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Ausgabe:

1956 Nr. 4

Spalte:

221-223

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Grotz, Joseph

Titel/Untertitel:

Die Entwicklung des Bußstufenwesens in der vornicänischen Kirche 1956

Rezensent:

Lorenz, Rudolf

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221

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 4

222

f «erster, Werner: Lukas 22, 31 f.

Zeitschrift für die Neutestamentlidie Wissenschaft 46, 1955 S. 129
bis 133.

Geyser, A. S.: The youth of John the Baptist. A deduction from
the break in the parallel account of the Lucan infancy Störy.
Novum Testamentum I, 1956 S. 70—75.

G r o s s o u w, W.: Three Books on the Fourth Gospel.
Novum Testamentum I, 1956 S. 35—46.

Harrisville, R. A.: The Concept of Newness in the New Testament
.

Journal of Biblical Literature LXX1V, 1955 S. 69—79.
Jeremias, Joachim: Die Tagung der Studiorum Novi Testamenti
Societas 1955 in Bangor (North Wales).

Zeitschrift für die Neutestamenliche Wissenschaft 46, 1955 S. 142
bis 144.

Katz, Peter: 'Ev nvoi q>Xoyö;.

Zeitschrift für die Neutestamentlidie Wissenschaft 46, 1955 S. 133
bis 138.

K i 1 p a t r i c k, G. D.: Codex Becae and Mill.

The Journal of Theological Studies VI, 1955 S. 235—23S.

Kossen, H. B.: Quelques remarques sur l'ordre des paraboles dans
Luc 15 et sur la strueture de Matthieu 18, 8—14.
Novum Testamentum I, 1956 S. 75—80.

Marquardt, Generosus: Die Stellung der Frau in den Evangelien.
Bibel und Kirche 11, 1956 S. 2—10.

Marxsen, Willi: Redaktionsgeschichtliche Erklärung der sogenannten
Parabeltheorie des Markus.

Zeitschrift für Theologie und Kirche 52, 1955 S. 2 55—271.
Metzger, Wolfgang: Die Leitung der Kirche durch den Auferstandenen
. Zur Frage nach dem kerygmatischen Gehalt von Johannes 21.
Für Arbeit und Besinnung 9, 1955 S. 359—387.

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Grotz, Joseph, S. J.: Die Entwicklung des Bußstufenwesens in der
vomica'nischcn Kirche. Freiburg: Herder 1955. XXI, 490 S. gr. 8°.
DM 29.40.

Die Forschung über das altkirchliche Bußinstitut beschränkte
bisher die Annahme von Bußstufen im allgemeinen auf die kappa-
dozische Kirche nach dem Nicänum, für welche die Stufen der
Weinenden (^Qnay.kaiovTe?), der Hörenden (äxQoebjuevot), der
Liegenden oder Niederfallenden ( vttottitttovteg} und der Mitstehenden
(avardvtes) ausdrücklich überliefert sind. Für die Zeit
vorher fand man Bußstufen ebenfalls nur in Kleinasien etwa durch
Gregor den Wundertäter oder das Konzil von Ankyra (314) bezeugt
. Die von manchen älteren Forschern vertretene Annahme
von Bußstationen auch in der abendländischen Kirche schien nach
den Untersuchungen von H. Koch, E. Schwartz und F. X. Funk
erledigt zu sein.

Grotz stellt sich die Aufgabe, die These von der lokalen
Begrenztheit des Bußstufenwesens auf Kleinasien zu durchbrechen
und die Existenz und Entwicklung von Bußstationen in der vor-
nieänischen Gesamtkirche nachzuweisen. Seine Darstellung geht
von der Bußlehre des Pastor Hermae aus (S. 13-70), bespricht
dann Cyprian (S. 73-171) und Origenes (S. 175-315) als Vertreter
der Bußauffassung des vornieänischen Westens und Ostens,
um in einem vierten Teil (Buße und Exkommunikation zwischen
Hermas und Origenes, S. 319—396) die natürlich auch vorher
schon angedeuteten historischen Verbindungslinien zu ziehen.
Der fünfte Teil (Das Zeitalter der Entwicklung des Bußstufen-
systems S. 399-436) behandelt Gregor den Wundertäter, Petrus
v- Alexandrien, die Konzilien von Elvira (mit einem Exkurs über
das Datum dieses Konzils S. 426 f.; 447), Ankyra, Neocäsarea
und Nicäa hinsichtlich ihrer Aussagen über das Bußinstitut.

Der Verfasser bahnt sich den Weg zur Lösung seiner Aufgabe
, indem er für die Frühzeit der christlichen Buße eine Trennung
zwischen Kirchenbuße und Exkommunikation annimmt.
Während Poschmann (Paenitentia secunda S. 95, 481 u. ö.) mit
vielen anderen in schweren Sündenfällen die Exkommunikation
als Bestandteil des kirchlichen Bußverfahrens ansieht (Binden und
Lösen), kommt Grotz bei seiner Auslegung des Hermas zu dem
Ergebnis, daß im Bußwesen nicht die Exkommunikation das Erste
war, sondern die exkommunikationslose kirchliche Buße. Die Exkommunikation
schließt von der kirchlichen Buße aus. Sie trifft
die Abtrünnigen und Verstockten. Neben der Exkommunikation
der Apostaten findet sich bei Hermas eine „vorläufige Exkommunikation
" bei Sündern, welche die ihnen vorgeschriebene Buße
nicht üben und sich dadurch von der Teilnahme an den Gottesdiensten
der Gemeinde ausschließen. Diese „vorläufige Exkommunikation
" kann offiziellen Charakter bekommen und
wird dann zum ersten Schritt auf dem Wege der Entwicklung zu
einer Buß-Vorstufe (S. 69).

