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1956 Nr. 4

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Neues Testament

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219

Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 4

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Angleichung oder Kombination ist in der synoptischen Tradition
häufig nachzuweisen. Der älteste Bericht klingt bei Paulus nur
noch in V. 26, bei Mk. in V. 25 nach. Sicher ist dies alles schon
vor Paulus, das meiste in der aramäisch sprechenden Gemeinde,
geschehen; aber wann sonst als in den ersten 10—15 Jahren wäre
das überhaupt zu erwarten? Lk. übernimmt einerseits die alte
Tradition 22, 15—18. 28—30, anderseits die (von ihm selbst?)
mit der Mk.-form kombinierte, auch dem Paulus zugrundeliegende
Fassung V. 19 f. Jede Rekonstruktion bleibt beim Stand
unserer Kenntnis fraglich. Meine Differenz zu der des Verf. verkleinert
darum in keiner Weise meine Achtung vor seiner gelehrten
Arbeit.

Zürich Eduard Schweizer

Helmbold, Heinrich: Vorsynoptische Evangelien. Stuttgart: Ehrenfried
Klotz [1953]. HOS. gr. 8°. DM9.60.

„Die einzige bewußte Absicht, die ihn von Anfang an leitete
, war der Wunsch, sich durch gründliches Studium eine eigene
Überzeugung von der Zuverlässigkeit der von Hirsch (Frühgeschichte
des Evangeliums 1941/1951) vorgeschlagenen synoptischen
Gesamtlösung zu verschaffen" — so beschreibt Vf. selbst
(S. 14) den Einsatzpunkt seiner Arbeit. Von ihm aus gelangte er
nicht nur zu einer restlosen Übernahme von Hirschs Schema der
synoptischen Literargeschichte, sondern er führte sie — gemeinsam
mit Hirsch selbst — durch eine literarische Analyse von Mk.
9 und 10 (Kap. V seiner Arbeit) insoweit zu Ende, als damit
nach seinem (und doch wohl auch Hirschs Urteil) „die Wiederherstellung
der Grundschrift EV" — d. i. die auf dem Petrusbericht
fußende synoptische Grundschrift — „als abgeschlossen gelten
darf" (S. 12).

Aber bei eben dieser Arbeit sah sich Vf. „mitten in den
Problemkreis der älteren vorsynoptischen Literatur hineingeführt
" (S. 14); ihm widmet er die hier veröffentlichten 13 Ein-
zeluntersuchungen, „welche dadurch untereinander zusammenhängen
, daß sie das Evangelium MtQ" — d. i. „die aramäische
Urfassung von Q" (S. 11) — „und die von dessen Vf. benutzten
Vorlagen EV, LG und XII behandeln" (S. 12); gemeint sind: die
synoptische Grundschrift (EV) (s. o.), eine bereits dem aramäischen
Q vorliegende Logienquelle (LG), die Vf. „urmatthäische
Schrift" nennt (S. 11), und die Zwölferquelle (XII). Das Ergebnis
seiner Untersuchungen sieht Vf. darin, daß er die Kenntnis
von Bestand und Ordnung von Q vervollständigt und die Art,
wie Q seine Quellen benutzt, soweit aufgeklärt hat, daß daraus
wiederum Einzeleinsichten über Bestand und Wesen eben dieser
hinter Q stehenden älteren Quellen, also besonders der Logien-
und der Zwölferquelle, gewonnen werden konnten. Im Vordergrunde
steht dabei gegenüber der älteren Anschauung die von
Hirsch besonders betonte These, daß Q wie alle anderen Quellen
vollständige Evangelien gewesen seien.

Abgesehen von den Ergebnissen der Arbeit für die Vervollständigung
oder Bestätigung der Hirsch'schen Analysen, die hier
vorzuführen weder sinnreich noch möglich wäre, interessieren
die Entscheidungen über «inige vieldiskutierte Fragen der Jesusforschung
und der Geschichte des apostolischen Zeitalters, die
Vf. auf Grund der literarkritischen Analysen glaubt fällen zu
können und deren wichtigste hier aufgereiht seien:

1) Bei der Johannestaufe hatte Jesus in der Tat eine Berufungsvision
; er „erkennt die Johannestaufe als Heilsanstalt zur
Entsühnung des von Gott erwählten Sohnes". Daraus ergibt sich
folgerichtig Jesu Bewertung des Täufers und der Taufe in Mat.
11, 11 (S. 49).

2) Jesus selbst hat Jes. 5 3 auf sich bezogen (S. 42. 52. 69.

106).

3) Die Deutung seines Werkes mittels der Sühnetheologie
entspricht daher dem Selbstverständnis des geschichtlichen Jesus
(S. 42).

