und bringen
stilistische bzw. ikonographische Parallelen zum Reliquiar. Die
Ausstattung des Bandes ist damit ganz ausgezeichnet. Dem Verlag
gebührt dafür ein besonderes Lob.

Zusammenfassend und abschließend wird man sagen dürfen,
daß der Verf. eine Arbeit vorgelegt hat, die in vieler Hinsicht
vorbildlich ist. In erser Linie muß hier noch einmal die hervorragende
Genauigkeit hervorgehoben werden, die sich nicht scheut,
auch den kleinsten und auf den ersten Blick unwichtig scheinenden
Fragen nachzugehen. Man kann, wenn auch die behandelten Fragen
einen sonst kaum berühren sollten, doch das eine aus dem
Werk lernen: wie man mit letzter Hingabe und erst wirklich zu
tragfähigen Ergebnissen führender Kleinarbeit, gepaart mit umfassenden
Kenntnissen, wissenschaftlich arbeiten muß. Und das
wird keinesfalls lehrhaft vorgetragen, sondern in schlichter, selbstverständlicher
Bescheidenheit. Das ist das Wohltuende an der Arbeit
. Aber der kunstwissenschaftliche Wert liegt ja nun nicht in
dieser mehr allgemeinen Vorbildlichkeit. Ihn wird man darin erblicken
dürfen, daß ein Werk ottonischer Goldschmiedekunst
wieder aus späterer Umhüllung herausgearbeitet und des weiteren
eine große Leistung der spätstaufischen Goldschmiedekunst geklärt
worden ist. Hierin hat uns der Verf. so weitgehende Aufschlüsse
erarbeitet, als bei dem heutigen Stande der Materialkenntnis
und der kunstgeschichtlichen Forschung überhaupt nur möglich
ist. In dieser Hinsicht wird das Werk für lange Zeit seine Gültigkeit
behalten. Wir können nur hoffen, daß die im Vorwort angekündigte
Arbeit von Olle Källström über die Krone recht bald
folgen möge (gewisse Andeutungen Weixlgärtners im Vorwort
lassen da freilich Befürchtungen aufkommen!) und daß sie vom
Symbolgeschichtlichen her die kunstgeschichtliche Leistung, die
vor uns liegt, noch bereichere.

Berlin _ Klaus Wessel

Agnello, Santi Luigi: Recenti esplorazioni nelle catacombe siracu-
sane di S. Lucia.

Rivista di Archeologia Cristiana XXXI, 1955 S. 7—50.

Crous, Ernst: Rembrandt und die Doopsgezinden.
Mennonitische Geschichtsblätter 12, 1954 S. 2—6.

Josi, E. — Krautheime r, R.: Aggiunte alla relazione „Le esplorazioni
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Rivista di Archeologia Cristiana XXXI, 19 55 S. 51—53.

Jursch, Hanna: Das Weihnachtsbild, seine Entstehung und seine
Entwicklung bis zur Renaissance.

Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 4, 1954/55 S. 59—72.