Auf dem Verhältnis von Exkommunikation und Kirchenbuße
baut sich nun die Konstruktion der Bußstufenentwicklung
durch den Verfasser auf. Dabei nimmt Tertullian eine Schlüsselstellung
ein. Der montanistische Tertullian kennt zwei Formen
der Buße, die einander ausschließen: die gnadenlose Exkommunikation
für die „unheilbaren Sünden", die nur Gott vergeben
kann, und die kirchliche Buße ohne Exkommunikation für die
medioeria peccata. Hier ist in gewisser Weise die Exkommunikation
positiv als lebenslängliche Form der Buße gesehen. Aber
ein Übergang von der Exkommunikation zur Kirchenbuße ist
unmöglich (S. 369, 399).

Der Rigorismus des Montanismus, der auf manche katholischen
Kreise Eindruck machte, bewirkte, daß man auch in der
Großkirche die Exkommunikation positiv zu werten begann. Jedoch
man setzt sie in Beziehung zur Kirchenbuße, zunächst als
Vorbereitungszeit für die Sünder und als Vorbuße für schwere
Verfehlungen (S. 399). Diese Entwicklung spiegelt sich bei Cyprian
. Bei schweren Sünden wird die Exkommunikation zur Regel
(S. 97). Die Bußzeit der Exkommunizierten, die paenitentia
satisfactionis, wird der eigentlichen Kirchenbuße, der Exomolo-
gese, vorgebaut und mit ihr zur paenitentia plena verbunden
(S. 91). Die Exomologese Cyprians ist identisch mit der späteren
Stufe der Niederfallenden, seine Satisfaktionsbuße, welche aus
der „vorläufigen Exkommunikation" bei Hermas entstanden sein
muß, ist im Begriff, zur Stufe der Hörenden zu werden.

Der römische Bischof Kallist, den Poschmann (Paen. sec.
S. 361) gänzlich aus der Geschichte der Buße streichen möchte,
erscheint bei Grotz in einer im Vergleich mit der Auffassung
Harnacks (DG I S. 442 f.) umgekehrten geschichtlichen Rolle:
nicht als Vertreter fortschrittlicher Milde, sondern als Bewahrer
der althergebrachten milderen Bußart ohne Exkommunikation
gegenüber den durch Hippolyt vertretenen rigoristischen Strömungen
, welche im Falle schwerer Sünden die Vorschaltung der
Exkommunikation als Bußform vor die eigentliche Kirchenbuße
fordern (S. 442). Hippolyt steht auf der Seite der Zukunft
(S. 396).

Für Origenes sucht der Verfasser ein ähnliches Bußschema,
wie er es für Cyprian entwickelt hat, nachzuweisen. Gewisse
„unheilbare Sünden" brauchen die persönliche Entsühnung, die
im Stande der Exkommunikation geleistet werden muß, ehe sie
durch die Kirchenbuße nachgelassen werden können (S. 308).
Auch hier geht die Entwicklung bei der Exkommunikation auf
die Stufe der Hörenden zu, bei der eigentlichen Kirchenbuße auf
die Stufe der Niederfallenden. Freilich bezeichnet Grotz die Beweise
für die kirchliche Buße ohne Exkommunikation in Alexandrien
zur Zeit des Origenes als indirekt (S. 287), die positiven
Andeutungen, die er S. 287—292 dafür aus Origenestexten zu
gewinnen sucht, erweisen sich als ziemlich mager.

Die volle Ausbildung des Bußstufensystems, wie es bei den
Kappadoziern vorliegt, geschieht durch Spaltung dieser beiden
Bußstufen, der Exkommunikationsbuße in die Stufen der Weinenden
und Hörenden, der eigentlichen Kirchenbuße in die der
Niederfallenden und Mitstehenden (S. 446). Der Kern der Buße
(die Kirchenbuße des Hermas, die paenitentia Tertullians, die
Exomologese des Origenes und Cyprians, die Stufe der Niederfallenden
bei den Griechen) bleibt konstant, die anderen Bußstufen
setzen sich um sie herum an (S. 447).

Die Tatsache, daß in den lateinischen mittelalterlichen Nachbildungen
der griechischen Bußkanones die vnojrrxoaic; nicht differenziert
ist, sondern schlechthin als paenitentia erscheint, erklärt
sich damit, daß im Westen die Büßer, welche die exkommunikationslose
Kirchenbuße ableisteten, während des ganzen
Gottesdienstes bleiben durften, somit in sich nicht in Klassen