4) Gemäß Jes. 53, 7 hat Jesus „den Sinn seines Leidens als
stellvertretende Sühne des kommenden Menschensohns niemand
offenbart, sondern als Geheimnis des Sohnes, das eine Sache zwischen
Gott und ihm allein betraf, bewahrt" (S. 69. 106). Das
Messiasbekenntnis vor dem Hohen Rat und das Königsbekenntnis
vor Pilatus sind also nicht geschichtilch (S. 69), wie natürlich jedes
Selbstbekenntnis als Messias überhaupt (S. 108). Andrerseits
sind aber die Schweigegebote der Evangelien auch Erfindung
(S. 14).

5) Die Selbstbezeichnung als Menschensohn ist nur da echt,
wo sie im Zusammenhang mit der Leidensbestimmung auftritt
(S. 13; vgl. S. 107).

6) Die dem Selbstbewußtsein Jesu entsprechende Sühnetheologie
des Paulus ist weder von der ersten Generation der
Jünger noch von der zweiten jerusalemischen Generation verstanden
und überliefert worden, sondern sie ist ein von den
unbekannten Lehrern des Paulus, die in Damaskus oder Antiochien
zu suchen sind, entdecktes Glaubensbild (S. 42. 69).

7) Die Kleinkindertaufe ist in den sechziger Jahren in Rom
aufgekommen (S. 46. 106), was aus der in Rom umgestalteten
Perikope von der Segnung der Kinder abzulesen ist.

Der Wert, den man solchen Feststellungen beimessen kann,
hängt natürlich ganz davon ab, wie weit man dem Hirsch/Helm-
boldschen Verfahren der Quellenscheidung und -bewertung zustimmen
kann. Mit ihrer hohen Bewertung der historischen Zuverlässigkeit
der hinter der synoptischen Grundschrift stehenden
Petruserinnerungen und der entsprechenden Geringwertung etwa
der Zwölferquelle befinden sie sich ja in größerer Gesellschaft.
Das Problem liegt aber in der Brauchbarkeit der kritischen Sonde,
mit der sie die verschiedenen Quellen und ihren Wert eruieren
und den synoptischen Textbestand auf sie verteilen. In eine Erörterung
darüber einzutreten, hieße aber, nicht das Buch von
Helmbold anzuzeigen, sondern das Werk von Hirsch kritisch zu
besprechen, wofür auf Jg. 67 (1942) Sp. 129 dieser Zeitschrift
verwiesen sei.

Ich beschränke mich auf die Anmeldung eines Bedenkens,
das sich schärfer als bei Hirsch bei einem Blick auf die graphische
Darstellung des Quellenschemas bei Helmbold (S. 12) aufdrängt.
In diesem Schema ist so gut wie alles mit allem verbunden. D. h.,
die postulierten Quellen und Quellenverhältnisse gestatten
nicht, eindeutige Abhängigkeiten zu konstatieren. Wenn aber bei
einer Quelle des angenommenen Schemas Elemente aus mehreren
anderen Quellen auftreten, dann ist es Zeit, sich zu fragen,
ob diese Quelle wirklich existiert und ob es nicht besser wäre,
sie wieder in ihre Elemente aufzulösen und als falsche Annahme
aus dem Schema zu entfernen. Jedenfalls scheint mir der Grundsatz
, daß man versuchen muß, mit so wenig Quellen als nur möglich
bei der Lösung des synoptischen Problems auszukommen, unausweichlich
zu sein. Dann darf man aber nicht immer eine neue
Quelle postulieren, wenn in einer Quelle, von der man sich ein
bestimmtes Bild gemacht hat, Elemente auftreten, die zu diesem
Bilde nicht passen. Es ist dann besser, man geht in sich und revidiert
sein Bild von der ersten Quelle.

Bei H.s Arbeit kommt hinzu, daß er sich bei seinen Feststellungen
schon in einer Entfernung zweiten Grades von den
wirklich vorhandenen Texten bewegt. Er fällt Urteile darüber,
was in einer Quelle, die doch immerhin auch nur eine Hypothese
ist, enthalten sein kann und was nicht, und postuliert daraus
Vorhandensein und Art einer Quelle für die Quelle. Es kann
nicht ausbleiben, daß dem Leser angesichts der virtuosen Handhabung
dieser analytischen Mathematik manchmal etwas verworren
zu Sinn wird und ihn ein leichter Zweifel beschleicht, ob
von den ins Abstrakte sich verlierenden Erörterungen noch eine
Verbindung zu unseren konkreten Evangelien besteht.

Rostock _ K. Weiß

Baltzer, Klaus und K ö s t e r, Helmut: Die Bezeichnung des Jakobus
als 'ÜB AI AS.

Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft 46, 19 5 5 S. 141
bis 142.

B ö h 1 i g, Alexander: Griechische und orientalische Einflüsse im Urchristentum
.

Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-
Wittenberg. Ges.-sprachw. Reihe V, 1955/56 S. 213—219.
C 1 a v i e r, Henri: L'ironie dans l'enseignement de Jesus.
Novum Testamentum. An International Quarterly for New Testament
and related Studies based on International Cooperation I, 19 56
S. 3-20.

D e s c a m p s, A.: La composition litteraire de Luc 16, 9—13.
Novum Testamentum I, 1956 S. 47—53.